Oracles EMEA-Verantwortlicher sieht sich als Vorreiter

"Was in Europa klappt, läuft auch in den USA"

30.08.1996

CW: Herr Falotti, es sieht so aus, als hätten Sie immer gerade rechtzeitig den Job gewechselt. Kaum hatten Sie sich von Digital Equipment getrennt, ging es mit dem Unternehmen auch in Europa bergab. Den Software-Anbieter ASK verließen Sie, kurz bevor er von CA geschluckt wurde. Was hat Sie veranlaßt, von AT&T wegzugehen?

Falotti: AT&T hatte mich eingestellt, um das Europa-Geschäft zu entwickeln. Wir haben hier einen guten Job gemacht, viele hervorragende Manager an Bord geholt, die immer noch dort sind. Auch die neue dreigeteilte Organisation des Unternehmens haben wir durchgesetzt. Den Schlußpunkt bildet die Allianz mit Unisource. Was die strategische Seite betrifft, so ist unsere Arbeit damit getan. Für die operationelle Seite des Geschäfts verfügt AT&T in Europa über zwei sehr gute Leute. Mir wäre Asien als Aktionsbereich geblieben. Aber mein Know-how bezieht sich auf Europa. Ja, und dann kam jemand, der mir eine interessante Aufgabe vorschlug.

CW: Das war Oracle. Nun haben Sie, als Sie die ASK Group leiteten, immer darauf bestanden, daß die Oracle-Datenbank technisch schlechter sei als die von Ingres. Wie stehen Sie heute dazu?

Falotti: Damals hatte Ingres gegenüber Oracle wirklich die bessere Technologie. Aber ich habe auch immer gesagt, daß wir (Ingres, Anm. d. Red.) uns stärker auf Marketing, Personal und Verkauf konzentrieren müßten. Denn wenn man nicht genug verkauft, werden die anderen früher oder später den Technologievorsprung aufholen. Das könnte Oracle nun durchaus geschafft haben. Ich kenne das Produkt noch nicht gut genug, aber nach allem, was ich gehört und gelesen habe, hat Oracle dort nachgezogen, wo es damals hinten lag - beispielsweise bei den Replikationsfunktionen. Auf jeden Fall war ihre Marketing-Maschine immer die bessere.

CW: Auch ohne Sie war Oracle in den vergangenen Jahren ein extrem erfolgreiches Unternehmen. Gibt es da eigentlich noch eine Herausforderung?

Falotti: Aber ja doch. Sehen Sie sich die neue Zielsetzung an: Wir wollen künftig große Kunden im internationalen Rahmen unterstützen. Das hat Oracle in der Vergangenheit nicht getan. Dazu ist ein entsprechendes Verständnis in der Unternehmensspitze notwendig.

CW: Worauf beziehen Sie sich - auf die neue branchenorientierte Organisation?

Falotti: Zum Beispiel. Die Definition einer solchen Strategie ist nur der erste Schritt. Die Herausforderung besteht darin, dieses Modell zu implementieren, die Leute darauf vorzubereiten, die Arbeit im Team zu organisieren und die Mitarbeiter damit vertraut zu machen. Die meisten großen Hardware-Unternehmen haben hier versagt, weil sie versuchten, ein neues Modell mit denselben Leuten zu verwirklichen.

Das ist aber so, als würden Sie einem Fußballer sagen, er solle künftig American Football spielen. Das Feld ist dasselbe, alle rennen einem Ball hinterher - und trotzdem ist es etwas anderes.

CW: Nennen Sie bitte ein Beispiel für diese neue internationale Unterstützung Ihrer Kunden.

Falotti: Wir beliefern beispielsweise France Télécom und die Deutsche Telekom. Diesen Anwenderunternehmen hat Oracle bislang Produkte verkauft, die das Geschäft in Frankreich beziehungsweise in Deutschland unterstützen sollten. Heute müssen diese Kunden aber umdenken - auch im Hinblick auf ihre Software. Sie können sich nicht mehr auf Frankreich oder Deutschland beschränken. Früher oder später wird jeder von uns eine Telefonnummer besitzen, die wir überall benutzen können. Und dann müssen France Télécom, Deutsche Telekom, die italienische Infostrada und all die anderen Anbieter kompatible Datenbanken einsetzen, um das Verhalten ihrer Nutzer nachvollziehen zu können.

CW: Europa ist aber noch nicht die ganze Welt.

Falotti: Wenn wir das in Europa schaffen, wird es uns wesentlich leichter fallen, es auch weltweit zu tun. Denn hier sind die Kunden mehr als sonstwo auf diese Lösungen angewiesen. Die meisten amerikanischen Unternehmen gehen davon aus, daß das, was in den Staaten funktioniert, im Rest der Welt nicht fehlschlagen könne. Ich glaube, daß es sich genau umgekehrt verhält. Wenn es hier klappt, läuft es auch in den USA.