Geschäftsprozesse digitalisieren

Was Low-Code-Programmierung bringt

08.05.2018
Von 


Karsten Noack ist Gründer und CEO der Scopeland Technology GmbH. Als Visionär entwickelte er bereits Mitte der 90er Jahre die Grundlagen der Technologie, die heute als ‚Low-Code‘ und als Schlüsseltechnologie der Digitalisierung bekannt ist. Karsten Noack verfügt über Erfahrungen im Einsatz von Low-Code-Plattformen in großen Unternehmen und Behörden.
Low-Code-Plattformen ermöglichen die interaktive Entwicklung datenbankbasierter Fachanwendungen nahezu ohne Programmierung.

Wie ist die fortschreitende Digitalisierung ohne Programmierung möglich? Durch interaktives Zusammenklicken vorgefertigter Softwarebausteine. Dadurch können Anwender und Power-User der Fachabteilungen viel besser in die Entwicklung ihrer Softwarelösungen einbezogen werden. So werden eine wirklich agile Softwareentwicklung und ein gemeinsames Erarbeiten optimaler Lösungen 'direkt am lebenden Objekt' möglich - durch Konzeption und Umsetzung in einem Zuge, mit modernen Methoden des Design Thinking über alle Projektphasen hinweg.

Programmieren war gestern. Die moderne Softwareentwicklung setzt auf interaktives Zusammenklicken vorgefertigter Bausteine.
Programmieren war gestern. Die moderne Softwareentwicklung setzt auf interaktives Zusammenklicken vorgefertigter Bausteine.
Foto: Gajus - shutterstock.com

Bei Low-Code geht es also nicht nur darum, Kosten zu sparen und schneller zu Ergebnissen zu kommen - es ist ein völlig anderer Ansatz, Softwarelösungen konzeptionell zu erarbeiten. Es geht auch darum, nicht am realen Bedarf vorbei zu entwickeln, und den gesamten Prozess der Konzeption, Entwicklung und Pflege in einem Maße zu flexibilisieren, wie man es sich bislang kaum vorstellen konnte. Das ist der Grund, warum Forrester Research den Low-Code-Plattformen eine Schlüsselrolle bei der Digitalisierung aller Geschäftsprozesse zuschreibt, und warum künftig kein Unternehmen mehr umhinkommen wird, für Low-Code-Plattformen eine Rolle in seiner IT-Strategie vorzusehen.

Softwareentwicklung ohne Programmierung: Wie geht das?

Schon seit langem arbeiten viele Innovatoren an immer neuen Ideen, um den äußerst langwierigen Prozess der Softwareentwicklung drastisch zu verkürzen. Und naturgemäß kommen dabei völlig unterschiedliche Lösungsansätze zum Tragen. Von den sogenannten 4GL-Sprachen der 90er Jahre über Computer-Aided Software Engineering (CASE) bis hin zur sogenannten Modellgetriebenen Softwareentwicklung. So ziemlich alles wurde versucht, um irgendwie Programmcode automatisch generieren zu lassen. Der Durchbruch aber kommt aus einer völlig andere Ecke: mit Plattformen, die die gesamte voraussichtlich benötigte Funktionalität bereits vorgefertigt parat halten, und die intern intelligent genug gebaut sind, dass man die Objekte und Features quasi nur noch zusammenstöpseln muss, ohne sich um die technischen Belange im Detail kümmern zu müssen.

Komplette Neuentwicklungen sind so nach wenigen Wochen statt nach vielen Monaten oder Jahren produktiv verfügbar, und Programmerweiterungen in Tagen statt in Monaten. Das ist ein Traum für die Verantwortlichen der Fachabteilungen - aber zugleich auch eine große Herausforderung für die IT-Verantwortlichen, die die Sicherheit und Stabilität der gesamten IT zu verantworten haben.

Die Bedenken, die da aufkommen, sind verständlich, aber die Vorteile von Low-Code-Ansätzen im Vergleich zur klassischen Softwareentwicklung sind so gravierend, dass man nicht umhinkommt, es trotzdem zu tun. Die etablierten Low-Code-Plattformen genügen heute bereits den höchsten Sicherheitsanforderungen, vielleicht sogar besser als manche handgeschriebene Software. Denn der Standardsoftwareansatz ermöglicht unter anderem auch Datensicherheit, Barrierefreiheit und vieles mehr 'out of the box'.

Was bedeutet das 'Low' in Low-Code?

Der von Forrester Research 2014 aufgebrachte Begriff Low-Code ist in mehrfacher Hinsicht gut gewählt. Nicht nur, dass die klangliche Assoziation andeutet, dass manchmal der Verzicht auf etwas Althergebrachtes sinnvoll sein könnte. Besonders treffend ist das 'Low': Zum einen ermöglichen Low-Code-Plattformen, mit wenig handgeschriebenem Programmcode auszukommen, und zum anderen kann man sich, wenn man doch mal etwas dazu programmieren muss, auf niedrigschwelligen Programmcode beschränken.

Damit ist gemeint, dass man sich auch mit IT-Basiswissen so einigermaßen darin bewegen kann. Auch wenn der Informatiker letztlich mehr herausholen kann, so kann ein Nicht-Informatiker zumindest den Code lesen und verstehen und auch verändern. Die Objektstrukturen sind bereits automatisch von der Plattform erzeugt, Programmschleifen 'über alle selektierten Datensätze' sind von Haus aus vorhanden, und alle gängigen Rechen- und Konvertierfunktionen liegen direkt zur Verwendung bereit. So kann sich sich das kleine bisschen Programmcode, das man hin und wieder mal ergänzen muss, auf vergleichsweise einfache Funktions- und Variablendefinitionen mit einfachen Aktionsfolgen und Verzweigungen beschränken.

Was ist ein 'Citizen Programmer'?

Die meisten Low-Code-Produkte zielen genau auf die Schnittstelle zwischen den zentralen IT-Abteilungen der Unternehmen und den eigentlichen Anwendern ab. Hierbei gibt es unterschiedliche Ausprägungen bei den Tools. Manche sind eher für Endanwender, andere dann doch eher für IT-Profis optimiert.

Die wichtigste Zielgruppe der Low-Code-Bewegung aber ist immer die, die genau dazwischenliegt: also IT-kundige Mitarbeiter der Fachbereiche, sowie IT-Spezialisten, die sich über viele Jahre hinweg so tief in die Themen der Fachabteilungen eingearbeitet haben, dass sie längst nicht mehr aktiv in der komplexen objektorientierten Programmierung zuhause sind. Für diese Gruppe von fach- und zugleich hinreichend IT-kundigen Mitarbeitern steht der neu erfundene Begriff 'Citizen Programmer'. Das ist jemand, der in der Fachabteilung zuhause, zugleich aber auch in der Lage ist, im Bedarfsfall mal etwas zu programmieren.

Es ist schon lange nicht mehr so, dass es im Unternehmen nur auf der einen Seite die um den CIO gescharten IT-Gurus, und auf der anderen Seite völlig IT-unkundige Fachleute gibt. In nahezu allen größeren Unternehmen hat sich längst eine sogenannte 'Schatten-IT' entwickelt, in der sich die Fachabteilungen um ihre eigenen Fachanwendungen selbst kümmern, mit mehr oder weniger Unterstützung aus der Zentral-IT - getrieben von Power Usern und fachlich orientierten Informatikern und Beinahe-Informatikern, die sich jetzt allesamt Citizen Programmer nennen können.