Was 64 Bit im Windows Server bringt

07.07.2005
Von 
Eric Tierling, Master in Information Systems Security Management (Professional), blickt auf über 25 Jahre Erfahrung im IT-Bereich zurück. Neben Hunderten an Fachbeiträgen hat er über 50 Bücher veröffentlicht. Er ist Spezialist für Themen rund um die Informationssicherheit sowie einer der bekanntesten Experten Deutschland für Windows Server und Microsoft-basierte Infrastrukturen.
Microsofts "Windows Server 2003 x64" soll das wahre Potenzial der 64-Bit-CPUs von AMD und Intel ausschöpfen. Die COMPUTERWOCHE zeigt, wann sich der Einsatz lohnt und welche Fallstricke es gibt.

Suse und einige andere Betriebssystem-Anbieter haben es vorgemacht, Microsoft hat jetzt nachgezogen: Seit kurzem gibt es auch aus Redmond ein 64-Bit-Windows, das im Zusammenspiel mit AMD-CPUs der Athlon-64- und Opteron-Familie in den 64-Bit-Gang hochschaltet. Da Intel die entsprechende AMD-64-Technik der konkurrierenden Chipschmiede inzwischen in Lizenz genommen hat und als "EM64T" seinen eigenen Prozessoren der jüngeren Pentium 4/D-, Celeron-D- und Xeon-Baureihen implantiert, läuft das neue 64-Bit-Windows auch auf einigen CPUs des Marktführers. Allerdings macht es Intel seinen Kunden ungleich schwerer als AMD: Ob ein Intel-Prozessor die mit EM64T bezeichnete 64-Bit-Erweiterung tatsächlich beherrscht, lässt sich mitunter auch nach sorgfältigem Studium der Hersteller-Website kaum herausfinden.

Klare Kennzeichnung

AMD-Konsumenten wissen hingegen, dass in allen Athlon-64- und Opteron-CPUs die AMD-64-Technik steckt. Immerhin hat Microsoft als Betriebssystem-Lieferant einen einheitlichen Begriff für die mit AMD 64 beziehungsweise EM64T erweiterten Prozessoren kreiert und spricht durchgängig von "x64".

Das neue x64-Windows gibt es sowohl für Client- als auch für Server-PCs: Neben der Arbeitsplatzvariante Windows XP Professional x64 Edition stehen mit Windows Server 2003 x64 Editions speziell auf Server zugeschnittene Fassungen zur Verfügung. Anwender können zwischen der Standard-, Enterprise- und Datacenter-Version wählen - von der Web-Edition existiert jedoch keine x64-Version.

Die erste auffällige Neuerung von Windows Server 2003 x64 liegt in der Möglichkeit, riesige Arbeitsspeicherkapazitäten zu nutzen. Bereits die Standard-Edition der 64-Bit-Variante kommt mit bis zu 32 GB RAM zurecht, während das 32-Bit-Pendant schon bei 4 GB an seine Grenzen stößt. Noch deutlicher werden die Unterschiede mit den Enterprise- und Datacenter-Editionen von Windows Server 2003: Hören die 32-Bit-Ausführungen bei maximal 32 beziehungsweise 64 GB RAM auf, gestatten die großen Brüder den Zugriff auf bis zu 1 TB Arbeitsspeicher.

Einsatzgebiete

Ist der Server-Rechner mit einigen GB Arbeitsspeicher bestückt (siehe Kasten "Mehr Leistung mit x64?"), profitieren Anwendungen, die große Datenvolumen verarbeiten, von dem neuen Betriebssystem. Hierzu gehört zum Beispiel das Active Directory: Bei der 32-Bit-Ausführung von Windows Server muss diese Verzeichnisdatenbank ab einem Umfang von 2 GB, was für rund 10000 Objekte reicht, auf die Festplatte ausgelagert werden. Mit einem x64-basierenden Domänen-Controller dagegen ist es kein Problem, eine Active-Directory-Datenbank selbst mit etlichen GB Umfang und somit Zehntausenden von Objekten komplett im Arbeitsspeicher zu halten. Da eine Festplattenauslagerung entfällt, werden die Antwortzeiten deutlich kürzer.

