Globalisierung 2.0

Was IT-Profis künftig können müssen

02.06.2011
Von Petra Riedel
Die zweite Welle der Globalisierung hat die Arbeitsplätze der digitalen Welt erfasst und verändert die Arbeitswelt grundlegend. Wer "World of Warcraft" spielt, hat Vorteile.

Wer zukünftig gut auf einen Job in der IT vorbereitet sein will, der solle "World of Warcraft" spielen, empfiehlt Hewlett-Packards Deutschland-Chef Volker Smid. Nicht um zu lernen, wie man Konkurrenten am geschicktesten aus dem Weg räumt. Sondern um die Kooperationsfähigkeit zu trainieren: Nach Smids Ansicht vermittelt das Online-Rollenspiel, wie Menschen aus aller Welt, die über das Internet miteinander vernetzt sind, gemeinsam Aufgaben lösen können.

Nicht nur bei HP arbeiten viele IT-Profis mittlerweile in internationalen Kooperationen oder Offshoring-Projekten auf dem und für den globalen Markt - zukünftig werden es wohl immer mehr werden. Vorbei die Zeiten, in denen ein "IT-Künstler" eine Lösung "maßschneiderte" - in ganzheitlicher Arbeit, mit viel Gestaltungsspielraum und in langen Entwicklungszyklen. Heute werden viele IT-Dienstleistungen in globalen Wertschöpfungsketten erbracht; Aufgaben sind zum Teil weltweit verteilt, die Prozesse standardisiert, die Zyklen kurz und der Innovationsdruck hoch.

Globale Strategie fehlt

Andreas Boes, ISF: "Die Globalisierung hat inzwischen auch die Kopfarbeit erreicht."
Andreas Boes, ISF: "Die Globalisierung hat inzwischen auch die Kopfarbeit erreicht."
Foto: Andreas Boes, ISF

"Globalisierung 2.0" nennt Andreas Boes, Soziologe vom Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung (ISF) in München, diese Entwicklung. Die erste Welle der Industrialisierung erfasste die Handarbeit. Vorreiter war die Bekleidungsindustrie: Aus der Maßarbeit wurde seit dem 19. Jahrhundert allmählich Fließbandarbeit; vor 40 Jahren begann die Textilproduktion dann von Deutschland aus immer weiter nach Osten zu wandern, den billigen Löhnen hinterher. "Industrialisierung und Globalisierung haben inzwischen auch die Kopfarbeit erreicht, von der man lange glaubte, sie sei dagegen resistent", sagt Boes, der seit langem die Arbeitsbedingungen in der IT-Industrie untersucht. Im Rahmen eines Expertenforums des Forschungsprojekts GlobePro (www.globe-pro.de) in München diskutierten Wissenschaftler der Forschungsgruppe um Boes und Fachleute aus Unternehmen und Weiterbildung über die daraus entstehenden neuen Anforderungen an IT-Profis.

Drei Wegsteine markieren die Globalisierungsschritte in der IT, beschreibt der Münchner Wissenschaftler: Zunächst folgten die Unternehmen ihren Kunden ins Ausland, dann - etwa seit dem Jahr 2003 - wurde das Offshoring ein Thema, nach dem Motto: "Lieber Kollege, dein Arbeitsplatz muss nicht hier sein, der kann auch in Indien sein." "Davon ist man heute weg", sagt Boes. International tätige Unternehmen stehen nun, im dritten Schritt, vor der Aufgabe, sich gegen neue globale Wettbewerber - zum Beispiel indische IT-Dienstleister - zu behaupten. Sie müssen auf der ganzen Welt schnell, planbar und flexibel handeln können wie ein "global integriertes Unternehmen". "Die meisten deutschen IT-Unternehmen haben bisher keine globalen Strategien", urteilt Boes. Die Globalisierung werde jedoch einen Druck erzeugen, dem sich auf Dauer kein Unternehmen entziehen könne, "auch die kleine IT-Firma auf der Schwäbischen Alb nicht".

Eigene Sicherheit geht verloren

Durch ständige Neuausrichtungen, Organisationsänderungen, Orientierung an Kennzahlen, zunehmende Arbeitsteilung und den Schub zu Standardisierung und Prozessorientierung erreicht der Globalisierungsdruck die Mitarbeiter. "Die Sicherheit über die eigene Entwicklung und über den Wert der eigenen Qualifikation ist bei vielen Mitarbeitern verloren gegangen", hat Johannes Katzan, Gewerkschaftssekretär IT bei der IG Metall und dort zuständig für HP, beobachtet. Die berufliche Identität wandelt sich. Doch: Wie stellt sich ein IT-Profi am besten auf das Arbeiten in der globalen IT ein? Welche Qualifikationen werden in Zukunft mehr gebraucht, welche weniger?

Deutsche Hochschulabsolventen stehen im internationalen Vergleich gut da, glaubt Susanne Labonde, verantwortlich für das weltweite Employer Branding bei SAP. Wenn es ihnen nach der Ausbildung an etwas mangele, dann seien das Management-Qualifikationen und interkulturelle Kompetenzen. Studenten täten also gut daran, Auslandsaufenthalte einzuplanen und Praktika im Ausland zu machen. "Wichtig für uns ist auch, dass die Absolventen frühzeitig Erfahrung in anderen Bereichen sammeln, zum Beispiel als Business-Student mit IT - und umgekehrt."