Jobprofil

Was macht eigentlich ein technischer Redakteur?

30.07.2012
Von Elisabeth Wagner

Technische Redakteure brauchen eine gute Vorstellungskraft

CW: Wie wirkt sich der Zeitdruck auf die Technische Dokumentation aus?

Zastrow: Man arbeitet immer häufiger parallel zur Entwicklung der Software schon an der Dokumentation. Man muss die Fähigkeit haben, sich anhand von Spezifikationen, Screendesigns, Wireframes und anderer Unterlagen das künftige Produkt, sein Aussehen und seine Funktionsweise vorzustellen. Da sind ein hohes Abstraktionsvermögen und eine gute Vorstellungskraft gefragt.

CW: Sie geben an, dass Sie circa 130 Softwareprodukte kennen. Hilft das in diesen Situationen?

Zastrow: Ja, absolut. Wenn man sich eine Softwareanwendung erst einmal vorstellen muss, bevor sie konkret existiert, ist Erfahrung das A und O. Ich persönlich liebe diese Herausforderungen. Auch, weil es sich um interessante innovative Produkte handelt. Es ist ein gutes Gefühl, dazu beizutragen, dass das Produkt meines Kunden den Wettlauf auf dem Markt gewinnt.

CW: Zeitkritische Entwicklungsprojekte werden zunehmend mit agilen Methoden abgewickelt. Die Software wird sukzessive aufgebaut, wobei die Zwischenstände einsatzfähig sein sollen. Kommen auch Sie dann schon früh zum Einsatz?

Zastrow: Hier gibt es tatsächlich eine sehr erfreuliche Entwicklung. Aufgrund meiner IT-Kenntnisse kann ich in der Regel einschätzen, wie eine Software aus Sicht der Anwender funktionieren sollte. Diese Erfahrung kann ich in agile Projekte, in denen die Dokumentation parallel zur Software entsteht, einbringen. Ich trage dann durch die Konzeption von Use Cases und Requirements dazu bei, dass die Software nutzerfreundlich wird und das wirkt sich auch positiv auf die Dokumentation aus.

CW: Zu welchem Zeitpunkt werden Sie bei klassischen Softwareentwicklungsprojekten eingebunden?

Zastrow: Um Kosten zu sparen, beziehen die Firmen die Technischen Autoren oft erst wenige Monate vor Fertigstellung des Produkts ein. Sinnvoll wäre es aber, den Technischen Autor schon in der Konzeptionsphase mit einzubinden.

CW: Warum wäre es besser, sich früher einzuklinken?

Zastrow: Wird ein Technischer Autor zu Beginn eines Projekts einbezogen, kann er eine wertvolle Außenperspektive und einen reichen Erfahrungsschatz einbringen. Ich habe auch beobachtet, dass die Änderungen an der Software gegen Ende des Projektverlaufs nur gering sind, so dass 85 bis 90 Prozent der Dokumentation bereits in den frühen Phasen der Umsetzung erstellt werden können. Außerdem herrscht bei fast allen Softwareentwicklungsprojekten ein immenser Zeitdruck, der seinen Höhepunkt erreicht, wenn der Auslieferungstermin naht. Wenn die Produkte fertig sind, müssen sie getestet und abgenommen werden. In dieser Zeit haben die Entwickler keine Kapazitäten für irgendetwas anderes frei. Sobald es etwas ruhiger wird, stehen die für die Dokumentation wichtigen Wissensträger oft nicht mehr zur Verfügung, weil sie endlich Zeit für Urlaub haben oder schon in einem neuen Projekt eingebunden sind. Dann wird es für mich als Technische Autorin schwierig bis unmöglich, benötigte Informationen zu recherchieren.

CW: Viele zeitlich anspruchsvolle Produkte werden heute in verteilten globalen Teams entwickelt. Wie sieht da die Zusammenarbeit aus?

Zastrow: In solchen Projekten habe ich üblicherweise nur noch mit dem Systemarchitekten und einem Teil des Entwicklerteams persönlichen Kontakt. Die übrige Kommunikation mit den Entwicklern läuft über Telefon, Desktop Sharing und Videokonferenzen - in globalen Teams natürlich auf Englisch.

CW: Hat der Trend zum Cloud Computing Ihre Arbeit verändert?

Zastrow: Nein, dieses Thema spielt für meine Kunden und damit für mich keine Rolle. Den Trend zu mehr Offenheit, Vernetzung und Auslagerung von Daten gibt es hier nicht. Das Gegenteil ist der Fall: Die Entwicklung von Software für große Kunden aus der Industrie, dem öffentlichen oder gar dem militärischen Sektor unterliegt nach wie vor einer hohen Geheimhaltung. Die Rechenzentren liegen in einem überwachten Sicherheitsbereich und sind durch Zutrittskontrollen geschützt, die Daten durch Firewalls. Meine Rolle als Technische Autorin ist es, genau darauf zu achten, wem welche Informationen zugänglich gemacht werden. Insbesondere überprüfe ich sorgfältig, dass auf Screenshots, die in Präsentationen enthalten sind, keine vertraulichen Daten zu sehen sind.