Vorteile für Firmen, Mitarbeiter und Kunden

Warum Unternehmen von Diversity profitieren

12.06.2012
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Diversity als Win-Win-Situation

Ein weiterer wesentlicher Baustein des Diversity-Managements ist das Thema Gender: Während in Deutschland noch immer über Sinn und Unsinn der Frauenquote diskutiert wird, hat die Commerzbank bereits 1989 interne Ziele zur stärkeren Positionierung von Frauen auch in Führungsetagen formuliert. Anfang der 80er-Jahre waren lediglich drei Prozent der Führungspositionen mit weiblichen Mitarbeitern besetzt, seither hat sich dieser Anteil auf knapp 23 Prozent erhöht - er soll in Zukunft weiter steigen. Und auch andere Gruppen genießen bei der Bank besondere Aufmerksamkeit, etwa die schwul-lesbische Mitarbeitergruppe Arco. Durch den Respekt und die Wertschätzung, die man jedem Einzelnen gegenüber bringe - ein Grundprinzip des Diversity-Ansatzes - fühlten sich die Betroffenen im Unternehmen besser aufgehoben, erklärt Arco-Sprecher Christian Weiß. Die Kräfte, die Homosexuelle normalerweise in nervenaufreibende Versteckspiele investierten, um ihre Neigungen zu verbergen, könnten somit gänzlich in die Arbeit fließen.

Auch in anderen Bereichen gehen Diversity-Firmen gezielter auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter ein als klassisch orientierte Unternehmen: Um Privates, Familie und Arbeit besser vereinbaren zu können, bieten sie möglichst flexible Lösungen an. Work-Life-Balance lautet die Devise. Beim Thema Baby bekommt der Chef keinen Tobsuchtsanfall mehr, Eltern-Auszeiten werden nicht länger als Karrierehindernis, sondern als Selbstverständlichkeit angesehen. Firmenkindergärten und Vätergruppen tragen dazu dabei, dass sich das traditionelle Rollenbild ändert - zur Zufriedenheit der Mitarbeiter. Diese schlägt sich auch in Zahlen nieder: So beobachteten Diversity-Firmen, dass sich elternbedingte Fehlzeiten verringerten. Auch die Auszeiten nach der Baby-Pause wurden kürzer. Frisch gebackene Eltern konnten somit früher im Unternehmen integriert werden, teure Wiedereingliederungsmaßnahmen entfielen. Eine klassische Win-Win-Situation für alle Beteiligten - eben das ist das Ziel des Diversity-Ansatzes.

Vielfalt mit Rock

Dabei sind es längst nicht mehr nur Unternehmen, die das Vielfaltsprinzip für sich entdecken. Auch öffentliche Stellen haben erkannt, dass im bunten Gesellschafts-Mix, der jahrelang einzig unter negativen Aspekten diskutiert wurde, ungenutzte Chancen stecken. Hunderte Firmen und einige Kommunen wie Köln, Hamburg und Stuttgart haben daher die "Charta der Vielfalt" unterschrieben, eine Absichtserklärung zur Förderung und Wertschätzung gesellschaftlicher Unterschiede.

Stuttgart bemüht sich, mit gezielten Trainings und Fortbildungen ein konfliktfreies und kreatives Zusammenleben aller Kulturen zu ermöglichen - immerhin hat ein Drittel der Einwohner einen Migrationshintergrund. Integration und Vielfalt gilt in Stuttgart denn auch als klarer Wirtschaftsfaktor, ja sogar als Standortvorteil.

Und auch auf anderen Gebieten fördert Deutschlands Süden das Thema Vielfalt: In überregionalen Tageszeitungen wirbt Baden-Württemberg derzeit mit dem Spruch: "Es muss ein Rock durch Deutschland gehen." Ziel der Kampagne ist es, gezielt Frauen ins Land zu holen. Die Voraussetzungen dafür seien besser als anderswo: Überdurchschnittlich viele weibliche Vertreterinnen seien im Ländle nicht nur berufstätig sondern auch im Bundesvergleich am zufriedensten, lobt die Image-Anzeige.

Den Vorteil gemischter Belegschaften hat auch die Telekom erkannt. Auch sie setzt verstärkt auf das Thema Gender-Diversity. Als erster DAX-Konzern führte die Telekom im Frühjahr 2011 eine interne Frauenquote ein, 30 Prozent Frauen, so das Ziel, sollen bis zum Jahr 2015 in Führungspositionen arbeiten. Zwei Managerinnen wurden zudem in den Vorstand berufen. Die stärkere Positionierung von Frauen sei nicht nur "ein Gebot der gesellschaftlichen Fairness", resümiert Telekom-Chef Rene Obermann, sondern vor allem eine "handfeste Notwendigkeit für unseren Erfolg".

Hinter all diesen Veränderungen steckt die Erkenntnis, dass Diversity-Management Antworten geben kann: Auf eine alternde Gesellschaft, auf den grassierenden Fachkräftemangel in zahlreichen Beru-fen, auf die Anforderungen einer zunehmend diversen Gesellschaft. Das Vielfalts-Prinzip kann genutzt werden, um bislang vernachlässigte Potenziale von älteren Mitarbeitern, von Frauen, Migranten, von Menschen mit Behinderung intensiver zu nutzen. Um neue Kundenkreise zu erobern. Um Kreativität und Engagement im Unternehmen zu fördern.

Status-quo-Analyse und Training

Um das Vielfaltsprinzip dauerhaft in der unternehmerischen Kultur zu implementieren, bedarf es einer genauen Status-quo-Analyse und gezielter Trainingsmaßnahmen. Dabei müssen nicht nur die Mitarbeiter trainiert werden, sondern auch die Führungsebenen. Sie allein können dafür sorgen, dass Vielfalt und Buntheit als unternehmerische Leitidee in allen Bereichen gefördert wird. Der Aufwand lohnt sich: Denn auf Vielfalt zu verzichten, hieße, künftig auf wichtige Potenziale zu verzichten . Das aber kann sich kein Unternehmen in einem globalisierten Umfeld auf Dauer leisten. (oe)

Kontakt:

Die Autorin Marion Kraske ist freie (Buch-)Autorin und Dozentin mit langjähriger internationaler Berufserfahrung. Als interkulturelle Trainerin und Diversity Management-Beraterin unterstützt sie den Bereich "Internationale Personalentwicklung" der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal. Tel.: 07251/989034, E-Mail: buero@kraus-und-partner.de, Internet: www.kraus-und-partner.de