Warum so etepetete, Monsieur Bull?

16.11.1990

Das Mainframe-Geschäft ist seit langem nahezu zum Erliegen gekommen, im Mini- und MDT-Markt gibt es den gewohnten Stau, jetzt droht auch die PC-Konjunktur schlapp zu machen: Wie können sich die Computerfilmen gegen den befürchteten Infarkt schützen? Ratschläge zur Wiedererlangung der wirtschaftlichen Potenz nehmen dabei einen breiten Raum ein - "Abspecken um jeden Preis, notfalls durch Entlassungen", heißt die Devise. Nichts gegen Sparmaßnahmen! Nur scheinen die Krisen-Manager zu übersehen, daß Nichtstun (Einstellungsstopp etc.) die Probleme der Branche nicht wirklich löst. Francis Lorentz, Chef der schwer angeschlagenen Bull-Gruppe, hat indirekt auf diesen heiklen Punkt hingewiesen, indem er die Wachstumsprämisse für das französische DV-Vorzeige-Unternehmen als nach wie vor gültig erklärte. Solange das Grundübel nicht beseitigt sei, so Lorentz sinngemäß, könne auf Nischenpaßform zu schrumpfen keine Perspektive sein. Was hat Lorentz als Rezept anzubieten? Leider nicht viel. Seine Analyse erschöpft sich in der Zustandsbeschreibung. Die Zeiten seien nun einmal nicht mehr so, daß die Hersteller einen Rolls Royce - soll heißen: ein proprietäres Großsystem - mit dickem Gewinn verkaufen könnten, da doch die Anwender einen Golf verlangten, eine - um in der Analogie zu bleiben - sparsame und genügsame, gleichwohl sehr leistungsfähige Arbeitsstation, die aus Standard-Komponenten zusammengesetzt wird. Mit solch austauschbaren Systemen könnten die Anbieter auf keinen grünen Zweig kommen.

Was will der Bull-Boß damit andeuten? Daß die japanischen Automobil-Hersteller eigentlich längst pleite sein müßten? Dies sicher nicht. Im Automarkt herrscht eben Wettbewerb, wenn auch unter schwersten Bedingungen. Dabei bietet sich der Vergleich durchaus an. Nur wollen offensichtlich alle die Nobelmarke Rolls Royce fahren. Aus einer aktuellen Statistik der US-Zeitschrift "Business Week" erfahren wir, daß der IBM-Gewinn von rund 3,6 Milliarden Dollar in neun Monaten 1990 an die 70 Prozent der kumulierten und saldierten Ergebnisse (Gewinne/Verluste) aller amerikanischen DV-Hersteller ausmachte. Und wären nicht die PC-Anbieter Apple und Compaq so erfolgreich gewesen, es sähe finster aus für den Rest der DV-Welt. Die IBM lebt nachweislich noch (wieder!) sehr gut von ihren proprietären Systemen.

Auch umgekehrt wird ein Schuh daraus: Die schönste Unix-Umgebung nützt nichts, wenn die Anwender sie nicht annehmen. Dies ist gerade die Stelle, wo Lorentz der Schuh drückt. Der Leidensdruck ist aber offenbar noch nicht groß genug. Sonst würde der Bull-Mann Tacheles reden - daß nämlich im DV-Bereich, anders als bei den Autos, Markt wegen der Übermacht der IBM nicht funktioniert. Warum so etepetete Monsieur Lorentz?