Was bringt die neue PMBOK-Version?

31.08.2009
Von Christophe Campana, Stefan Bölke und


Eric Schott ist Mitgründer und Geschäftsführer bei Campana & Schott. Er besitzt über 20 Jahre Erfahrung in der Projektmanagement-Beratung. Seine Schwerpunkte umfassen strategisches Projekt- und Portfoliomanagement sowie neue Formen der Zusammenarbeit mit besonderem Fokus auf Social Collaboration. Schott will aufzeigen, welche Anforderungen Unternehmen hinsichtlich der neuen Formen der Zusammenarbeit erfüllen müssen und wie dies zu realisieren ist, um die digitalen Transformation zu meistern.
Neben dem britischen Projekt-Management-StandardPrince2 wurde auch der PMBOK Guide des PMI überarbeitet.

Das Project Management Institute (PMI) hat im Dezember 2008 die neuen Versionen seiner Standards für das Projekt-, Programm- und Portfolio-Management herausgegeben. Die wohl größte Bedeutung kommt dabei der vierten Version von "A Guide to the Project Management Body of Knowledge" zu, auch "PMBOK Guide" genannt. Dieses international weit verbreitete Referenzwerk beschreibt bewährte Normen, Methoden und Herangehensweisen für das Management von Projekten. Die Veröffentlichung der deutschen Übersetzung wird in Kürze erwartet. Bereits seit dem 30. Juni ist die auf dem PMBOK Guide basierende Zertifizierungsprüfung zum "Project Management Professional" (PMP) auf die neue Ausgabe des Standards umgestellt.

Aber nicht nur die Aktualisierung des PMBOK Guide ist dafür verantwortlich, dass das Thema Projekt-Management (PM)-Standards für viele Unternehmen aktuell ist. Im Juni dieses Jahres erschien mit Prince2 2009 auch die neue Version des PM-Standards aus Großbritannien, nachdem im Januar schon die deutschen Projekt-Management-Normen DIN 69900 und 69901 neu aufgelegt wurden.

Doch der PMBOK Guide hat sich seit der ersten Veröffentlichung im Jahr 1987 als weltweit führende Orientierungshilfe für Projekt-Manager etabliert. Diesem Referenzwerk zufolge basieren Projekte auf dem kontrollierten Zusammenspiel unterschiedlicher Projekt-Management-Prozesse. Der Guide enthält für jeden Prozess Beschreibungen der Inputs, Outputs (Ergebnistypen) sowie geeigneter Werkzeuge und Methoden.

An Struktur gewinnt die Darstellung durch die Aufteilung der Prozesse auf fünf PM-Prozessgruppen (Initiierung, Planung, Ausführung, Überwachung und Steuerung sowie Abschluss) sowie neun Wissensgebiete. Dabei sind Prozessgruppen nicht mit Projektphasen zu verwechseln. In einem Großprojekt, das aus mehreren Phasen besteht, durchlaufen beispielsweise zumeist alle Phasen die fünf Prozessgruppen.

Die aktuelle Ausgabe des PMBOK Guide ersetzt die Ausgabe aus dem Jahr 2004. Die Überarbeitung verfolgte vier Ziele:

1) Konsistenz der Begriffe und Konzepte

Vor allem die drei einleitenden Kapitel des PMBOK Guide wurden deutlich überarbeitet und nahezu komplett neu geschrieben. Das führte zu einer klaren Abgrenzung der Begriffe "Projekt", "Programm" und "Portfolio" sowie zu einer Identifikation der Schnittstellen zu den weiteren PMI-Standards. Hinzu kamen neue, prägnante und konsequent angewendete Prozessbeschreibungen. Datenflussdiagramme dienen nun zur Verdeutlichung der Zusammenhänge zwischen den Prozessen sowie den jeweiligen Inputs und Outputs.

