Agile Entwicklung

Warum Personas in agilen Softwareprojekten immer wichtiger werden

31.05.2017
Von Peter Rozek
Im Umgang mit Software steht uns ein Paradigmenwechsel bevor, der eine komplexe und umfassende Sicht auf den Nutzer erfordert. Personas in agilen Softwareprojekten helfen, das „Big Picture“ in Zeiten sich rasch ändernder Anforderungen nicht aus den Augen zu verlieren.

In einer agilen und dynamischen Software-Entwicklung Personas gewinnbringend einzusetzen, ist eine Herausforderung - nicht nur für das Team, sondern auch in der Kommunikation mit dem Auftraggeber. Die Entwicklung nutzerfreundlicher Produkte stellt ein Team aus unterschiedlichen Gewerken vor die Herausforderung, die Motivation und Bedürfnisse verschiedener Nutzergruppen zu verstehen und auch zu adressieren. Werden Personas zielorientiert eingesetzt, sind sie ein leistungsfähiges Instrumentarium, um die Anwender einer Software zu beschreiben.

Im Kontext eines User-Centered-Design-Prozesses sind Personas die ideale Ausgangslage, um ein einheitliches Verständnis der Nutzergruppen zu schaffen. Schließlich soll das Produkt einige Jahre genutzt werden. Hinzu kommt, dass sie eine valide Grundlage darstellen, um richtungsweisende Entscheidungen innerhalb der Entwicklung besser priorisieren zu können.

Spaß an Software ist möglich

Marktreife, Relevanz und selbstverständlich auch Usability sind wichtige Attribute eines guten Produktes. Auf der Grundlage von Personas und deren mentalen Modelle werden auch Entscheidungen hinsichtlich der Usability getroffen, die wiederum einen wesentlichen Einfluss auf die User Experience haben.

Nahezu Perfektion wird erreicht, wenn das User Interface und die User Interaction iterativ einen Reifegrad erreichen, bei dem die Nutzung einfach und wie selbstverständlich funktioniert. Gutes Beispiel hierfür ist das iPhone: ein Bedienkonzept so simpel und einfach, dass selbst Kinder das Interaktionsprinzip auf Anhieb verstehen und mit der Software zielorientiert umgehen können. Apple hat bewiesen, dass Software Spaß machen kann.

Bei der Gestaltung der digitalen Welt können Unternehmen beeinflussen, welche Rolle die Software in der Welt des Anwenders einnehmen soll. Innovation und Vernetzung sind dabei wichtige Themen. Wenn wir die Zukunftsfähigkeit von Softwareprodukten betrachten, dann müssen wir den Nutzungskontext weiter fassen und nicht nur auf die Interaktion mit der Software sehen. Oberflächen sind ein Auslaufmodell. In naher Zukunft wird es stärker um intelligente Systeme gehen, die ein klassisches Interface als zentrales Interaktionsmedium überflüssig machen werden.

Innovative Softwareentwicklung funktioniert nach dem simplen Prinzip: Ausprobieren, Scheitern und Weitermachen. Interdisziplinäre Team aus Produktmanagern, Kreativen und Developern werden sich auf den Weg machen und perfekte Antworten suchen.

Personas für das "Big Picture"

Der Markt stellt heute immer neue Anforderungen an Software, die möglichst schnell erfüllt werden sollen. Agile Arbeitsmethoden bringen das perfekte Instrumentarium mit, um die Business-Anforderungen der Stakeholder mit einer zielorientierten Vorgehens- und Arbeitsweise zu synchronisieren, um so eine schnelle Marktreife hinzubekommen. Ein schnelles Time-to-Market bedeutet im Kontext von Agile oder Lean UX, akute Veränderungen schnell abbilden und disruptiv auf den Markt einwirken zu können.

Diese Logik kann dazu führen, dass die Verantwortlichen nur noch über Features und das nächste Release diskutieren, dabei aber die eigentlichen Nutzungsanforderungen, also die Perspektive der Nutzer, aus den Augen verlieren. Das ursprüngliche "Big Picture", die Produktvision, geht verloren, weil immer nur der nächste Sprint und das nächste Release im Vordergrund stehen. Schließlich möchte man durch stetige Innovation glänzen.

