Was Jobwechsler von Fußballern lernen können

26.05.2006
Wenn es dem Unternehmen nicht gut geht, schauen sich manche Mitarbeiter nach Alternativen um. Der Berliner Bewerbungsexperte Gerhard Winkler verrät im Gespräch mit CW-Redakteurin Alexandra Mesmer, wie man den Jobwechsel betreiben sollte.

CW: Gerät eine Organisation in Schwierigkeiten, gehen viele Mitarbeiter erst einmal auf Tauchstellung. Wie sollte man Ihrer Meinung nach reagieren?

Bewerben für Profis

1984 war ein besonderes Jahr für Gerhard Winkler. Er musste sich bewerben. Keine leichte Aufgabe: "Das war dröge! Mich schüttelt es noch heute", erinnert er sich. Aber der Pioniergeist hat ihn anscheinend gepackt. Seit 1987 gibt er seinen Erfahrungsschatz an Bewerber weiter. Seit 1997 ist seine Website www.jova-nova.com mit zahlreichen Tipps online. Dort bietet er einen Unterlagencheck gegen einen Unkostenbeitrag an, optimiert Anschreiben oder gibt Tipps für den Lebenslauf. Mittlerweile veranstaltet er in der ganzen Republik Trainings für Bewerber: Die nächsten Seminare finden am 24. Juni in Ober- hausen, am 1. Juli in Berlin und am 26. August in München statt.

Mehr zum Thema

www.computerwoche.de/

561453: Die Todsünden der schriftlichen Bewerbung;

561402: Tipps für die Online-Bewerbung;

561434: Hinweise für die richtige Bewerbungsvorbereitung.

WINKLER: Sich ducken und gucken ist besser. Schauen Sie nach anderen Unternehmen und schauen Sie vor allem in andere Unternehmen hinein. Gehen Sie von sich aus auf Firmen zu, auf die Sie neugierig geworden sind oder die Sie schon länger beobachten. Hören Sie sich um, wo sich gerade Jobchancen eröffnen. Reaktivieren Sie alte Jobkontakte. Arbeiten Sie systematisch, Schritt für Schritt den Jobmarkt durch. Lassen Sie sich ein neues Zwischenzeugnis ausstellen. Begründung: Sie möchten, dass Ihre Entwicklung in der Organisation und Ihre wachsende Übernahme an Verantwortung auch einmal dokumentiert wird. Der ausformulierte Leistungsnachweis belegt Ihren Anspruch auf eine bestimmte Jobposition, weil darin Ihr Vorgesetzter Ihr alltägliches Handeln in einer vergleichbaren, zudem höchst aktuellen Aufgabenstellung beschreibt. Ein Zeugnis ist immer auch die denkbar beste Vorlage für jedes Anschreiben.

CW: Wenn sich mehrere Mitarbeiter eines Unternehmens auf dem Jobmarkt zeigen, gibt es schnell Gerüchte. Was darf man als Bewerber über die schwierige Lage des aktuellen Arbeitgebers erzählen?

WINKLER: Nichts. Ihrem Arbeitgeber geht es ausgesprochen gut. Selbst wenn die Insolvenzmeldung öffentlich ist, geht es Ihrer Organisation den Umständen entsprechend. Ihr Wechselwille legitimiert nicht, dass Sie Ihren aktuellen Job, die Arbeitsumstände oder den Chef denunzieren. Firmeninterna haben auch in der schriftlichen Bewerbung nichts verloren, in der Sie jedoch auf Ihre aktuelle Position und Aufgaben detailliert eingehen sollen.

CW: Wer darf von den Wechselabsichten erfahren?

WINKLER: Ihr Arbeitgeber darf noch nicht einmal von einer vagen Wechselstimmung erfahren. (Geschweige denn, dass Sie ihm mit Ihrem Abgang drohen.) Verzichten Sie auch darauf, sich im beruflichen Freundeskreis über konkrete Aktionen zu äußern. Was wirklich passiert, wenn das Flurgeflüster vom Abgang munkelt, ist stets noch um einiges schlimmer, als ich es Ihnen ausmalen könnte. Wer geht, verliert an Gewicht, Bedeutung, Respekt - ab dem Zeitpunkt, an dem die Umgebung davon erfährt.

CW: Wie sollten sich Bewerber, die sich verändern möchten, im Vorstellungsgespräch verhalten?

WINKLER: Sie stehen unter Vertrag und können es sich leisten, klar zu sagen, dass Sie sich verbessern und nicht verschlechtern wollen. Als Leiter insistieren Sie auf geregelte Zuständigkeiten und eindeutige Berichtslinien. Als Systemadministrator klären Sie ab, dass Ihnen eine kontinuierliche Weiterbildung zugestanden wird. Sie halten sich fachlich auf dem Stand und erwarten, dass ein Arbeitgeber Ihre Lernanstrengungen ebenso wie Ihre Arbeitsleistungen würdigt.

CW: Wie soll man im Vorstellungsgespräch den Wechselwunsch begründen?

WINKLER: Wenden Sie den Blick von der Firma, für die Sie sich nicht mehr engagieren mögen, hin zu den Menschen, mit denen Sie gern arbeiten, für die Sie sich einsetzen wollen. Ein denkbar freche Begründung: "Gute Firmen ziehen gute Leute an. Und ich weiß nicht nur, was ich kann. Ich weiß auch, was ich für Sie erreichen kann." - Und dann zählen Sie es noch einmal auf. Die Braven glauben es ja nicht, aber dosierte Frechheit siegt: "Warum ich wechseln will? Wie mein Karriereberater sagt: Die Freiheit des Angestellten liegt in der Möglichkeit, sich zu verbessern." - Zu forsch? Dann antworten Sie: "Fußballer reden vom Trainer, von der tollen Mannschaft, vom Verein und wechseln im Grund doch nur wegen des Geldes. Bildlich gesprochen zieht es mich dahin, wo ich mehr Tore schießen kann."