Darüber hinaus wurden verschiedene Begriffe zum Umgang mit Änderungen und Fehlerbehebungen unter dem Begriff "Änderungsanträge" (Change Requests) zusammengefasst.

Zudem differenziert PMBOK nun klar zwischen "Projekt-Management-Plan" und "Projektdokumenten": Während der Projekt-Management-Plan beschreibt, wie ein Projekt gemanagt werden soll, unterstützen die Projektdokumente die tägliche Arbeit des Projekt-Managers.

2) Klarer und einheitlicher Schreibstil

Eine der auffälligsten Überarbeitungen des PMBOK Guide ist die Vereinheitlichung der Prozessnamen im aktiven Substantiv-Verb-Format. Die neue Nomenklatur wird auch in der deutschen Version für bessere Lesbarkeit und Übersicht sorgen.

3)Identifikation von Prozessänderungen

Durch Hinzufügen, Entfernen sowie Zusammenfassen hat sich die Gesamtzahl der in PMBOK beschriebenen PM-Prozesse geringfügig reduziert.

Hinzugefügt wurden folgende Prozesse:

  • 5.1 Anforderungen erfassen: Dieser neue Prozess reflektiert die gestiegene Bedeutung des Anforderungs-Managements in der Praxis. Alle Anforderungen der Stakeholder werden in drei neuen Projektdokumenten festgehalten – der Anforderungsdokumentation, dem Anforderungs-Management-Plan und der Nachverfolgungsmatrix.

  • 10.1 Stakeholder identifizieren: Auch in Sachen Stakeholder-Management greift der PMBOK Guide praxisrelevante Themen auf. So berücksichtigt er die Erstellung eines Stakeholder-Registers sowie die Planung des Managements von Stakeholder-Erwartungen.

Andere Prozesse wurden entfernt:

  • Entwickeln der vorläufigen Beschreibung des Projektinhalts und -umfangs: Die vorläufigen Projektziele werden nun typischerweise im Projektauftrag (4.1) beschrieben und im Project Scope Statement (5.2) detailliert.

  • Die Tätigkeiten aus 5.1: Planung des Inhalts und Umfangs erfolgen nun im Rahmen des Prozesses 4.2: Projekt-Management-Plan aufstellen.

Last, but not least gibt es Änderungen, die in keine der beiden Kategorien passen:

  • Die Bereiche "Einkäufe" und "Vertragswesen" im Wissensgebiet "Beschaffungs-Management" wurden zusammengefasst.

  • Zwei Prozesse wurden von der Prozessgruppe "Überwachung und Steuerung" in die Gruppe "Ausführung" verschoben – 9.4: Projektteam managen und 10.4: Stakeholder-Erwartungen managen.

Berücksichtigung aktueller PM-Ansätze

Ein PM-Standard ist nur dann State-of-the-Art, wenn er laufend aktualisiert wird und dabei bewährte Ansätze aus der Praxis aufnimmt. In der vierten Ausgabe des PMBOK Guide ist das geschehen:

  • Das "magische Dreieck" (Inhalt/ Umfang, Kosten und Termine) wurde um die konkurrierenden Projekteinschränkungen Qualität, Ressourcen und Risiken erweitert. Mit Blick auf die Praxis ist das angebracht.

  • Eingang fanden auch iterative Vorgehensweisen in Projekten. Damit tragen die Autoren der wachsenden Verbreitung agiler Methoden Rechnung.

  • In den Prozessen des Wissensgebiets Personal-Management wurden zudem Führungsstil und Sozialkompetenzen des Projekt-Managers berücksichtigt. Damit widmet sich die Methodensammlung zum ersten Mal den erforderlichen Soft Skills zur Leitung und Förderung von Projektteams. Angesichts der hohen Praxisrelevanz ist die Sozialkompetenz im Anhang des PMBOK Guide aber unterrepräsentiert.

Wie passt PMBOK zu Prince2?

