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Warum sich Outsourcing im TK-Markt galoppierend ausbreitet

18.05.2007
Der Telekommunikationssektor hat sich in den letzten Jahren stärker gewandelt, als die meisten anderen Branchen. Neue Technologien hielten Einzug und damit auch neue Services und Marktmodelle. Vor allem Mobilfunker besinnen sich darauf, sich ganz auf die eigene Marke zu konzentrieren und alles andere an Dienstleister auszulagern.

E-Plus macht es nach Einschätzung der Analysten von Pierre Audoin Consultants (PAC) allen anderen vor: In einem 120-Millionen-Euro Deal lagerte das Unternehmen 2004 seine komplette IT an Atos Origin aus. Ein solch konsequentes Komplett-Outsourcing war für die europäische TK-Branche neu. E-Plus ging sogar noch einen großen Schritt weiter und lagerte Anfang März sein Mobilfunknetz einschließlich Bau, Betrieb und Wartung an Alcatel-Lucent aus, um sich nur noch auf die Vermarktung seiner Marken zu konzentrieren (siehe: E-Plus funkt ohne eigenes Netz). Außerdem erhofft sich der Mobilfunker enorme Kosteneinsparungen.

Laut PAC hat der westeuropäische Outsourcing-Markt damit im Telecom-Sektor die Hürde von infrastrukturlastigen Verträgen hin zum Outsourcing von Anwendungen (Application Outsourcing, Application Management, etc.) und Geschäftsprozessen (Business Process Outsourcing) genommen. Dies zeige auch der große Vodafone-Deal, in dem das Unternehmen im Herbst letzten Jahres seine Anwendungsentwicklung und -wartung an EDS und IBM abgab. Der externe Betrieb ist Teil eines Sparprogramms, mit dem der Konzern sein Kostenproblem lösen und in den nächsten Jahren dreistellige Millionenbeträge einsparen will. Vodafone gab bekannt, weitere Auslagerungsmöglichkeiten zu prüfen, wobei offen blieb, ob es sich um IT, Netzwerk oder anderes handeln wird. PAC mutmaßt, dass Vodafone hier E-Plus nacheifern wird. Auch O2 dürfte bald auf den Zug aufspringen, nachdem das Unternehmen offenbar zunehmend in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät.

Dienstleister reiben sich die Hände

Angesichts der Outsourcing-Bereitschaft großer TK-Konzerne können sich die Dienstleister die Hände reiben. In diesem Bereich wird ein riesiges Potenzial frei, während der viel reifere Infrastruktur-Outsourcing-Markt langsam stagniert und unter Kostendruck gerät. Kleinere TK-Unternehmen sind laut PAC ohnehin eher zu Application Management oder Busines Process Outsourcing bereit, wobei die aufkommenden "Mobile Virtual Network Operators" (MVNOs) diese Entwicklung vorantreiben. PAC meint damit Anbieter, die Mobilfunk-Services anbieten, ohne ein eigenes Netzwerk zu besitzen – etwa Tchibo und Aldi oder Virgin in Großbritannien und NRJ in Frankreich.

Software- und IT-Dienstleistungen in der deutschen TK-Branche: Anteile der Produkt- und Dienstleistungssegmente2006 und 2010
Software- und IT-Dienstleistungen in der deutschen TK-Branche: Anteile der Produkt- und Dienstleistungssegmente2006 und 2010
Foto: PAC

Sie kaufen Netzkapazitäten ein und nutzen ihren Kundenzugang, um selbst vom TK-Geschäft zu profitieren. Eine eigene ITK-Infrastruktur brauchen sie dafür nicht, wohl aber IT-Unterstützung für die klassischen Systeme für Business Support (z um Beispiel Billing) oder Operational Support (zum Beispiel Provisioning). Doch diese vergeben sie mangels eigener Erfahrung in der von vornherein an Externe. Einige IT-Dienstleister (Outsourcer) wie Danet und Capgemini haben sich laut PAC genau auf diesen Kundenkreis spezialisiert und bieten relativ standardisierte Services zu günstigen Preisen an, wobei sie oft auch On-Demand-Modelle fördern.

Noch jede Menge Potenzial

Nichtsdestotrotz bietet Geschäftsprozess-Outsourcing in der TK-Branche noch jede Menge Chancen für Dienstleister. Einzig im Bereich Abrechnung wird es vielerorts genutzt, was sich unter anderem deshalb anbietet, weil Billing-Systeme mehr und mehr auf internationaler Ebene standardisiert werden. Hier können mithilfe von BPO einige Kosteneinsparungen erzielt werden. Was die Auslagerung horizontaler Prozesse, zum Beispiel im Bereich von Personalwirtschaft oder Finanzbuchhaltung angeht, bleibt Großbritannien alleiniger Vorreiter.

Insgesamt erwartet PAC, dass der westeuropäische TK-Sektor in den nächsten Jahren mit am meisten in Outsourcing investieren wird. Dies gilt nicht nur für Mobilfunkanbieter, sondern auch für Festnetzbetreiber. Jedoch wird sich auch in dieser Branche der Preisdruck, unter dem Outsourcer derzeit allgemein leiden, bemerkbar machen. Alles in allem rechnet PAC für die Jahre 2006 bis 2010 mit einem Wachstum von durchschnittlich 11 Prozent im TK-Markt. (hv)