Requirements-Management in der Projektentwicklung

Was im IT-Anforderungskatalog stehen muss

09.07.2004
Im Zuge von IT-Projekten prallen meist zwei Welten aufeinander: die fachliche des Auftraggebers und die technische des Auftragnehmers. Wer Missverständnisse hinsichtlich der jeweiligen Anforderungen ausräumen und damit kostspieligen Schwierigkeiten im späteren Projektverlauf vorbeugen will, muss hier Brücken schlagen. Von Janko Jochimsen*

IT-Vorhaben werden häufig von den Fachabteilungen angestoßen. Um den fachlichen Fokus im Projekt zu erhalten und der Technikabteilung statt vager Interpretationen konkrete Anhaltspunkte an die Hand zu geben, müssen die Auftraggeberwünsche in IT-gemäße Anforderungen übersetzt werden. Die Entwicklung verlässlicher und eindeutiger Grundlagen eines Projektauftrags erfordert ein systematisches Anforderungs-Management. Nur so lassen sich Fehler und Redundanzen frühzeitig identifizieren.

Wie können nun aber die Auftraggeberwünsche zerlegt und in für die IT brauchbare Anforderungen umgewandelt werden? Eine geklärte Begriffswelt ist Voraussetzung für den fehlerfreien Transfer in die Welt der Entwickler und ihrer Programmiersprachen. Als erster Schritt steht demnach die sprachliche Revision der fachlichen Wünsche an: Hierzu werden die verwendeten Begriffe geklärt und - nach kontextbezogener Abstimmung - in einem Glossar gesammelt. Die weitere Entwicklung von "Wünschen" zu konkreten Anforderungen erfolgt anhand so genannter Business-Patterns: So gibt es Erfahrungen in der IT-Entwicklung zufolge - unabhängig vom jeweiligen System - gewisse Grundmuster, die bestimmte Aussagen im Anforderungskatalog erwarten lassen. Mit diesen Mustern lässt sich eine Vielzahl von Informationen ermitteln.

Als ein weiteres Verfeinerungsinstrument dienen die Anforderungstypen, bei denen es sich - anders als bei den Business-Patterns, die variable Muster sind - um feste Termini handelt. Hierzu zählen Anforderungen, die unbedingt erforderlich sind, etwa um ein IT-System zu beschreiben. Die Verwendung von Anforderungstypen erzwingt dezidierte Aussagen von den Fachabteilungen. So lässt sich verhindern, dass unliebsame oder konfliktträchtige Themen auf die lange Bank geschoben werden und das Projekt später schwerwiegend beeinträchtigen.

Schwachstelle Inkonsistenz

Meist sind es Konsistenzprobleme, die IT-Projekte scheitern lassen. So führen sie laut Experten in nahezu 95 Prozent der Fälle zu drastischen Budget- und Zeitüberschreitungen. Werden die Anforderungen nur unvollständig ermittelt und festgelegt, entstehen nicht nur teure Nachbeauftragungen in der laufenden Projektentwicklung, vielmehr kann daran das gesamte Vorhaben scheitern. Widersprüche, die im Anforderungskatalog oder in den Anforderungen selbst nicht identifiziert werden, stellen ein ähnliches Risiko dar. Die Hauptaufgabe eines Anforderungs-Managers besteht demnach darin, Inkonsistenzen mit Hilfe analytischer Verfahren aufzudecken und mittels systematisierter Abstimmung zu beseitigen.

Komplexität muss sichtbar bleiben

Meist erscheinen die Wünsche der Mitarbeiter ganz einfach. Deren technische Umsetzung erfordert jedoch nicht selten hochkomplexe IT-Strukturen. Werden die Wünsche in ihre inhaltlichen Bestandteile zerlegt, scheint sich die gegebene Komplexität aufzulösen. Allerdings besteht dabei die Gefahr, dass sie dann in ihrer Gesamtheit nicht mehr zu erkennen ist. Für den Anforderungs-Manager heißt es demnach, diese Komplexität wieder sichtbar zu machen: Hierzu ist in einem weiteren analytischen Schritt das zwischen den Einzelanforderungen bestehende Beziehungsgeflecht zu prüfen und darzustellen. Dabei bilden die detaillierten Teilanforderungen samt ihren Abhängigkeiten ein Netz, das die Gesamtkomplexität des Vorhabens abbildet.

Anforderungen sollen vollständig, frei von Widersprüchen oder Redundanzen und eindeutig definiert sein. Ziel des Analyseprozesses ist es, die Requirements auf die vorgegebene Qualitätsebene zu heben und so weit wie möglich zu quantifizieren. Auch die Abnahmekriterien lassen sich anhand frühzeitig festgelegter "harter" Zahlen leichter anwenden.

Ein erfolgreiches Anforderungs-Management erfordert allerdings die Unterstützung durch ein geeignetes IT-System. Neben Dokumentation und Änderungsverfolgung sollte die Lösung vor allem die notwendigen analytischen Aspekte berücksichtigen. Sie muss die Methodik und den Prozess des Anforderungs-Managements unterstützen - kann diese aber nicht ersetzen. Vielmehr soll das System den Anforderungs-Manager in die Lage versetzen, die Vielzahl der Anforderungen - 5000 bis 8000 in einem durchschnittlichen IT-Projekt - zu strukturieren, indem er fachliche Cluster bildet. Ferner müssen die Projektergebnisse zu erfassen sein, so dass sich die im Zuge der Projektentwicklung herausgegebenen, geprüften Dokumente den jeweiligen Anforderungen zuordnen lassen. Ein weiteres Muss sind Auswertungsmöglichkeiten für eine regelmäßige und standardisierte Berichterstattung, um Risiken unmittelbar aufzeigen und aussagekräftige Zwischenergebnisse liefern zu können.

Benefits und Quick Wins

Über das Anforderungs-Management sind auch Quick Wins zu realisieren. Dazu zählt die Dokumentation der anfangs geäußerten Wünsche als Basis für ein erfolgreiches Projekt sowie die Möglichkeit, die Anforderungsentwicklung von ihrer Entstehung bis hin zur Realisierung zu verfolgen. Vor allem aber lässt sich der Projektverlauf transparenter gestalten, was bei der Steuerung des Projekts mehr Entscheidungssicherheit gibt. (kf)

*Dr. Janko Jochimsen ist Berater bei der M2 Consulting GmbH in Berlin.