quereinsteiger profitieren von der it-weiterbildung

Warum Kartographen Informatik studieren

01.07.1999
Deutschlands Hochschulen reagieren endlich auf die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes und bieten IT-spezifische Weiterbildungsangebote an. Young Professional stellt vier Beispiele vor.

von Veronika Renkes*

Hochschulen bieten zahlreiche Aufbaustudiengänge und Fortbildungen zur Erweiterung des IT-Know-hows an, wie Industrieinformatik, Geoinformatik oder Gesundheitsinformatik. Das Gros der Teilnehmer und Absolventen ist zufrieden mit der angebotenen Mischung aus Theorie und Praxis. Erstens, weil sie das Gelernte tatsächlich sofort im Job umsetzen können. Zweitens, weil die Zusatzqualifikation den Karrieresprung befördert.

FH Braunschweig/Wolfenbüttel: Industrieinformatik

An Informatikinteressierte mit guten Mathematikkenntnissen und technischem Verständnis richtet sich das Fernstudienprojekt "Industrieinformatik" der FH Braunschweig/Wolfenbüttel. Zulassungsvoraussetzung ist das Fachabitur, der Meisterabschluß oder Techniker, aber auch Akademiker mit fachfremden Ausbildungen wie Mediziner oder Apotheker werden angesprochen.

Der Schwerpunkt des berufsbegleitenden Fernstudiums liegt auf der praktischen Anwendung. Geboten werden unter anderem Kurse für Hard- und Software, die Vernetzung bis zum Internet, objektorientierte Programmierung, Mikroprozessortechnik oder digitale Signalverarbeitung. Die Kurse können in beliebiger Reihenfolge belegt werden. Ergänzt wird das Selbststudium durch einmal im Monat stattfindende Präsenzphasen mit praktischen Übungen und einem einwöchigen Blockseminar an der Fachhochschule. Der Zeitaufwand pro Kurs beträgt für die Teilnehmer etwa zwölf Stunden pro Woche. Jeder Kursabschluß wird mit einem Zeugnis bestätigt.

Nach vier erfolgreich bestandenen Seminaren und entsprechender Berufserfahrung kann durch eine Prüfung bei der Industrie und Handelskammer (IHK) der Berufsabschluß "Fachinformatiker" oder "Informatikkaufmann" erworben werden. Akademiker, die das Weiterbildungsangebot als Aufbaustudium nutzen wollen, können ein Diplom erwerben.

Kontakt: Institut für Industrieinformatik, Professor Kaiser, Telefon: 053 61/83-1600, E-Mail: Kaiser@FH-Wolfenbuettel.de, Internet: www.fh-wolfenbuettel.de/ fb/p/IN/fernstudium.html

Profil

Antje Schütte, 37, ist biologisch-technische Assistentin bei der Volkswagen AG in Braunschweig. In der Abteilung Umweltschutz arbeitet sie mit DV-gesteuerten Analysegeräten, Tabellenkalkulationsprogrammen und Datenbanken. Sie entschied sich für das Fernstudienprojekt "Industrieinformatik" der FH Braunschweig, weil sie sich mit anderen Frauen zusammen in das "Männer-Fachgebiet" begeben wollte und zudem in ihrem Arbeitsplatz eine neue Datenbank eingeführt wurde. Parallel zu ihrer Weiterqualifizierung veränderte sich auch ihr bisheriges Aufgabengebiet. So verwaltet sie zur Zeit die Datenbank, betreut das Netz der Arbeitsgruppe und berät Kollegen, wenn Probleme bei Anwendungen oder der Vernetzung auftreten. Vorgesetzte und Personalabteilung reagierten "durchweg positiv" auf Schüttes Eigeninitiative.