Den Anspruch auf universelle Einsetzbarkeit erheben auch andere PM-Standards, beispielsweise Prince2 ("Projects in Controlled Environments"). Diese vom britischen Office of Government Commerce (OGC) herausgegebene Best-Practice-Sammlung etabliert sich als der zweite große PM-Standard neben dem PMBOK Guide.

Bei Prince2 handelt es sich um eine Methode, die stringent Inhalte und Tätigkeiten zum Managen und Lenken eines Projekts vorgibt. Den Projekt-Managern werden dabei konkrete Handlungsanweisungen, Checklisten und Vorlagen an die Hand gegeben. Zentrale Themen wie "Business Case", "Qualität" oder "Änderungen" sowie Prinzipien, zum Beispiel "Steuern über Phasen" oder "Managen nach dem Ausnahmeprinzip", legen den Ordnungsrahmen von Prince2 fest. Die produktbasierte Planung als zentrale Methode unterstreicht die stärkere Produktfokussierung.

Was PMBOK kann – und was nicht

Der PMBOK Guide hingegen punktet mit einer umfangreichen Sammlung an bewährten Best Practices. Sie bilden die Grundlage für eine an die Organisationsspezifika angepasste PM-Methodik.

Allerdings ist der PMBOK Guide nicht als fertige "One-size-fits all-Lösung" zu verstehen, die direkt angewendet werden kann. Man muss ihn individuell anpassen, so dass eine organisationseigene PM-Methodik mit geeigneten Methoden, Werkzeugen und Spielregeln entsteht.

Der PMBOK Guide ist nach neun Wissensgebieten strukturiert. Jedes Kapitel (mit Ausnahme der einleitenden Kapitel) beschreibt die PM-Prozesse eines Wissensgebietes hinsichtlich Inputs, Outputs sowie Werkzeugen und Methoden. Diese Struktur weicht von der tatsächlichen Abarbeitungsreihenfolge (von der Initiierung bis zum Abschluss) ab. Damit erschwert sie das Verständnis des Standards für Einsteiger.

Keine Einstiegslektüre

Also ist der PMBOK Guide eher ein Referenzwerk für das Projekt-Management, vergleichbar einem Lehrbuch, das der Arzt ab und an zur Hand nimmt, um beispielsweise nachzuschauen, welche Spezialfälle für ein bestimmtes Leiden bekannt sind. Ein Mediziner, der für eine anstehende Operation eine schrittweise Anleitung braucht, ist hoffentlich eine Seltenheit.

Das Lesen und das Verstehen des PMBOK Guide kann die praktische Erfahrung eines Projekt-Managers ergänzen, jedoch nicht ersetzen. In vielen Projekten entstehen spezifische Herausforderungen, die von einem allgemeinen PM-Standard nicht in der notwendigen Detailtiefe abgedeckt sind.

Organisatorischer Wandel

Die Einführung eines PM-Standards verfolgt das Ziel, aus den anonymen Regelwerken internationaler Fachverbände eine personalisierte PM-Methodik für die eigene Organisation abzuleiten. Die daraus resultierenden Prozesse und Verfahren sollen dann schrittweise in der Projektarbeit institutionalisiert werden.

Das klappt nicht von heute auf morgen. Die flächendeckende Einführung von PM-Standards setzt auch einen organisatorischen Wandel voraus. Er will begleitet und gesteuert werden – sowohl auf der Entscheidungs- als auch auf der Ausführungsebene. Dem Management fällt dabei die Aufgabe zu, die Notwendigkeit und den Nutzen der Veränderung transparent zu machen. Es empfiehlt sich ein phasenorientiertes Vorgehen. Die "Checkliste zur Implementierung von PM-Standards" soll dabei helfen. (qua)

Vergleich zwischen PMBOK Guide und Prince2

Bereich

PMBOK Guide 4. Ausgabe

Prince2 2009

Prozesse

5 Prozessgruppen mit 42 Prozessen

7 Prozesse mit 40 Aktivitäten

Wissensgebiete / Themen

9 Wissensgebiete: • Integrations-Management; • Inhalts- und Umfangs-Management; • Termin-Management; • Kosten-Management; • Qualitäts- Management; • Personal- Management; • Kommunikations- Management; • Risiko- Management; • Beschaffungs-Management.