Ein anderes Anwendungsfeld, auf dem sich Windows Server 2003 x64 besonders wohl fühlt, sind Terminal-Server. Hat die 32-Bit-Version von Windows Server 2003 hier mit internen Speicherlimitationen zu kämpfen, die die maximale Anzahl möglicher Terminal-Server-Benutzer begrenzen, trumpft das x64-Pendant in dieser Hinsicht richtig auf. Nach Microsoft-Angaben kann ein x64-gestützter Terminal-Server bis zu 65 Prozent mehr Benutzer mit Office-typischen Anwendungen bedienen als die 32-Bit-Version - auf ein und derselben Hardware.

Ähnliche Effekte können sich bei Datenbank-, CRM-, ERP- und SCM- sowie Web-Lösungen einstellen, entsprechender Arbeitsspeicher im Server-Rechner vorausgesetzt. Microsoft zufolge unterstützt zum Beispiel eine SAP-Installation auf Basis von 64-Bit-Windows bis zu 20 Prozent mehr Benutzer. Außerdem habe die unternehmensinterne x64-Umstellung des Server-Parts für den MSN-Messenger-Client gezeigt, dass ein einzelner Server nun mit mehr als doppelt so vielen Benutzern umgehen kann.

Gut für Konsolidierung

Mit seinem Performance-Plus eignet sich Windows Server 2003 x64 daher vor allem zur Konsolidierung. Neben Domänen-Controllern, Terminal- und Applikations-Servern ist dies auch für den Komplettumzug älterer Systeme als virtuelle Maschinen interessant, denen Windows Server 2003 x64 dann als physikalische Heimat dient. Kombiniert mit Microsofts "Virtual Server 2005", der mit dem aktuell im Betatest befindlichen Service Pack 1 x64-fähig wird, dürfte ein einzelner physikalischer Rechner deutlich mehr virtuell transformierte Server unterstützen können, als es mit einem 32-Bit-Fundament möglich ist.

Praxiseindrücke

Im Test musste Windows Server 2003 x64 (Enterprise Edition) sein Können unter Beweis stellen. Besonderes Augenmerk wurde dabei auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede zur 32-Bit-Version sowie auf Kompatibilitätsprobleme gelegt. Die Installation des Probanden erfolgte direkt von der CD-ROM im bekannten Gewand der 32-Bit-Version. Allerdings setzt der 64-Bit-Server eine Neuinstallation voraus - eine Option zur Aktualisierung einer auf dem Rechner bereits installierten 32-Bit-Ausführung fehlt.

Leider hat Microsoft das Betriebssystem bisher nicht vollständig lokalisiert. Neben der im Test verwendeten englischen Fassung ist Windows Server 2003 x64 derzeit nur in Japanisch erhältlich. Als Trostpflaster gibt es ein deutsches Multilingual User Interface (MUI) in Form eines Sprachpakets, nach dessen Installation sich die Menüs und Hilfedateien wahlweise in Englisch oder Deutsch präsentieren. Leider nimmt sich der MUI-Zusatz nur der sichtbaren Oberfläche an. Betriebssystem-Interna hingegen wie die Namen von Gruppen oder Ordnerpfade bleiben auch nach der Einspielung des deutschen MUI-Pakets in Englisch. Da diese Objekte jedoch anhand von Variablen oder über ID-Nummern referenziert werden, steht gemischten Installationen nichts im Weg.

Vertraute Arbeitsumgebung

Abgesehen von den Lokalisierungsaspekten sind beim x64-Release äußerlich praktisch keine Unterschiede zum 32-Bit-Pendant festzustellen. Nach der Anmeldung ist auf den ersten Blick nicht zu erkennen, dass unter der Haube die x64- anstatt der 32-Bit-Version arbeitet. Ob Desktop, Systemsteuerung oder Verwaltungs-Tools: Alles befindet sich am gewohnten Platz.

