Mehr als nur heiße Luft

Warum sich Unternehmen jetzt mit dem Internet der Dinge beschäftigen sollten

29.01.2015
Von  und
Expertin für Software-Engineering und IT-Architektur bei MaibornWolff GmbH
Bereichsleiter bei MaibornWolff GmbH
Menschen verbinden sich selbstverständlich über mobile Endgeräte mit Familie, Freunden oder Geschäftspartnern. In Zukunft ziehen Alltagsgegenstände um uns herum nach. Gartner verordnet das Internet der Dinge im „Gartner Hype Cycle 2014“ auf dem Höhepunkt der Erwartungen und schätzt, dass die Geräte und Technologien in fünf bis zehn Jahren produktiv in Unternehmen eingesetzt werden. Also alles heiße Luft, die erst mal abkühlen soll? Nicht ganz.

Unter dem Dach des "Internet of Things" versammeln sich Technologien mit unterschiedlichen Reifegraden: Einerseits werden iBeacons im Zusammenspiel mit Apps schon zur Indoor-Navigation eingesetzt. Auf der anderen Seite sind die Smart Dust genannten Micro-Sensoren noch in einer sehr frühen Entwicklungsphase: In großer Anzahl und Dichte ausgebracht messen sie, so die Zukunftsmusik, an vielen Punkten Temperatur, Feuchtigkeit, Vibration, chemische Zusammensetzungen und anderes. So lassen sich beispielsweise Sonnendauer und Regenmenge auf einem Acker überwachen. Die zugrundeliegende Vision: Alles kommuniziert miteinander, aus den Daten lassen sich beliebige Verhaltensmuster ableiten und Reaktionen nach dem Wenn-Dann-Schema für Dinge definieren.

Kontra: Technisch noch unausgereift

Wie die beiden Beispiele zeigen, wird das "Internet of Things" schon in Anwendungen umgesetzt wird, während viele Aspekte noch im Planungsstadium sind. Gerade auf der technologisch getriebenen Seite gibt es im Internet der Dinge viel Bewegung.

  • Der Strauß an Technologien für IoT ist riesig. Der Gartner Hypecycle für das Internet der Dinge umfasst zirka 50 Technologien. Doch erst wenige wie iBeacons und ZigBee sind in der reifen Phase ihres Produktlebenszyklus' angelangt. Der Großteil dieser Technologien wird in frühestens fünf Jahren Mainstream sein.

  • Zur Datenübertragung gibt es einige etablierte Protokollstandards, die untereinander nicht kompatibel sind. Das Ziel ist hier, dass in naher Zukunft alles mit allem kommunizieren kann. Dafür fehlt es einer gemeinsamen Plattform oder Sprache, ähnlich dem Protokoll-Stack für das menschen-lesbare Internet.

  • Auch die Energieversorgung für eine exponentiell steigende Anzahl an Sensoren ist eine Herausforderung. Im Energiemanagement bestehen bereits Lösungen wie Bluetooth 4.0. Sie ermöglichen lange Lebensdauern für Geräte, die von einer Energiequelle losgelöst sind. Dieser Ansatz alleine wird aber nicht reichen. Möglicherweise bringen neue Batterie-Technologien oder regenerative Energien den Durchbruch: Ein Akku, der sich beispielsweise durch Bewegung oder Sonnenlicht auflädt, wäre für viele Sensoren ideal. Zur autarken Energielösung braucht es aber einen hohen Wirkungsgrad.

  • Rechtliche Rahmenbedingungen zu Datensicherheit, Datenschutz oder Informationshoheit gibt es kaum. Sie sind aber eine wichtige Grundlage für ein "gemeinsames Miteinander" im Internet der Dinge, das nicht an Ländergrenzen halt macht.

Pro: Riesiges Potenzial

Derzeit werden Insellösungen aus dem Consumer-Umfeld als Beispiele für die Geschäftstauglichkeit von IoT-Technologien zitiert, etwa das iPhone als Türöffner, Smart-Home-Produkte und Infotainment-Systeme im Fahrzeug. Dagegen schöpfen Unternehmen das Potenzial der Technologien selten aus, das Terrain ist wenig erschlossen. Sinnvolle Anwendungsfälle, die die vorhandenen Technologien verwenden um unternehmerischen Nutzen zu schaffen, liegen nicht für jede Branche auf der Hand.