Um auch im großen Bild Kurs zu halten, bilden Personas für agil arbeitende Teams eine wirkungsvolle Methode. Sie geht auf die Design- und Interaktions-Legende Alan Cooper zurück, der sie 1995 erstmals beschrieben hat. Sein Konzept hat sich mit der Zeit ständig weiterentwickelt. Klassische Personas sind dabei modellhafte Nutzer mit konkreten Charakter-Eigenschaften. Sie haben ein Gesicht und legen ein ganz spezifisches Nutzungsverhalten an den Tag.

Die Beschreibung ihrer Bedürfnisse sollte so konkret wie möglich sein: Wie tickt der Nutzer, hat er spezielle Probleme beim Umgang mit Software und welche Lösungsmöglichkeit bietet das Produkt? Abstraktionen oder allgemeine Angaben gehören nicht in eine Persona. Die Personen sind fiktiv und basieren auf mentalen Modellen und den Verhaltensmustern von echten Personen. Grundlage, um eine archetypische Sichtweise auf den Nutzer zu bekommen, ist das gesammelte Wissen über reale Anwender. Informationen können aus Usability-Tests, kontextuellen Interviews oder Fokusgruppen gesammelt und auf ihre Grundlagen analysiert werden.

Wenn wir von Personas sprechen, ist es wichtig, zwischen Ziel- und Nutzergruppen zu differenzieren und dies nicht zu vermischen. Der Begriff Zielgruppe oder auch Marketing/Buyer Persona wird eher im Marketing verwendet. Eine Zielgruppe kann jedoch aus unterschiedlichen Nutzergruppen bestehen und stellt somit unterschiedliche Anforderungen und Erwartungen an ein Produkt. Dies gilt es im Auge zu behalten, wenn wir von Personas im Kontext von qualitativen Nutzungsanforderungen sprechen.

Es sind Akzeptanzkriterien, die sich entscheidend auf Effektivität, Effizienz und Zufriedenstellung eines interaktiven Systems auswirken. Die Beschreibung der unterschiedlichen Personas basiert immer auf der Perspektive des Nutzers und ist nie auf der Basis von Vermutungen und Annahmen zu formulieren. Personas, die auf Basis einer freien Interpretation und ohne valide Datenbasis entstehen, kann man auch als Ghost-Personas bezeichnen.

Fazit

In der agilen Entwicklung wird bei Personas auch von Users innerhalb von User Stories gesprochen. Anforderungen werden in User Stories aus der Sichtweise der Nutzer geschrieben. Der User möchte eine bestimmte Funktion, damit er eine Aufgabe mit Erfolg ausführen kann. Dabei wird nicht selten der User auf seine reine Anwenderrolle reduziert. Der unmittelbare Nutzungskontext bezogen auf ein Feature tritt in den Vordergrund. Der Nutzer wird Abstrakt und ein durch Technik getriebenes Feature-Denken, läuft dem Nutzergedanken den Rang ab. Das "Big Picture", die eigentliche Produktvision, geht verloren.

Innovationen und Sichtweisen verändern sich in regelmäßigen Abständen gravierend. Im Umgang mit Software steht uns ein Paradigmenwechsel bevor, der auch eine komplexere und umfassende Sichtweise auf den Nutzer erfordert und die Beschreibung von Personas maßgeblich beeinflussen wird. Predictive Personas werden zukünftig eine immer wichtigere Rolle spielen, weil sie uns dabei helfen den Nutzungskontext zu identifizieren, wie ein Nutzer sich möglicherweise verhalten wird.

Developer Week 2017

Developer Week 2017 in Nürnberg

Mehr zu diesem Thema gibt es auf der Developer Week, einer der größten unabhängigen Entwicklerkonferenzen Europas, vom 26. bis 29. Juni 2017 im NCC in Nürnberg. Autor Peter Rozek ist dort live zu erleben mit dem Vortrag „Personas in Agilen Softwareprojekten“ (Track: Mobile Konzepte, 26.Juni 2017, von 14.15 bis 15.15 Uhr.