Bundeswehr

Was Manager von Offizieren lernen können

22.03.2014
Von Kristin Schmidt
Konsequente Entscheidungen statt immer neuer Meetings, klare Ansagen statt wachsweicher Formulierungen: In rauen Zeiten sind Eigenschaften gefragt, die vor allem Offiziere verkörpern.

Ihre Hände zittern, ihre Stimme klingt brüchig vor Aufregung: Die Beraterin hat Angst - vielleicht sogar um ihren Job. Sie begleitet ein Restrukturierungsprojekt beim Versicherer Allianz, hat am Vorabend eine Präsentation an den Vorstand geschickt, ohne diese vorher mit dem Rest des Projektteams abgesprochen zu haben. Ein grober Fehler, denn zu den Unterlagen gehört auch eine Folie, die das Beratungsteam unter keinen Umständen hätte verlassen dürfen - weil sie eine Fehlentscheidung der Führungsetage hätte provozieren können.

Was für die Beraterin eine Katastrophe ist und für viele Vorgesetzte Grund genug wäre, hektisch herumzubrüllen, bringt Björn Gornik nicht aus der Fassung. Mit ruhiger Stimme und wenigen, wohl gewählten Worten wendet sich der damalige Vorstandsassistent und Leiter des Restrukturierungsprojekts an die Kollegin.

"Ich habe ihr schon deutlich gemacht, dass ihr Verhalten nicht optimal war, ihr aber auch gesagt, dass die Welt deswegen nicht zusammenbricht", erinnert sich der heute 36-Jährige an die brenzlige Situation vor gut zwei Jahren. "An ihrer Reaktion habe ich gemerkt, dass ich anderen aufgrund meiner Erfahrungen etwas an Stressresistenz voraus habe." Mit "meiner Erfahrung" meint Gornik seine Offizierslaufbahn bei der Bundeswehr. 14 Jahre, in denen er von Beginn an darauf getrimmt wurde, strukturiert Entscheidungen zu treffen, Teams zu leiten, Projekte straff zu koordinieren und erfolgreich abzuschließen.

Jedes Jahr verlassen rund 1.000 Offiziere die Bundeswehr und wechseln - oft sehr erfolgreich - in die freie Wirtschaft.
Jedes Jahr verlassen rund 1.000 Offiziere die Bundeswehr und wechseln - oft sehr erfolgreich - in die freie Wirtschaft.
Foto: Bilderjet - Fotolia.com

Tief geprägt hat ihn aber vor allem ein Erlebnis im Kreiskrankenhaus der afghanischen Stadt Mazar-i-Scharif. Als Hauptmann der Fallschirmjägertruppe war er 2007 sechs Monate im Land stationiert, kurz vor seinem Rückflug nach Deutschland erwischt es einen seiner Freunde. Ein Selbstmordattentäter hatte sich in die Luft gesprengt, der Soldat landet mit schweren Verletzungen an Bein, Kopf und Gesicht auf der Intensivstation. Als Gornik seinen Freund im Krankenhaus besucht, weiß er nicht, was ihn erwartet. "Hallo Björn, ich bin heute mal unhöflich und stehe nicht auf, um dich zu begrüßen", scherzt Gorniks Kamerad zur Begrüßung.

Dass sein Freund trotz schwerster Verletzungen den Humor nicht verloren hat, beeindruckt Gornik sehr. Seitdem fragt er sich in verfahrenen Situationen immer: "Ist jemand verletzt? Ist jemand tot? Nein? Dann gibt es keinen Grund zur Panik", sagt Ex-Hauptmann Gornik, der mittlerweile 16 Vertreter von zwölf Allianz-Agenturen im Raum Osnabrück führt.

Hohe Stressresistenz

"Offiziere sind im Zweifel die besseren Manager", sagt Stefan Knoll, Vizepräsident Wirtschaft und Berufsleben des Reservistenverbandes und Gründer der DFV Deutschen Familienversicherung. "Sie haben gelernt, zu organisieren, zu präsentieren und Verantwortung zu übernehmen - und können das meist auch besser als andere."

Exakte Führungsregeln

Extrem hohe Stressresistenz, ausgeprägter Teamgeist, Führungskompetenz, Loyalität mit Unternehmen und Mitarbeitern, die Fähigkeit, klare Entscheidungen zu treffen, auch bei Gegenwind dazu zu stehen und die Verantwortung für die Folgen zu tragen: Diese Eigenschaften zeichnen viele von Gorniks Offizierskollegen aus. Fähigkeiten, die ein wenig aus der Mode gekommen zu sein schienen in Zeiten, in denen mit Inbrunst um Frauenquote gestritten wird und Unis beschließen, männliche Hochschullehrer künftig lieber als Herr Professorin zu bezeichnen. Zeiten, in denen auf Konzernfluren lieber um die nächste Beförderung und die Hoheit über Tischvorlagen für Vorstandssitzungen gerungen wird statt um tragfähige Geschäftsmodelle. Zeiten, in denen Vorschläge und Entscheidungen in immer noch einem zusätzlichen Meeting zerredet und verwässert werden, bis von ihrer ursprünglichen Intention nichts mehr zu erkennen ist.

"In Unternehmen übertreiben es manche mit Verhandeln, Diskutieren und Einbeziehen" sagt Managementautor Reinhard Sprenger. "Manchmal müssen klare Entscheidungen her." Und nicht das nächste, kuschelige Motivationsseminar, sondern exakte Führungsregeln - gerade angesichts anhaltender Turbulenzen an den Finanzmärkten, in Krisenregionen wie Nordafrika, der Türkei und Brasilien oder der Krise der Europäischen Union, die ein komplexes Klima globaler Unsicherheit schaffen, das Unternehmen Entscheidungen nicht leicht macht.

"In solchen Zeiten sind ehemalige Offiziere für Unternehmen interessant", sagt Wirtschaftswissenschaftler Fredmund Malik. Sie hätten gelernt, in unsicheren Situationen mit Szenarien zu arbeiten und Informationen in Echtzeit zu verarbeiten. "Mit Basisdemokratie wird man keinen Erfolg haben", sagt auch Frank-Jürgen Weise, Chef der Bundesagentur für Arbeit und Oberst der Reserve. "Unternehmen brauchen Führung".