Führung

Warum sich Zielvereinbarungen lohnen

05.06.2019
Von   IDG ExpertenNetzwerk
Andreas Skuin ist Geschäftsführer der m.partners GmbH. Er unterstützt Unternehmen bei der Entwicklung und Implementierung Innovativer Geschäftsmodelle, Transformation sowie Nachhaltigkeit. Seine Erfahrungen aus Business Development, Digitalisierung, Agile, Lean Management sowie Change-Management bieten die Basis zu integrativen Ansätzen.
Zielvereinbarungen sind ein Dauerthema in vielen Unternehmen. Passend eingesetzt führen sie zu überdurchnittlichen Leistungen.
Viele Führungskräfte haben das Potenzial von Zielvereinbarungen nicht erkannt, um Mitarbeiter zu höheren Leistungen zu motivieren.
Viele Führungskräfte haben das Potenzial von Zielvereinbarungen nicht erkannt, um Mitarbeiter zu höheren Leistungen zu motivieren.
Foto: Kostsov - shutterstock.com

Ziele mit Mitarbeitern zu vereinbaren wird von Führungskräften oft als sehr zeitintensiv, mühsam und wenig effektiv angesehen. Daher verkümmern Ziele meist dazu, Mitarbeiter zu messen und zu kontrollieren. Die eigentlichen Potenziale von Zielvereinbarungen zur Leistungssteigerung, gerade in Zeiten von Agilität, bleiben dabei vielfach liegen. Verändert man in Verbindung mit Zielen hingegen, den Blickwinkel und stellt Mitarbeiter und Teams in den Vordergrund, dann dienen Ziele als Träger zur Mitarbeiterbefähigung, um die gewünschte Leistung zu erhalten.

Mit dem Verständnis für die Effekte von Zielen auf die Mitarbeiter und deren Leistung, erhält die Bedeutsamkeit von Zielvereinbarungen eine andere Qualität. Wenn bewusst eingesetzt, sind Zielvereinbarungen ein mächtiges Führungsinstrument für das sich der Einsatz lohnt. Führungskräfte fungieren dabei als Katalysatoren, um Mitarbeiter intrinsisch zu motivieren und deren Leistung für das Unternehme zu steigern.

Ziele - Träger für Leistung

Jedem von uns ist schon aufgefallen, dass wir Ziele, die uns "am Herzen liegen", uns also sehr wichtig sind, intensiv und fokussiert verfolgen. Dabei haben wir eine klare Vorstellung davon, wie der Zustand sein soll, wenn wir das Ziel erreicht haben und bis wann wir es erreicht haben wollen.

Mit dieser Vorstellung beginnen wir zu planen welche Aktionen, Handlungen, Ressourcen etc. benötigt werden (Planungskompetenz). Treten Hindernisse und Probleme auf dem Weg zum Ziel auf, nehmen wir die Herausforderung gerne an, um den nächsten Schritt zu bewältigen. Dabei sind wir kreativ, lern- und veränderungsbereit und entwickeln Strategien, um adäquate Lösungen zu finden. Falls wir selber nicht weiterwissen, holen wir uns aktiv Unterstützung von Kollegen, Freunden oder Experten und sind dankbar für jedes Feedback. Dabei ist zu beobachten, dass wir völlig autonom agieren und niemanden benötigen, der uns dazu auffordert, die Umsetzung zu realisieren.

Mit anderen Worten, wir bekennen uns zu dem Ziel und verpflichten uns selbst für das Erreichen des Zieles - ergo, wir übernehmen Verantwortung für die Zielerreichung. Mit dem persönlichen Bekennen zu dem Ziel erweckt unser innerer Antrieb (= intrinsische Motivation) und wir entwickeln freiwilliges und hohes Engagement.

Just in diesem "intrinsisch" motivierten Agieren und Vorgehen zur Erreichung der Ziele erkennen wir viele Verhaltens- wie auch Persönlichkeitsattribute, die sich Unternehmen von Mitarbeitern für die Agilität wünschen. Mit dem Blick auf die Mitarbeiter, erwirken Ziele als Träger (siehe Abb. 1) Potenziale, wie Veränderungsbereitschaft, Hohes Engagement, Planungskompetenz, Lernbereitschaft, autonomes Agieren und Übernehmen von Verantwortung.

