Berufsbild im Wandel

Was CIOs heute können müssen

13.05.2013
Von 
Dietmar Müller ist freier Journalist in München.

Der neue Arbeitsalltag

Werner Scherer, Döhler: "Das Umschalten aus der Techie-Rolle zum Business-Partner geschieht zu langsam."
Werner Scherer, Döhler: "Das Umschalten aus der Techie-Rolle zum Business-Partner geschieht zu langsam."
Foto: Döhler

Die technischen Veränderungen schlagen sich auch im Arbeitsalltag und der Organisation nieder. Wer die mobile Anbindung von externen Geräten an das Firmennetz bewerkstelligt hat, wird von Stund an anders arbeiten. "Man erinnere sich", gibt Scherer zu bedenken, "vor 20 Jahren war man froh, ein funktionierendes Handy zu haben mit einer einigermaßen guten Netzabdeckung." Dies sei heute selbstverständlich - und beeinflusse direkt die Arbeit des IT-Leiters. Die mobile Erreichbarkeit habe zudem die Grenzen zum Privatleben eingerissen.

Überhaupt: die Kommunikation. An ihr machen sich wesentliche Veränderungen in der IT-Abteilung fest. Grimm erinnert sich, dass zu Host-Zeiten die IT-Mitarbeiter die "Kellerkinder" des Unternehmens waren. Sie gaben mysteriöse Dinge auf textbasierenden Terminals ein und saßen abseits des Geschehens, also weit weg von den Fachbereichskollegen. Mittlerweile habe nun so ziemlich jeder Beschäftigte einen PC zu Hause und meine, mitreden zu können.

Markus Grimm, Gema: "Blog, Twitter, Facebook lösen in ein paar Jahren die E-Mail ab."
Markus Grimm, Gema: "Blog, Twitter, Facebook lösen in ein paar Jahren die E-Mail ab."
Foto: Gema

Auch sei alles schneller geworden. Das Internet habe ab Ende der 1990er Jahre zu einer beträchtlichen Beschleunigung beigetragen - "und plötzlich musste alles im Browser erledigt werden", so Grimm. Amüsiert berichtet er, dass in der IT zunächst "dumme Terminals" mit einem Zentral-Host verbunden waren, dann habe die Client-Server-Architektur diese alt aussehen lassen, woraufhin "Thin Clients mit dicken Citrix-Farmen und vielen ,Hosties`" in das Unternehmen Einzug gehalten hätten.

Strategie statt Technik

Interim-CIO Thomas Rössler fasst seine Erkenntnisse über die Veränderungen für den IT-Chef und über dessen künftige Aufgaben in vier Punkten zusammen:

1. Die Weiterentwicklung sozialer Netze, aber auch mobile Trends von Endgeräten über ByoD bis hin zu App Stores verändern die Kundenmärkte. Tempo und Komplexität steigen von Tag zu Tag.

2. Um in ihren Märkten bestehen zu können, müssen sich Unternehmen möglichst schnell und flexibel an ihre Umwelt anpassen können. Es herrscht Wirtschaftsdarwinismus - survival of the fittest.

3. Eine IT-Abteilung muss heute ein agiler und hochflexibler "Lösungs-Provider" für die Anforderungen aus dem Kerngeschäft sein. Technisches Know-how tritt in den Hintergrund, es kommt auf Management und Strategie an.

4. Die IT-Strategie ist Chefsache und muss direkt in oder als Stabsfunktion bei der Geschäftsführung angesiedelt sein.

Weg mit der Fertigungstiefe

Aber nicht nur der Siegeszug von mobilen Telefonen und Smartphones hat die Kommunikation verändert. "In zwischenmenschlicher Hinsicht hat sich durch die Einführung des Internets und der E-Mail sowie von Social Media viel geändert, es wird weniger telefoniert oder direkt gesprochen, die Mail löste das Gespräch ab - durchaus mit kommunikativen Herausforderungen", gibt Grimm zu bedenken. Nach wie vor sei es ein Problem, Emotionen im elektronischen Schriftverkehr richtig "rüberzubringen". Grimm geht davon aus, dass die Kommunikation via Blogs, Twitter und Facebook die E-Mail in einigen Jahren auch innerhalb der Unternehmen ablöst. Auch Andreas Reuter befindet, dass "die Zeit schneller geworden ist - zudem die Ansprüche höher und die User unerfahrener: "Wir haben es heute eher mit Digital Lemmings zu tun, die dem Mainstream nachlaufen und keine Ahnung mehr haben, warum es wichtig sein könnte, sich nach außen zu schützen und nicht alles und jeden an seine Daten zu lassen."

