Was Kinder im Computerzeitalter brauchen

12.11.2004
Von Christian Nürnberger

Zwischen dem sechsten und dem 14. Lebensjahr entscheidet sich, ob aus einem Kind ein Leser wird. Wenn während dieser Zeit versäumt wird, dem Kind die Lust am Lesen zu vermitteln, wird es diese Lust mit hoher Wahrscheinlichkeit nie mehr bekommen. Die geschriebene und gesprochene Sprache ist nicht das einzige Ausdrucksmittel, das uns Menschen zur Verfügung steht. Auch Singen, Tanzen, Musizieren, Malen, Theaterspielen, Formen und Gestalten sind menschliche Sprachen, die in der Schule gelehrt werden sollten, aber zu wenig gelehrt werden. Der Unterricht ist viel zu "verkopft".

In Bad Homburg gibt es eine Schule, an der die Kinder jeden Tag eine Stunde Sport haben. Und zwar zu Lasten der kognitiven Fächer. Dennoch sind die Schüler dieser Schule in den kognitiven Fächern im Durchschnitt besser als die Schüler, die mehr kognitiven Unterricht haben und weniger Sport. Und nicht nur das: An dieser Schule in Bad Homburg gibt es signifikant weniger Pöbeleien, Aggressionen und Unfälle. Ist ja auch logisch. Der Sport durchlüftet das Gehirn und fördert die Konzentration, also lernt man besser, leichter und ausdauernder. Beim Sport kann man Dampf ablassen, und das macht friedlicher. Der Sport baut Muskeln auf, und wenn man fällt, hat man genug Kraft, um sich abzufedern und geschickt zu fallen. Die anderen, die das nicht haben, brechen sich den Arm.

Kinder ziehen viel Selbstbewusstsein aus sportlichen und körperlichen Leistungen, Geschicklichkeit und Kraft. Darum macht der Sport die Kinder nicht nur körperlich, sondern auch seelisch und geistig stark. Das wussten schon die alten Griechen, nur: Wir wenden das längst Gewusste nicht an. Wir sehen tatenlos zu, wenn unsere Kinder vom Fernseher zum Computer, vom Computer zur Videospielkonsole und von dieser wieder zum Fernseher wandern, dabei kaum reden und Unmengen von Cola, Chips, Pizza und Pommes konsumieren. Unsere Kinder verstummen und verfetten vor den Monitoren, und unsere Kultusminister sparen beim Sportunterricht, bei Turnhallen und Sportplätzen. Wie mit dem Sport ist es auch mit der Musik. Kinder, die mehr Musikunterricht haben, wiederum zu Lasten der kognitiven Fächer, bringen in den kognitiven Fächern bessere Leistungen als jene, die mehr kognitiven Unterricht haben. Auch das überrascht nicht.