7 Themen: • Business Case; • Organisation; • Qualität; • Pläne; • Risiken; • Änderungen; • Fortschritt. (Keine beziehungsweise eingeschränkte Abdeckung des Beschaffungs- und Personal-Managements)

Anwendung des Prozessmodells

Berücksichtigung und Anpassung der einzelnen Kernprozesse, die für ein konkretes Projekt relevant sind

Berücksichtigung und Anpassung aller Prozesse / Aktivitäten hinsichtlich eines konkreten Projekts

Werkzeuge / Methoden

Hohe Anzahl unterschiedlicher Werkzeuge / Methoden zur Unterstützung jedes Prozesses; Implizite Aufforderung zur Nutzung bestimmter Methoden.

Begrenzte Anzahl von Werkzeugen / Methoden; Explizite Aufforderung zur Nutzung bestimmter Methoden.

Fokus der Projektsteuerung

Fortlaufende Ausrichtung an den Kundenanforderungen; Geringer Produktfokus; Konzentration auf das Projekt-Management.

Fortlaufende Ausrichtung am Business Case (Überprüfung nach jeder Phase); Ausgeprägter Produktfokus; Konzentration auf die Schnittstelle zwischen dem Projekt-Management und der Erstellung von Produkten.

Verantwortung des Projekt-Managers

Der Projekt-Manager trägt stärkere Verantwortung für die erfolgreiche Projektabwicklung (gemeinsam mit dem Auftraggeber).

Der Projekt-Manager trägt Verantwortung für die operative Projektsteuerung während der einzelnen Phasen. Der Auftraggeber trägt die Verantwortung für den Projekterfolg sowie für die strategische Projektlenkung.

Checkliste zur Implementierung von PM-Standards

Analyse der bestehenden PM-Prozesse und Vorgehensweisen:

  • Bestimmung der PM-Leistungsfähigkeit im Hinblick auf existierende Prozesse und Methoden (mittels Fragebogen oder Interviews);

  • Bewertung von Nutzen- und Verbesserungspotenzialen;

  • Ableitung des PM-Soll-Zustands sowie konkreter Optimierungsmaßnahmen.

Auswahl eines PM-Standards:

  • Bewertung gängiger PM-Standards hinsichtlich unternehmensspezifischer Rahmenbedingungen / Anforderungen;

  • Auswahl eines PM-Standards als Grundlage der weiteren Optimierung.

Entwicklung einer PM-Methodik:

  • Definition, Anpassung und Abstimmung von Rollen, Prozessen, Methoden und Tools sowie Vorlagen auf Basis des gewählten PM-Standards und existierender Prozesse / Methoden;

  • Dokumentation der Ergebnisse in einem PM-Handbuch.

Implementierung des Standards/der Methodik:

  • Einführung der PM-Methodik unter Begleitung von Change-Management-Maßnahmen;

  • Schulungen, sprich: Qualifizierung der Mitarbeiter sowie – optional – Zertifizierung der Projektmitarbeiter nach dem gewählten PM-Standard;

  • Coaching: Operative Unterstützung der Projekt-Manager;

  • Nutzung der Pilotanwender als Multi-plikatoren zum schnellen Übertrag der PM-Methodik in die Organisation.

Verankerung der Prozesse/Methoden:

  • Reviews zur Optimierung und Feinjustierung der PM-Methodik;

  • Schnelle Umsetzung von Feedback nach der Implementierung – zur besseren Leistungsfähigkeit und Benutzerakzeptanz;

  • Optional: Einführung von IT-Systemen für das Projekt-Management;

  • Ebenfalls optional: Projekt-Audits.