FH Heidelberg: Gesundheitsinformatik

Seit März 1998 gibt es an der privaten FH Heidelberg das Pilotprojekt "Berufsbegleitendes Studium Gesundheitsinformatik für Medizinische Dokumentare". Das Fernstudium dauert drei Jahre und schließt mit dem Diplom-Informatiker (FH) ab. Zu den Lehrinhalten gehören Gesundheitssysteme, Medizinische Dokumentation, Krankenhaus-Informations- systeme, SAPR/3-IS-H, Krankenhausbetriebslehre, objektorientierte Softwaretechnik und Multimedia-Systeme.

Der Informationsaustausch zwischen Studierenden und Dozenten erfolgt via E-Mail, Fax oder Telefon. Die Studierenden bekommen von den Dozenten Unterlagen und Übungssoftware zugeschickt und müssen sich den größten Teil des Wissens durch Selbststudium aneignen. Die Vorlesungen sind in einzelne Blöcke unterteilt und dauern in der Regel zwei bis drei Monate. Jeder Block enthält zwei bis drei Fächer. Einmal im Monat findet eine Präsenzphase an den Wochenenden statt. Die monatlichen Studiengebühren betragen 380 Mark zuzüglich Immatrikulationskosten von 760 Mark.

Ein Grund, warum das Weiterbildungsangebot konzipiert wurde: "Die Medizinischen Dokumentare sind in der Regel unterbezahlt und werden von vielen Ärzten viel zu schlecht behandelt", meint Roland Sagebaum, Koordinator des Studienangebots. Im Krankenhaus sorgen sie für den reibungslosen Informations- und Datenfluß an der Nahtstelle zwischen Arzt, Datenverarbeitung und Verwaltung. So werden von ihnen zum Beispiel Rohdaten der Patienten mit Hilfe der DV aufgearbeitet, ausgewertet, katalogisiert und archiviert.

Mit dem Diplom in der Tasche könnten die Medizinischen Dokumentare in alle Bereiche der Informatik einsteigen und hätten auch in ihrem eigenen Beruf bessere Aufstiegschancen, ist Sagebaum überzeugt. Die Studierenden lernen Netzwerke aufzubauen, konzeptionell zu arbeiten und zu planen. Typische Berufe seien

Abteilungsleiter für den gesamten DV-Bereich oder in der Netzadministration in Kliniken, Versicherungen oder Verwaltungen.

Sogar für Ärzte sei es eine interessante Zusatzqualifikation, meint Mohammed Yass, der den Studiengang konzipiert hat. Durch die Privatisierung im Gesundheitssystem würden diese Kenntnisse zunehmend notwendiger. Gesundheitsinformatiker lernten das Gesundheitssystem optimal zu entwickeln, nicht nur an der Schnittstelle Medizin und DV, sondern auch in den Bereichen Verwaltung und Abrechnungswesen, erklärt Yass.

Kontakt: Fachhochschule Heidelberg, Professor Mohammed Yass, Bonhoefferstraße 11, 69123 Heidelberg, Telefon: 06221/883- 197, E-Mail: sagebaum@fh-heidelberg.de, Internet: www.fh-heidelberg.de

Profile

Anette Engelke, 26, arbeitet als Medizinische Dokumentarin im Rechenzentrum der Ulmer Universitätsklinik. Dort ist sie zuständig für Ambulanz-Management, Krankenakten und Programmierung.

Mit dem Studienabschluß erhofft sich Engelke bessere Berufschancen und Erweiterung ihres Wissens. Zur Zeit testet die Dokumentarin neue Software auf Fehler, versucht die Software den Bedürfnissen der Anwender in der Klinik anzupassen, gibt Schulungen und arbeitet Konzepte aus.

Als Gesundheitsinformatikerin hätte Engelke zwar ähnliche Aufgaben. Dann könne sie aber mehr konzeptionell und in der Software-Entwicklung arbeiten, meint die angehende Informatikerin. Besonders wichtig sind für sie die im Studium erworbenen Kenntnisse über Netzwerktechnik und Datenbanken, aber auch Programmiersprachen wie Java und C++, Datenbanksysteme und SAP. Die Abschlußprüfung ist im September 2000. Und nach dem Studium? In Ulm wird zur Zeit ein Informationsnetz für Krankenhäuser aufgebaut. Engelke würde gern mitwirken.

