Mieten statt Leasen, Outsourcing statt Eigenleistung

Warum klassische TK-Anlagen out sind

16.11.2009
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 

Asterisk als Alternative

Nicht auf der Agenda steht Asterisk dagegen bei den etablierten VoIP-Anbietern. Weder BT und Cisco noch Avaya beschäftigen sich derzeit mit der Open-Source-Alternative. Mehr oder weniger unisono lautet die Antwort, dass das Großkunden nicht interessiere. Für diese Klientel sei die Optimierung ihrer Geschäftsprozesse mit Unified-Communications- und Collaboration-Anwendungen wichtiger. Zweigleisig fährt man dagegen bei der deutschen Funkwerk Enterprise Communications. Selbst entwickelt das Unternehmen seine noch aus Elmeg-Zeiten stammenden ICT-Anlagen zu hybriden VoIP-Lösungen weiter und baut aus der UTM-Hardware entsprechende VoIP/ISDN-Gateways.

Gerade die erfolgreiche ISDN-Vergangenheit in Deutschland bestärkte den Hersteller in dieser Entscheidung. "Asterisk dagegen", so Theo Mossdorf, Manager bei Funkwerk, "ist im Kern stark amerikanisch geprägt, so dass wir im ISDN-Land Deutschland nur geringe Synergieeffekte hätten." Allerdings scheint Funkwerk der Open-Source-Lösung keinen kompletten Korb geben zu wollen. Im Juni dieses Jahres veröffentlichte das Unternehmen eine Pressemitteilung über eine Partnerschaft mit der Kieler Addix Software GmbH. Dort war zu lesen: "Die gemeinsam entwickelten IP-PBX-Systeme, Astimax IP-1100 und Astimax IP-2100, basieren auf der embedded Linux Appliance von Funkwerk und der Asterisk-Plattform Astimax von Addix."

Während man auf Anbieterseite dem Thema Asterisk teilweise noch abwartend oder gar ablehnend gegenübersteht, haben namhafte deutsche Unternehmen und Institutionen bereits den Sprung in die Open-Source-TK-Welt gewagt: Zu den Nfon-Kunden zählen der ADAC und die Bavaria-Film. Und das Münsteraner Versicherungsunternehmen LWM, die Eon Ruhrgas AG sowie der Security-Anbieter Secunet, einer der IT-Sicherheitspartner des Bundes, setzen mit "Gemeinschaft" auf eine deutsche Asterisk-Weiterentwicklung. Diese kommt unter anderem, so die Referenzliste, beim Bundesministerium der Justiz und dem Bundespräsidialamt zum Einsatz. Wie eine Asterisk-Migration mit Gateway aussehen kann, zeigt unser Praxisbeispiel der Universität Würzburg (siehe "Asterisk in der Praxis").

Kostensparen mit

Open-Source-Alternative Asterisk

Eigentlich waren die Anbieter IP-basierender TK-Anlagen mit dem Versprechen angetreten, den Anwender aus der Abhängigkeit von den klassischen Anlagenbauern zu befreien und ihm die Telefonie zu geringeren Kosten zu liefern. Doch mittlerweile finden sich viele Anwender in einer ähnlichen Abhängigkeit wieder, und Zusatzfunktionen oder Änderungen müssen ebenfalls teuer bezahlt werden. Einziger Unterschied: Kam früher der Techniker vorbei und tauschte eine Platine aus, so gibt es heute in der IP-Welt einen Freischaltschlüssel per Mail oder USB-Stick.

Aus diesem Dilemma wollen die Verfechter der Open-Source-Idee die Anwender befreien, indem sie nicht nur geringere Kosten, sondern auch größere Freiräume bei der Weiterentwicklung versprechen. Die wohl bekannteste und mit mittlerweile fast zwei Millionen Downloads populärste TK-Plattform ist Asterisk. Die Software, die ihren Namen von dem Unix-Platzhalterzeichen "*" hat, geht auf eine Idee von Mark Spencer zurück, der 1999 den ursprünglichen Kernel schrieb. Heute ist die Software für

NetBSD, OpenBSD, FreeBSD, Mac OS X, Solaris, verschiedene Linux-Derivate und selbst Microsoft Windows als AsteriskWin32 verfügbar. Allerdings wird in Diskussionen gerne der Fehler begangen, Asterisk mit einer Telefonanlage gleichzusetzen. Korrekter wäre es, von einem Telefonanlagen-Betriebssystem zu sprechen, das mit zusätzlichen Modulen an den jeweiligen Einsatzzweck angepasst wird. In diesem modularen Ansatz liegt dann auch - zumindest aus deutscher Sicht - eine der Schwächen des Konzepts: Da Asterisk ursprünglich eine US-amerikanische Entwicklung ist, hapert es teilweise mit der Unterstützung von ISDN-Karten oder anderen europäischen Features. Gleichzeitig ist die Modularität jedoch einer der großen Vorteile von Asterisk.

Das System kann dadurch sehr individuell an die jeweiligen unternehmensspezifischen Bedürfnisse (etwa Call-Center oder Mitarbeiter in Home Offices) angepasst werden. Zudem existiert mittlerweile eine so große deutsche Entwicklergemeinde, dass auch nationale TK-Besonderheiten nicht zu kurz kommen. Ferner liefern etliche Hersteller Asterisk-kompatible Gateways, so dass die Anbindung an ISDN oder das GSM-Mobilfunknetz kein Problem mehr ist.