Nachrichtenübermittlung im Auswärtigen Amt

Was macht das AA mit seinen Minis ?

12.09.1975

BONN - Dr. Herbert Limmer, Leiter des Org-Referates im Auswärtigen Amt, pflegt die vornehmste Diplomaten-Tugend: er schweigt sich aus. Worüber er nicht reden mag, ist das computer-gesteuerte System für Textverarbeitung und Nachrichtenübermittlung im AA (2x General Automation 13/30 und 1x SPC-16). "Ich kann nur sagen, daß es funktioniert" kommentiert Dr. Limmer ein Geheimnis, das keines ist.

Geheime Kommandosache

AA-DV-Leiter Eschenbroich zeigte sich der CW-Redaktion gegenüber dito zugeknöpft. Den Computer-Lieferanten, die ERA-General Automation GmbH, Aachen, dagegen bedachte er mit einer telefonischen Protestnote wegen vermuteten Geheimnisverrates. ERA-Marketingchefin Margret Wehmayer: "Dabei haben wir das AA nie als Referenz benannt. Wir reden immer nur von einer obersten Bundesbehörde."

Wo Computer in Ministerien und obersten Bundesbehörden eingesetzt werden, weiß die eben zu diesem Zweck eingerichtete Zentrale Koordinationsstelle für DV beim Bundesinnenminister. Aber die AA-Computer hat sie nicht registriert. Denn außer dem Textverarbeitungssystem steht im AA noch eine weitere Anlage. Aber was die tut, ist nun wirklich geheime Kommandosache.

Politik, speziell Außenpolitik, ist eine Sache, die lange währt, um endlich gut werden zu können. Aber zwischen der Zielvorgabe einerseits und dem Minister-Autogramm unter einem Vertragswerk anderseits liegt sozusagen die Diplomatenlaufbahn. Und da kommt es auf Tempo an: auf raschen Informationsfluß. Mit der Installation eines Rechnerverbundes wird der Informationsfluß kanalisiert, die Infomiations-Bearbeitung automatisiert, die Informations-Weitergabe beschleunigt.

Konfiguration und Software entwickelte General Automation. Die Aufgabenstellung umfaßte

- die Erfassung und Aufbereitung eingehender Telex-Nachrichten aus aller Welt

- die Texterstellung für ausgehende Nachrichten und die Weiterleitung über 20 FS-Standleitungen und vier Funkstrecken.

Textdruck realisiert

Zunächst wurde der Bereich Textdruck realisiert, während die Bereiche Texterstellung und Verteilung zur Zeit getestet werden und zum Ende des Jahres AA-Routine werden sollen.

Das Texterfassungs/Drucksystem verarbeitet die eingehenden Nachrichten. Die Konfiguration besteht außer zwei Rechnern GA 18/30 (die Doppelauslegung dient der Sicherheit) aus zwei Datensichtgeräten, zwei Zeilendruckern, einem Lochstreifenleser, zwei LS-Stanzern, einem Teletype, einem Kartenleser und drei Plattenstapeln.

Peripherie arbeitet simultan

Das System analysiert jeden Nachrichtenkopf im Hinblick auf verschiedene Funktionen und speichert den Text nach Zuordnung einer Systemnummer auf Magnetplatte. Der Operator kann alle Nachrichten auf die Bildschirme zurückrufen, die Texte bearbeiten und korrigieren und um einen Verteiler ergänzen. Ein Unterprogramm gibt auf Tastendruck die Nachricht auf einen Zeilendrucker oder einen LS-Stanzer.

Dabei ermöglicht das Real-Time-Multiprogramming-Betriebssystem die simultane Arbeitsweise aller Peripheriegeräte. Gegenüber der vorher üblichen manuellen Textverarbeitung wird viel Zeit gespart.

Redner können sich gegenseitig aushelfen

Ähnlich aufgebaut ist die Hardware des Texterstellungssystems, das für ausgehende Nachrichten eingesetzt wird. Der Ein-/Ausgabe für die Aufnahme eingehender und die Verteilung ausgehender Nachrichten dient der GA-Rechner SPC-16.

Alle drei Rechner können autonom arbeiten, aber auch Funktionen der Verbund-Geschwister übernehmen. Die Kopplung der Rechner erfolgt über ein Computer-Interface (CCIF), das hohe Transfer-Raten erlaubt.

Diplomatische verschlußsache

Detailinformationen über die Konfiguration, aber auch über Datendurchsatz und spezifische Inhalte der zu verarbeitenden Nachrichten müssen aus "verständlichen Gründen" diplomatische Verschlußsache bleiben.

Dr. Herbert Limmer: "Dazu sagen wir nichts."

Aber selbst eine solche Auskunft aus AA-Kreisen kann gar nicht hoch genug bewertet werden. Der Limmer-Chef Ministerialdirektor Hoppe (Leiter der AA-Abteilung 1, Personal und Verwaltung) ließ sich lieber gleich dreimal am Telefon verleugnen. Erst ein Fernschreiben der Computerwoche lockte ihn aus der Reserve. Aber ganz diplomatisch: Hoppe erteilte Dr. Limmer beschränkte Auskunftserlaubnis. Siehe oben. os