Abb. 1: Ziele als Träger zur Befähigung von Mitarbeitern für gute Leistungen.
Abb. 1: Ziele als Träger zur Befähigung von Mitarbeitern für gute Leistungen.
Foto: Andreas Skuin

Ziele - Wirkungszusammenhänge und Effekte

Um die Potenziale von Zielvereinbarungen als Träger nutzen zu können, ist es relevant sich damit zu beschäftigen was sich mit Zielen verbindet, welche Wirkungsmechanismen bestehen und wodurch die zuvor benannten Effekte entstehen. Mit dem Verständnis dafür, welche Aspekte dabei eine Rolle spielen und wie diese zusammenhängen, vermag die Führung ihr Handeln daran orientieren und somit die Performance wesentlich leichter steigern.

Wertvolle Unterstützung für das Verständnis dazu bietet der High-Performance-Cycle (HPC) nach G. P. Latham und E. A. Locke, welchen sie 1990 in ihrem Artikel "Work motivation: The high perforrnance cycle" basierend auf ihren Studienergebnissen zum ersten Mal beschrieben hatten. Der HPC (siehe Abb. 2) erklärt wie Ziele und Leistung zusammenhängen, welche Mediatoren und Moderatoren zum Tragen kommen sowie wie die Leistung von Mitarbeitern gesteigert werden kann. Gedacht ist der HPC wie Latham in seinem Buch "Work Motivation" (2012) erwähnt, als Rahmen, um a) die Arbeitsmotivation einer Person oder eines Teams zu prognostizieren, zu erklären und zu optimieren und b) als praktischer Leitfaden, um High Performance und eine zufriedene Belegschaft zu erreichen.

Basis für den HPC ist die mannigfach bewiesene und seit über 25 Jahren entwickelte offene Zielsetzungstheorie (https://de.wikipedia.org/wiki/Diskussion:Zielsetzungstheorie) nach Latham und Locke. Auch für Agilität ist der HPC für das Verständnis im Umgang mit Zielen somit sehr aktuell.

Mit der Zielsetzungstheorie wird der Effekt aufgezeigt, dass schwierige, spezifische Ziele zu einer höheren Leistung führen. Die Spezifizierung des Zieles dient dabei zur Fokussierung und Einschätzung der eigenen Fähigkeiten, was für die Zielauswahl relevant ist. Denn für welches Ziel sich eine Person entscheidet, hängt primär von zwei Faktoren ab - zum einen von der Selbsteinschätzung darüber, ob das Ziel für die spezifischen Aufgabe erreichbar ist (Höhe der Selbstwirksamkeit - Link https://en.wikipedia.org/wiki/Self-efficacy) und zum anderen von der Bedeutsamkeit bzw. Wichtigkeit des Zieles.

High Performance Cycle (HPC)

Mit dem HPC (siehe Abb. 2) stellen Latham und Locke dar, dass Anforderungen, ausgedrückt in spezifischen, schwierigen Zielen verbunden mit der Bedeutsamkeit bzw. Wichtigkeit, Impulse für hohe Leistung darstellen. Mit dem Entscheiden für ein Ziel entsteht der Wille das Ziel zu erreichen und es wird die Verbindung zu Performance (Leistung) geschaffen.

Die dabei fast schon automatisch entstehenden Mechanismen (Mediatoren) sind das Bekenntnis zum Ziel, die Selbstwirksamkeit, die Richtung von Handlungen, die persönliche Einsatzintensität sowie das Durchhaltevermögen. Für die verstärkende oder abschwächende Wirkung auf die Effekte, welche Ziele auf die Leistung einer Person haben, sind Moderatoren verantwortlich.

Moderiert wird der Effekt durch die persönliche Fähigkeit, die Aufgabenkomplexität, das Feedback bezüglich des Ziels sowie auftretende situative Hindernisse. Hohe Leistung für bedeutungsvolle und wachstumssteigernd wahrgenommene Aufgaben führen schließlich zu hoher intrinsischer sowie extrinsischer Belohnung, was sich mit hoher persönlicher Zufriedenheit verbindet. Mit der Zufriedenheit erhöht sich in der Konsequenz das Bekenntnis zur Organisation und die Bereitschaft die nächsten Herausforderungen anzunehmen und somit auch den erneuten Zyklus des HPC anzupacken.