Claudia Schlumpberger, 34, ist im Institut für klinische Chemie der Ulmer Universitätsklinik zuständig für Netzwerk- und Anwenderbetreuung, Datenbankprogrammierung und baut, wenn nötig, auch selbst die Festplatten ein. Nach ihrer Ausbildung zur Medizinisch-Technischen Assistentin hat sie in der Hirnforschung gearbeitet und dort die ersten Programme zur statistischen Auswertung der Forschungsergebnisse installiert. Für die Informatikausbildung hat sie sich entschieden, weil sie dadurch mehr erfahre über technische Neuentwicklungen. Als Medizinische Dokumentarin beschäftigt sie sich zu sehr mit der technischen Informatik, als Gesundheitsinformatikerin kann sie freier, kreativer und zukunftsorientierter arbeiten, hofft Schlumpberger.

Zur Zeit entwickelt sie das Intranet der Klinik mit. Nach ihrem Studium würde sie gern selbständig Netzwerke aufbauen und managen.

FH Mainz: Geoinformatik

Seit 1998 bietet die Fachhochschule Mainz jedes Jahr im April berufsbegleitend das zweijährige Weiterbildungsstudium zum Geoinformatiker an. Angesprochen werden Landschafts-, Umwelt-, Raum- und Vertriebsplaner, Mitarbeiter von kommunalen Verwaltungen oder Telekommunikationsunternehmen, die sich zum Spezialisten für "raumbezogene IT-Verarbeitung" ausbilden lassen wollen.

Konzipiert wurde das Angebot, weil "Fachleute und Unternehmen einen hohen Bedarf an Weiterbildungsmaßnahmen auf dem neuen Gebiet Geoinformatik sehen", meint Hartmut Müller, Initiator und Leiter des Weiterbildungsangebots. Die Absolventenzahlen der betreffenden Studien- gänge seien angesichts dessen extrem niedrig, so die Erfahrungen Müllers. So wurde das Angebot auch auf die Anforderungen potentieller Arbeitgeber abgestimmt. Inhalte der Ausbildung sind Photogrammetische Grundlagen, Graphische Datenverarbeitung, Fernerkundung, Geoinformationssysteme, Umweltmonitoring und Computerkartographie. Die Studierenden lernen diese Systeme zu konzipieren, zu betreiben und zu beschaffen. Das Weiterbildungsangebot besteht aus vier Studienbausteinen, die einzeln oder als Gesamtpaket belegt werden können. Jeder Baustein dauert ein Semester im Umfang von etwa 120 Stunden.

Der erste Baustein "Photogrammetische Grundlagen" ist als Einführung in die raumbezogene Datenverarbeitung konzipiert. Entsprechend vorgebildete Interessen- ten können direkt mit dem zweiten Baustein beginnen. Die Gebühr beträgt 1250 Mark pro Studienabschnitt. Zugangsvoraussetzung ist ein abgeschlossenes Hochschulstudium der Ingenieur- oder Naturwissenschaften. Bei anderen Studienabschlüssen sind Berufserfahrung im Planungsbereich erforderlich. Nach Abschluß des Studiums kann ein Zertifikat erworben werden.

Kontakt: FH Mainz, Professor Hartmut Müller, Holzstraße 36, 55116 Mainz, Telefon: 061 31/ 26 28-0, Fax: 061 31/2628-15, Internet: www.geoinform.fh-mainz.de, E-Mail: postmaster@geoinform. fh-mainz.de

Profile

Karlheinz Witt, 46, Diplom-Ingenieur der Landespflege, arbeitet seit 1992 mit CAD und GIS-Produkten als freier Landschaftsarchitekt insbesondere für kleine und mittlere Kommunen. Seine Schwerpunkte sind Landschaftsplanung und GIS-Dienstleistungen. Besonders wichtig für seine jetzige Tätigkeit ist die Kenntnis von Geoinformationssystemen, Datenbanksoftware und die wissenschaftlich-theoretische Auseinandersetzung mit Geoinformatik, die ihm "Sicherheit in der Diskussion mit Auftraggebern und Planungspartnern" gibt.