Junge Leute aus der Generation Y setzten beispielsweise voraus, dass der Helpdesk sich in vier verschiedenen mobilen Betriebssystemen auszukennen habe, wobei sie selbst kaum Wissen an den Tag legten, "sonst würden sie ja nicht anrufen". Reuter beklagt, dass der Respekt für die Leistung der IT-Abteilung abgenommen habe, "weil jeder, der zwei Tasten auf dem iPhone beherrscht, glaubt, sich mit IT auszukennen".

Karl-Heinz Lager, Suwelack: "Mit Themen wie Bring your own Device können wir die IT für die junge Generation attraktiv gestalten."
Karl-Heinz Lager, Suwelack: "Mit Themen wie Bring your own Device können wir die IT für die junge Generation attraktiv gestalten."
Foto: Suwelack

Karl-Heinz Lager dagegen sieht Bring your own Device (ByoD) als zentrales Mittel an, um das Unternehmen für ebendiese Generation Y anziehend zu gestalten. "Wir beschäftigen uns intensiv mit der Frage, wie wir die IT für die nächste Generation attraktiv machen - trotz Regelungen und Vorgaben. ByoD ist dabei nur ein Thema."

Ein weiteres sei die Cloud, in der Thomas Rössler eine "riesige Chance" sieht. Sie schaffe Freiräume für die neuen, "wirklich wichtigen" Aufgaben - erfordere aber ein grundlegendes Umdenken bei den IT-Führungskräften und auch bei den Mitarbeitern, deren Aufgaben er vor einem grundlegenden Wandel sieht. "CIOs müssen zunächst die ,Industrialisierung` der IT vorantreiben, um Ressourcen für die neuen Aufgaben frei zu bekommen. Hier ist die enorme Reduzierung der Fertigungstiefe in der Automobilindustrie ein gutes Beispiel, dem die IT folgen sollte. Genauso wie ein Automobilzulieferer ,Standardkomponenten der Kfz-Elektrik` dem Automobilbauer zuliefert, muss zukünftig ein Cloud-Anbieter ,Standard-Basis-IT-Services` liefern."

Was CIOs heute tun sollten

Grundsätzlich gilt, so Karl-Heinz Lager, dass ein moderner CIO das Kerngeschäft des Unternehmens verstehen muss, um Lösungen anzubieten - vor 20 Jahren musste er Datenverarbeitung beherrschen, aber nicht unbedingt zum Geschäftserfolg beitragen. Heute stehe der CIO in direkter Konkurrenz zu den Leitern der Produktion oder des Vertriebs - ein IT-Verantwortlicher müsse sich diesen Veränderungen anpassen, sonst sei er für das Unternehmen kein "Gewinn".

Bernd Hilgenberg, CIO Consulting Team: "Der CIO wird aufgrund seines technologischen Know-hows nach dem CEO die wichtigste Person im Unternehmen."
Bernd Hilgenberg, CIO Consulting Team: "Der CIO wird aufgrund seines technologischen Know-hows nach dem CEO die wichtigste Person im Unternehmen."
Foto: CIO Consulting Team

Für das Ausfüllen der neuen Rolle sollte er aber auch belohnt werden. Hilgenberg etwa fordert, den CIO stark im Topmanagement zu verankern. Sein technischer Hintergrund sorge dafür, dass das Unternehmen dauerhaft wettbewerbsfähig bleibt. Der ehemalige CIO bei Fressnapf und heutige Berater sieht den CIO in Zukunft als wichtigsten Manager im Unternehmen nach dem CEO.

Die Erfassung neuester technischer und sozialer Trends und deren Überprüfung auf neue Marktchancen werde für den CIO zukünftig zu einer der wichtigsten Aufgaben, meint Rössler. Fachabteilungen seien aufgrund mangelnden technischen Know-hows überfordert. Der CIO sei daher in erster Linie als "Trendscout" gefordert. (hk)

*Dietmar Müller ist freier Journalist in München.