Genau deswegen liegt ein riesiges Potenzial bei Unternehmen, das eigene Kerngeschäft mit neuen Technologien effizienter zu machen oder um Services zu erweitern: Produzierende Unternehmen steuern Produktionsabläufe mittels Echtzeitdaten oder richten Wartungsprozesse nach dem tatsächlichen Bedarf aus. Die Ziele sind bekannt: dem Mitbewerber einen Schritt voraus sein, Lagerkosten senken, just-in-time produzieren, Verwaltungskosten senken, einen Wow-Effekt beim Kunden auslösen, die besten Mitarbeiter finden und binden, um einige Beispiele zu nennen.

Anwendungsbeispiele kreieren

Jedes Unternehmen sollte sich die Frage stellen, ob und wie die neuen Technologien einen Mehrwert bringen. Entscheidend ist dabei die Frage, welche Geschäftstreiber die Stellhebel für das Kerngeschäft des Unternehmens sind. Doch wie soll ein Unternehmen vorgehen, das sich möglicherweise noch nie mit dem Internet der Dinge befasst hat, um Anwendungsfälle zu generieren? Hier fünf Erfolgsfaktoren:

  • Verwenden Sie Kreativitätstechniken. Kombinieren Sie verschiedene Ansätze, um in einem Workshop Ihr Ziel zu erreichen: Ideen generieren, sammeln, strukturieren und bewerten. Behalten Sie dabei immer Ihre Geschäftstreiber und Ihre Kunden im Fokus.

  • Öffnen Sie den Blick für neue Denkansätze. Lassen Sie sich durch Kombinationen von Geschäftstreibern mit Technologien inspirieren, auch wenn sie auf den ersten Blick nicht zusammenpassen.

  • Steuern Sie Ihre Kreativität, indem Sie Rahmenbedingungen für die Ideen vorab festlegen - zum Beispiel die Kostenrahmen oder die Umsetzungsdauer für die Lösung.

  • Regen Sie dazu an, den Blickwinkel zu wechseln. Was passiert beispielsweise, wenn Ihre Mitarbeiter eine Technologie plötzlich aus der Seniorenperspektive beurteilen? Sie werden sehen: Das verleiht dem Ideenfindungsprozess neuen Schwung.

  • Achten Sie bei der Teilnehmerauswahl für eine Task Force oder einen Workshop auf ein ausgewogenes Verhältnis aus Ideengebern, Umsetzern und Kritikern. Damit wird der Ideenpool ausreichend groß. Teilnehmer aus den Fachbereichen sind besonders wertvoll, denn sie entwickeln und verstehen Themen mit Blick auf praktische Relevanz und Alltagstauglichkeit. So finden Sie Ideen, die tatsächlich Nutzen stiften, statt Anwendungsfälle zu generieren, die eine Technologie bestmöglich ausnutzen.

Mit Volldampf in die Umsetzung

Und was passiert mit den für gut befundenen Ideen? Das Internet der Dinge ist extrem schnelllebig. Entwicklungszeiten müssen kurz sein, damit eine Idee nicht vor der Umsetzung schon veraltet ist. Am besten überführen Sie Ideen so schnell wie möglich in Prototypen. Damit probieren Sie Hands-on aus, was funktioniert und was nicht.

Hilfreich dabei: Die meisten Komponenten sind sehr günstig in der Anschaffung. Machen Sie Dinge greifbar und erlebbar, denn langwierige Konzepte und Lastenhefte sind eher hinderlich. Da über die Technologien des Internet of Things noch wenige Erfahrungswerte vorliegen, lässt sich nur schwer sicherstellen, dass das Ergebnis eines Konzepts umsetzbar ist. Sobald der Prototyp stabil läuft, sollte er einem ausgewählten Anwenderkreis zum Testen zur Verfügung stehen. Wählen Sie dazu Key-User in Ihrem Unternehmen oder Beta-Kunden aus, um unmittelbar Feedback zu erhalten und daraus Optimierungen ableiten zu können.