Auch im Funktionsumfang entsprechen die x64-Editionen weitgehend ihren 32-Bit-Geschwistern. Wer also einen Server-Cluster aufbauen will, muss nach wie vor zur Enterprise-Ausführung greifen. Zudem hat Microsoft in die x64-Editionen das Service Pack 1 für Windows Server 2003 integriert. Datenausführungsverhinderung, Sicherheits-Konfigurationsassistent, Windows-Firewall & Co. sind also serienmäßig mit an Bord.

Angenehm macht sich die nahtlose Interoperabilität bemerkbar. Zum Beispiel lassen sich x64- und 32-Bit-basierende Windows-Server-Systeme gemeinsam als Domänen-Controller in einem Active Directory oder Knoten in einem Server-Cluster betreiben. Auch bei der Verwaltung herrscht Interoperabilität. Administratoren, die Windows Server 2003 als 32-Bit-Variante bereits kennen, finden sich daher auf Anhieb zurecht und können sofort arbeiten.

Die Treiberfrage

Das wichtigste Kriterium pro oder kontra Windows Server 2003 x64 besteht in der Treiberverfügbarkeit. Vorhandene Gerätetreiber aus der 32-Bit-Windows-Welt lassen sich nicht verwenden. Wie schon für die x64-Edition von Windows XP Professional sind spezielle Treiber erforderlich. Sind diese nicht verfügbar, muss das betroffene Gerät ausgetauscht werden. An dieser Stelle zeigt sich zudem, dass 64 Bit nicht gleich 64 Bit ist: Windows Server 2003 x64 für CPUs mit AMD-64/EM64T-Erweiterung benötigt andere Gerätetreiber als die 64-Bit-Windows-Ausführung für den komplett anders gestrickten Itanium-Prozessor von Intel.

Microsoft selbst liefert Treiber für viele Geräte. Während des Tests mit gängigen Hardwarekomponenten traten keine Probleme auf - Drucker, Festplattenadapter, Grafikkarte, Netzwerkadapter etc. funktionierten anstandslos. Darüber hinaus bieten einige Hardwareproduzenten bereits x64-Treiber für ihre Produkte als finale oder zumindest als Betaversion via Internet zum Download an.

In der Windows-Architektur sind Gerätetreiber aber nicht nur für Hardwarekomponenten vorgesehen. Genauso arbeitet zum Beispiel Antivirensoftware mit virtuellen Gerätetreibern, die sich tief im Betriebssystem verankern. Unter Windows Server 2003 x64 laufen sie nur dann, wenn die Software entsprechende x64-Treiber mitbringt. Auf diesem Gebiet sieht es momentan jedoch eher düster aus: Bis Redaktionsschluss gab es mit "Avast 4 Server Edition" (www. avast.com/eng/avast_4_server. html) der tschechischen Firma Alwil lediglich einen einzigen Hersteller, der eine für Windows Server 2003 x64 geeignete Antiviren-Server-Software vorweisen konnte. Ein Blick in die Liste lauffähiger Programme auf der Microsoft-Website offenbart, dass Branchengrößen wie McAfee in der x64-Arena noch durch Abwesenheit glänzen. Auch Symantec hat hier reichlich Nachholbedarf.

Der WOW-Effekt

Auf der Anwendungsseite sieht das Bild völlig anders aus: Microsoft hat ganze Arbeit geleistet und Windows Server 2003 x64 das WOW64-Subsystem spendiert (WOW = Windows on Windows). Dank seiner Hilfe laufen 32-Bit-Anwendungen, sofern keine Treiber mit im Spiel sind, problemlos unter dem neuen 64-Bit-Windows. Performance-Einbrüche gibt es dabei nicht: Durch die enge Verwandschaft des AMD-64/EM64T-Konzepts mit der x86-Prozessorarchitektur arbeiten 32-Bit-Anwendungen ungefähr ebenso schnell wie auf einem normalen Windows Server 2003. Office 2003 und Acrobat Reader 7.0 funktionierten auf dem x64-Testsystem einwandfrei und mit gewohnter 32-Bit-Performance.