Abb. 2: High Performance Cycle (HPC) in Anlehnung an Latham, Locke, & Fassina 2002; Latham & Locke 2013
Abb. 2: High Performance Cycle (HPC) in Anlehnung an Latham, Locke, & Fassina 2002; Latham & Locke 2013
Foto: Andreas Skuin

Für Führungskräfte ist dabei sicherlich bedeutsam, dass die Effekte im Kontext des HPC sowohl bei selbstgesetzten Zielen als auch für vorgegebene Ziele Gültigkeit haben, wie Latham und Locke während ihrer jahrzehntelangen Studien aufzeigen können. Werden Mitarbeiter bei der Zieldefinition eingebunden, setzen sie sich selbst höhere Ziele und erbringen höhere Leistung als Mitarbeiter denen Ziele, wenn auch mit Erklärungen, nur vorgegeben werden. Korrelieren die vorgegebenen Ziele gar mit persönlichen Zielen, so führt dies zu einer Verstärkung der Effekte. Bestenfalls übernehmen Mitarbeiter die Unternehmensziele als ihre eigenen selbstgesetzten Ziele. Werden Ziele allerdings z.B. im Sinne einer Anweisung ganz ohne Erklärungen vorgegeben, sinkt die Leistung erheblich.

Zielbekenntnis und Selbstwirksamkeit

Naturgemäß sind die Erfolgschancen bei spezifischen schwierigen Zielen geringer als bei leichten Zielen, weshalb es umso wichtiger ist es, dass die Mitarbeiter sich dem Ziel voll und ganz bekennen. Hohes Bekennen zum Ziel bewirkt das Steigern der Einsatzbereitschaft sowie das Durchhaltevermögen und somit das Steigern der Erfolgschancen - das konnten Latham und Locke auch nachweisen. Insofern ist es entscheidend, dass die Wichtigkeit der Zielerreichung von den Mitarbeitern verstanden und erkannt wird.

Transparenz darüber zu geben, wie die aktuelle Situation mit der Zielerreichung beeinflusst werden würde, sich offen zu dem Ziel als Führungskraft zu bekennen, oder die Art der Unterstützung durch die Führungskraft um das Ziel zu erreichen sind mögliche Maßnahmen um das Bekennen zum Ziel zu erleichtern. Eine hohe Relevanz für Zielbekenntnis, findet sich in der Fähigkeit der Führung Mitarbeiter für das Bekenntnis zu ermutigen. Die Stärke, mit der sich Mitarbeiter zu den Zielen bekennen, ist auch ein Spiegel für das Verhältnis zwischen Führung und Mitarbeitern.

Neben der Bedeutsamkeit für das Zielbekenntnis ist die Selbstwirksamkeit ganz wesentlich. Alleine schon durch das Übertragen eines schwierigen und für das Unternehmen bedeutsamen Ziels und dem damit verbundenen Vertrauen in die Person, kann sich der Glaube in die Selbstwirksamkeit erhöhen. Ebenso unterstützen spezifische Trainings zur Entwicklung und Steigerung der Fähigkeiten mit nachfolgenden Erfolgserlebnissen. Besteht ein gutes Vertrauensverhältnis zu der Führungskraft kann sie den Mitarbeiter zudem durch Überzeugung in seinen Fähigkeiten bestärken. Erfolgreiche Führungskräfte schaffen gar bewusst Situationen, die es Mitarbeitern ermöglicht, durch Erfolge ihre Selbstwirksamkeit zu stärken.

Feedback und intrinsische Motivation

Regelmäßiges Feedback hat für die Effektivität von Zielen und die Höhe der Leistung eine hohe Relevanz. Erst durch das Feedback erhält der Mitarbeiter Informationen über den Zielfortschritt und ist es ihm möglich abzuschätzen, ob die gewählte Orientierung oder Lösungsstrategie angepasst werden muss, um die erforderlichen Ergebnisse zu erreichen. Erfolgt das Feedback regelmäßig und konsequent, kann die Führungskraft die Selbstwirksamkeit wie auch das Zielbekenntnis bei Mitarbeitern für das betreffende und nachfolgende Ziele aktiv positiv unterstützen.

Komplexität spielt insofern eine Rolle, als dass mit der Schwierigkeit der Ziele die Anforderungen an das Finden von Lösungsstrategien steigt. Einerseits, insbesondere bei Lernzielen, werden Mitarbeiter verstärkt kreativ bei der Strategiefindung und dem Lernen, andererseits wirkt die Führungskraft leistungssteigernd durch Training und Coaching, um die Fähigkeiten der Mitarbeiter weiter zu entwickeln. Auf die Leistung steigernd wirkt es auch, wenn bei weit entfernten Zielen, die komplexe Gegebenheiten in sich bergen, nahe Zwischenziele ergänzend gesetzt werden. Durch das Erreichen von Zwischenzielen verbunden mit positivem Feedback wird die Selbstwirksamkeit sequentiell bei Mitarbeitern erhöht als auch die intrinsische Motivation erleichtert.

