IDC-Analyse

Warum Oracle von Hurds Einstieg profitiert

14.09.2010
Der spektakuläre Wechsel des einstigen HP-Chefs Mark Hurd wird Oracle helfen, seine Wettbewerbsposition gegenüber IBM und HP zu verbessern, kommentiert Wafa Moussavi-Amin, Geschäftsführer IDC Central Europe GmbH.

"Oracle hat den richtigen Zeitpunkt für einen Austausch im Führungsteam gewählt", schreibt Moussavi-Amin in einer Analyse der schlagzeilenträchtigen Personalie. "Mit Mark Hurd, dem ehemaligen Geschäftsführer und Vorsitzenden von HP, tritt ein starker Nachfolger an die Stelle von Charles Phillips." Dieser sei ein überzeugender Frontmann gewesen und ein strategisches Ass im Aufbau von Geschäftsbeziehungen, der das Enterprise-Applikations-Geschäft bestens kannte. Der mittel- bis langfristige Erfolg, ihn durch Hurd zu ersetzen, werde indes davon abhängen, wie gut Hurd, Safra Catz als Co-President und CEO Larry Ellison zusammenarbeiten: "Entscheidend dabei wird sein, wie sie ihre Aufgaben untereinander verteilen und die Kommunikation mit ihren Kunden, zum Außendienst sowie zu den unterschiedlichen Geschäftsbereichen koordinieren." Darüber hinaus hätten Beobachter bereits darauf hingewiesen, dass der 66-jährige Ellison, der seit den späten 70iger Jahren Oracle führt, einen möglichen Nachfolger sucht. Mit diesem Schritt sei allerdings in naher Zukunft noch nicht zu rechnen.

Oracle-Chef Ellison nutzt mit dem Einstieg von Hurd einen möglichen Wettbewerbsvorteil, kommentiert IDC-Experte Wafa Moussavi-Amin.
Oracle-Chef Ellison nutzt mit dem Einstieg von Hurd einen möglichen Wettbewerbsvorteil, kommentiert IDC-Experte Wafa Moussavi-Amin.
Foto: IDC

Nach Einschätzung des IDC-Experten demonstriert Ellison mit dem Personalwechsel seine Fähigkeit, "schnell einen möglichen Wettbewerbsvorteil für Oracle zu nutzen, um sein Vorhaben in die Tat umzusetzen, die Company auf eine Umsatzgröße von mehr als 50 Milliarden Dollar zu bringen". Moussavi-Amin verweist in diesem Kontext auf Kommentare von Safra Catz aus einer Oracle-Pressemeldung, denen zufolge das Führungsteam den Blick bereits auf die 100-Milliarden-Dollar-Grenze gerichtet habe, ein Umsatzniveau auf dem sich die großen Konkurrenten IBM und HP bewegen.

Hurd soll bereits auf Oracles Kundenkonferenz OpenWorld eine Keynote halten, die der Hersteller vom 19. bis 23. September in San Francisco abhält. Obwohl Oracle noch keine näheren Angaben zu den Inhalten der Rede macht, gehen Beobachter davon aus, dass der Manager seine Vorstellungen eines integrierten Angebots aus Oracle-Software und den mit Sun Microystems erworbenen Hardwareprodukten erläutern wird.

Wie gefährlich kann Hurd HP werden?

Dessen ungeachtet versucht HP weiterhin, Hurds Wechsel zu Oracle auf gerichtlichem Weg anzugreifen. Das Management des kalifornischen IT-Konzerns befürchtet, dass Oracle durch den einstigen CEO an wichtige Firmengeheimnisse gelangen könnte. Nur wenige Stunden, nachdem Hurd seinen Job als Co-President neben Safra Catz angetreten hatte, verklagte HP den 53-jährigen Manager.

In der Klageschrift argumentiert HP unter anderem, dass Hurd gar nicht anders könne, als sein erworbenes Wissen in die neue Position bei Oracle einzubringen. So habe er beispielsweise detaillierte Kenntnisse einer internen Studie über den Konkurrenten Oracle. Vor diesem Hintergrund soll das Gericht Hurd jegliche Beschäftigung bei einem Konkurrenten untersagen, im Rahmen derer er HP-Geschäftsgeheimnisse preisgeben könnte.

Die Erfolgsaussichten der Klage bewerten Experten unterschiedlich. "Nach kalifornischem Recht kann man niemanden davon abhalten, für einen Konkurrenten zu arbeiten", erklärte der Bostoner Rechtsanwalt Michael Rosen.

Gartner-Analyst Kenneth Chin kann HPs Befürchtungen nachvollziehen. Beispielsweise kenne Hurd die Roadmaps für die diversen Hardwareprodukte von HP, darunter vor allem Server- und Storage-Systeme. Doch der potenzielle Nutzen solcher Informationen für Oracle sei zumindest zeitlich auf ein bis zwei Jahre begrenzt, da sich einschlägige Produktpläne änderten. Nach Chins Einschätzung werden die Kontrahenten ihren Streit schon bald im Wege eines Vergleichs beilegen. (wh)