Nur der Task-Manager liefert Aufschluss darüber, bei welchen Prozessen es sich um 32-Bit-Software handelt. WOW64 arbeitet transparent im Hintergrund. Dadurch werden 32-Bit-Anwendungen im Ordner Program Files (x86) installiert, während nur echte 64-Bit-Applikationen im Ordner Program Files landen. Ähnlich verhält es sich mit Systemdateien: 32-Bit-Anwendungen erhalten beim Zugriff auf Windows\System32 von WOW64 automatisch den Inhalt des Ordners Windows\SysWOW64 präsentiert. Zusammen mit einer internen Registry-Aufsplittung können 32-Bit- und x64-Anwendungen daher parallel auf ein und demselben Rechner laufen, ohne sich gegenseitig in die Quere zu kommen. Diesem Prinzip folgend, sind einige der zum Betriebssystem gehörenden Anwendungen gleich doppelt vorhanden. Prominentester Kandidat ist der Internet Explorer: Über das Startmenü von Windows Server 2003 x64 lässt sich der Browser wahlweise als 32-Bit-Variante aus dem Ordner Program Files (x86) oder als 64-Bit-Version von Program Files aus starten. Da der 64-Bit-fähige Internet Explorer keine 32-Bit-Active-X-Controls laden kann, besteht somit eine direkte Ausweichmöglichkeit auf die 32-Bit-Version des Web-Browsers.

Einschränkungen

Durch WOW64 sind Unternehmen also nicht gezwungen, auf die Verfügbarkeit von x64-fähiger Software zu warten, sondern können vorhandene Applikationen direkt weiterverwenden. Uneingeschränkt gilt dies allerdings nicht: So wurden im Test vereinzelt 32-Bit-Programme gefunden, die unter Windows Server 2003 x64 den Dienst verweigerten. Hierzu gehört zum Beispiel die von Microsoft stammende Gruppenrichtlinien-Verwaltungskonsole, die mit dem neuen 64-Bit-Windows noch nichts anfangen kann - immerhin weist die Download-Website auf diese Einschränkung hin. Ähnliche Inkompatibilitätseffekte wurden bei der explizit als x64-fähig beworbenen "Workstation 5" von VMware festgestellt: Der im Download-Bereich des Virtualisierungsspezialisten angebotene Virtual Machine Importer lässt sich unter Windows Server 2003 x64 nicht installieren. Tückisch hierbei ist auch, dass sich das zugehörige Handbuch zu x64 komplett ausschweigt. Derzeit erweist es sich deshalb für die Administratorenpraxis noch als sinnvoll, einen 32-Bit-Rechner in der Hinterhand zu haben.

Unternehmen, die mit Windows Server 2003 x64 liebäugeln, sind also gut beraten, sich im Vorfeld ausführliche Gedanken um die Hard- und Softwareausstattung des Server-Rechners zu machen, um in keine Treiberfalle zu tappen. Das Beispiel Symantec zeigt, wie wichtig es ist, Aussagen im Hinblick auf x64-Unterstützung zu verifizieren und die gewünschten Zusatzprodukte vorab zu testen. Mit zunehmender Verbreitung von Windows Server 2003 x64 sowie dem Arbeitsplatzpendant Windows XP Professional x64 Edition dürfte sich die Treibersituation aber rasch verbessern.

Schrittweise migrieren

Wer diese Hürde überwunden und sich applikationsseitig eingerichtet hat, den erwartet mit Windows Server 2003 x64 ein Betriebssystem, das in seinem Look and Feel der 32-Bit-Version äußerst ähnlich ist. Aufgrund der hohen Interoperabilität und zumindest auf Anwendungsseite auch Kompatibilität zur 32-Bit-Welt ist eine schrittweise Migration von Servern möglich. Wie groß der mit x64 mögliche Geschwindigkeitszuwachs gegenüber der 32-Bit-Version von Windows Server 2003 ausfällt, hängt allerdings vom individuellen Anwendungsprofil sowie dem Arbeitsspeicher ab. (ue)