Einkaufsregeln bei der öffentliche Hand

Was ist neu bei EVB-IT System?

08.10.2012
Von Thomas Fischer und Marcus Müller
Die Einkaufsregeln der öffentlichen Hand liegen endlich in einer zwischen Staat und Wirtschaft abgestimmten Version vor. Sie ändern sich vor allem in fünf Punkten.
In welchen Punkten hat sich das Vertragsmodell geändert?
In welchen Punkten hat sich das Vertragsmodell geändert?
Foto: Fotolia, Maik Blume

Die "Ergänzenden Vertragsbedingungen für den Einkauf von IT Leistungen" (EVB-IT) sind die Vertragsgrundlage für ein jährliches ITK-Auftragsvolumen von rund 18 Milliarden Euro. Eigentlich werden diese Referenzregeln seit Jahrzehnten einvernehmlich von der öffentlichen Hand und der IT-Wirschaft publiziert. Doch hinsichtlich des umfangreichsten Vertragstyps EVB-IT System konnten sich die beiden Parteien zuletzt nicht einigen. 2007 veröffentlichte das Bundesministerium des Innern (BMI) eine einseitige Fassung der EVB-IT System 1.0. Doch 2010 stiegen Staat und Wirtschaft in Nachverhandlungen ein. Und diesmal verliefen die Gespräche besser: Soeben wurden im Einvernehmen mit dem Branchenverband Bitkom die EVB-IT System 2.0 veröffentlicht.

Blaupause EVB-IT Systemlieferung

Grundlage des Übereinkommens sind die Kompromisse für den "kleinen Systemvertrag", den EVB-IT Systemlieferung. Diesen Regelungen liegt das Modell eines Kaufs zugrunde. Die Erstellung von Individualsoftware lässt sich in diesem Rahmen nicht vereinbaren. Beistellungen des Auftraggebers, beispielsweise von ihm zur Verfügung gestellte Komponenten, werden in das Sys-tem eingebunden, sind aber nicht dessen Bestandteil. Beschränken sich die gewünschten Anpassungsleistungen auf das Customizing von gelieferter Standardsoftware, sind also in aller Regel die "schlankeren" Vereinbarungen der EVB-IT Systemlieferung vorzuziehen.

Was die EVB-IT System betrifft, muss der Auftragnehmer weiter Erfolgsverantwortung für das Gesamtsystem übernehmen. Vertragsrechtlich handelt es sich hier um eine Werkleistung. Die umfasst aber verschiedenste Leistungstypen, insbesondere

  • Erstellung und Weiterentwicklung von Individualsoftware;

  • Lieferung, Customizing und Implementierung von Standardsoftware;

  • Miete oder Kauf von Hardware;

  • Systemservice nach Abnahme.

Wenn derart unterschiedliche Leistungen einbezogen werden, führt das zu einer kaum überschaubaren Anzahl denkbarer Varianten an Regelungsmöglichkeiten und -notwendigkeiten. Der Versuch, standardisierte Vertragsbedingungen zu schaffen, ist damit nur schwer in Einklang zu bringen. Der Beschaffer muss daher kritisch prüfen, ob sein Vertragsentwurf zu der benötigten Leistung passt und im Hinblick auf den Markt angemessen ist.

Die fünf wichtigsten Änderungen

Was hat sich denn nun in der neuen Fassung der EVB-IT System geändert?

1. Da wären zum einen die neuen Haftungsbegrenzungen. In der alten Fassung griff die Haftungsbegrenzung nicht, wenn der Auftraggeber einen Mangel des Gesamtsystems selbst beseitigte oder durch einen Dritten beseitigen ließ. Dies führte zu einer unbegrenzten Haftung des Dienstleisters für die entstehenden Kosten auch bei einfacher Fahrlässigkeit. Jetzt greift die Haftungsbegrenzung umfassend. Zudem gibt es eine gesonderte Haftungshöhe beim Systemservice. Die Neuregelung knüpft allein an den Wert der Servicevergütung an, um auch hier für Ausgewogenheit zu sorgen.

2. Ebenfalls neu geregelt wurden die Nutzungsrechte für Software. Die Bestimmungen zu den Nutzungsrechten kennen jetzt vier Kategorien, von denen die zweite und die letzte grundsätzlich neu sind:

  1. reine Standardsoftware;

  2. Standardsoftware mit projektbezogenen Änderungen im Quellcode;

  3. reine Individualsoftware;

  4. Individualsoftware, in die bestehende Teile einbezogen wird.

Leider findet sich immer noch keine Regelung zu Open-Source-Software. Es liegt aber nahe, sie als Beistellungsleistung des Auftraggebers zu berücksichtigen.

3. Mit den neuen EVB-IT Systemlieferung wurde erstmals die Nutzungsrechtsmatrix für Standardsoftware eingeführt. Sie dient als Basis für Kompromisse hinsichtlich der Nutzungsrechte an zu liefernder Standardsoftware. Die öffentliche Hand will eine möglichst einheitliche Regelung, egal, wie unterschiedlich die Standardsoftwareprodukte im Gesamtsystem sein mögen. Die IT-Wirtschaft dagegen will die Bedingungen der Hersteller durchreichen. Die Matrix erlaubt es den Beschaffern nun, einen Mindestumfang der Rechtseinräumung verbindlich vorzugeben. Daraufhin können die Bieter die Mindestvorgaben durch die Herstellerbedingungen ergänzen.

4. Eine neue Qualität erhalten jetzt die Teilabnahmen. Anders als für das Gesamtsystem beträgt die standardmäßige Frist für die Teilabnahme nur noch 14 statt 30 Tage. Steht ein Projekt unter Zeitdruck, sollte der Beschaffer prüfen, ob die Bieter nicht auch kürzere Fristen anbieten können. In den neuen EVB-IT System erhalten die Teilabnahmen mehr Eigenständigkeit. So bieten sie Auftraggebern wie -nehmern die Chance, frühzeitig festzustellen, ob das Projekt in die richtige Richtung läuft.

5. Die letzte Änderung betrift den Zeitpunkt der Rechtseinräumung. Die Vergabestelle beschafft, der Auftragnehmer liefert und wird dafür bezahlt. Endgültige Rechte am Gesamtsystem werden erst eingeräumt, wenn es abgenommen und vergütet ist. Das stellt die Neufassung nunmehr klar. (qua)