Ziele wirken auf die intrinsische Motivation, wenn sie vom Mitarbeiter als Möglichkeit wahrgenommen werden, ihre persönlichen Interessen, Bedürfnisse und Werte (intrinsische Belohnung) erfüllen zu können, wie Latham und Locke nachweisen konnten. Ein unterstützendes und zwischenmenschlich positives Umfeld, in dem Mitarbeiter möglichst selbstbestimmt, eigenverantwortlich agieren können oder es als solches wahrnehmen, erleichtert das Erwirken intrinsischer Motivation zudem, wie M. Gagne´ und E.L. Deci in ihrem Artikel "Self-determination theory and work Motivation" (2005) beschreiben.

Extrinsische Belohnung wiederum wirkt nur in einem intrinsisch motivierenden Umfeld unterstützend und soweit sie durch ihre Gestaltung das Klima für intrinsische Motivation nicht unterminiert, betonen Gagne´ und Deci. Externe Belohnungen zur Anerkennung von Leistungen müssen als erreichbar und fair wahrgenommen werden. Externe Belohnungen, die der Kontrolle und Steuerung dienen oder den Leistungsdruck erhöhen sollen, sind für die intrinsische Motivation und High Performance eher kontraproduktiv.

Bedeutung der Führung für Performance

Um die Leistung bis hin zu High Performance zu steigern, gilt es die intrinsische Motivation bei Mitarbeitern zu wecken. Mit dem geweckten inneren Antrieb sind Mitarbeiter und Teams wesentlich schneller dazu bereit ihre Komfortzone zu verlassen, aufkommende Hindernisse bei der Zielerreichung kreativ zu bewältigen und sich dabei zu entwickeln.

In diesem Prozess entwickeln Mitarbeiter ihre Kompetenzen, gewinnen neue Blickwinkel, spüren eine neue Selbstwirksamkeit und erreichen für sich intrinsische Belohnungen und somit eine neue Zufriedenheit. Verbunden mit der neuen Zufriedenheit und neuen Befähigung erhöht sich die Loyalität zum Unternehmen, so Latham und Locke, und auch die Bereitschaft, die nächste höhere Herausforderung anzunehmen. Ausgehend davon, dass mit dem erneuten Durchlaufen des HPC (siehe Abb. 3) ein höheres Ziel gesetzt wird als mit vorherigem Zyklus, steigert sich im Idealfall die Leistung (Performance) mit jedem Zyklusdurchlauf bis hin zur High Performance.

Abb. 3: Zyklen zu High Performance
Abb. 3: Zyklen zu High Performance
Foto: Andreas Skuin

Die Möglichkeiten einer Führungskraft auf das Entstehen solcher Zyklen einzuwirken und zu unterstützen sind vielfältig, wie durch den HPC aufgezeigt werden kann. Die wünschenswerte Performance eines Unternehmens wird, wie erkennbar ist, wesentlich von der Führung und deren Fähigkeiten mitbestimmt. Der HPC dient somit auch als Impuls dafür, das Bewusstsein für unterstützende transformationale Führung im Sinne der Agilität zu wecken.

Transformationales Führen zielt darauf ab, Mitarbeiter intrinsisch zu motivieren, zu fördern und mittels Coachings zu unterstützen. Transformierende Führer setzen herausfordernde Erwartungen und erreichen typischerweise höhere Leistungen als erwartet. Als Vorbild befähigen sie Mitarbeiter, achten auf deren individuellen Bedürfnisse und persönliche Entwicklung. In der Konsequenz erhalten sie ein höheres Bekenntnis zur Organisation und zufriedenere Mitarbeiter.

Mit dem Verständnis für die Wirksamkeiten im Rahmen des HPC bieten Ziele demnach eine Trägerfunktion für Agilität, wenn bewusst und passend durch die Führung genutzt. Verbunden mit dem Schaffen eines inspirierenden Umfelds und Vertrauen agieren Führungskräfte dann als Katalysator, um gute Leistungen zu erzielen. Mit diesem Bewusstsein ist der mit Zielvereinbarungen verbundene notwendige Einsatz für die Führungskräfte effizient und lohnenswert.