Ralf Tüllner, 44, Ingenieur für wissenschaftlichen Gerätebau und Maschinenbauer, arbeitet bei der Bundesanstalt für Wasserbau in Karlsruhe. Seit 1978 ist er im wasserbaulichen Modellversuchswesen tätig, baut unter anderem Luftlabore für Strömungsuntersuchungen, um wasserbauliche Maßnahmen an den schiffbaren Flüssen Deutschlands zu begutachten. Für das weiterbildende Studium entschloß sich Tüllner, um die für den Aufbau und die Kontrolle von Flußmodellen nötigen Kenntnisse über modernste geodätische Vermessungsgeräte zu erlangen.

Eszter Kiss, 30, Diplom-Kartographin, ist beim Systemhaus Hemminger in Bochum zuständig für das Markteting. Die mittelständische Firma berät insbesondere Energieversorgungs- und Telekommunikationsunternehmen bei der Systemimplantation und digitalen Datenerfassung von der Hardware bis zur Wartung. Die Ungarin Kiss kam 1991 nach Deutschland, um Computerkartographie zu lernen. Nach einem fünfmonatigen TEMPUS-Stipendium der Europäischen Kommission an der Universität Gesamthochschule Essen wurde sie Repräsentantin eines ungarischen Geoinformatikunternehmens in Deutschland. Anfang 1998 entschloß sie sich zum Weiterbildungsstudium "Geoinformatik" an der FH Mainz und wechselte in diesem Jahr zum Systemhaus Hemminger in die Marketing-Abteilung. Zu ihrer alltäglichen Arbeit gehört es, Fachartikel zu schreiben und Kundengespräche zu führen. "Dafür muß man natürlich Hintergrundkenntnisse haben und sich in der Terminologie auskennen," meint

Kiss. Besonders wichtig seien die bereits erworbenen Kenntnisse über Geographische Informations Systeme (GIS) und ein allgemeiner Überblick über den Markt. Da aber Programmierungsingenieure gern eine andere Fachsprache als die übliche benützen würden, komme es in Marketing und Vertrieb schnell zu Verwirrungen. Um so wichtiger ist es für Kiss zu wissen, worüber sie in Verkaufsgesprächen redet. Profitieren kann die Kartographin vom persönlichen Kontakt zu den Kursteilnehmern, da sie über Probleme in ihren unterschiedlichen Berufen diskutieren und gemeinsam Lösungen suchen können.

Fachhochschule Nordostniedersachsen: Angewandte Informatik im Bauwesen

"Für eine Fortbildung, die ich jüngst als Dozent leitete, konnte ich mir die aktuellen Informationen zu technischen Problemen des Vermessungswesens direkt aus dem Internet holen. Das ist außerordentlich hilfreich," erklärt Hansjürgen Wolf, selbständiger Vermessungsingenieur, wie er das Weiterbildungsangebot der FH Nordostniedersachsen nutzt. An Ingenieure und Naturwissenschaftler, die in Bau, Wasserbau, Agrarwirtschaft oder Landschaftsplanung tätig sind, wendet sich das berufsbegleitende Fernstudium. Die Lehrinhalte des fünfsemestrigen Studiums sind Prozeßsimulation, Geographische Informationssysteme, Fernerkundungs-, Kommunikations- und Visualisierungssysteme.

Kursunterlagen und Übungsaufgaben können via Internet abgerufen werden. Während der Präsenzphasen an Wochenenden wird der Umgang mit aufwendigen Programmen trainiert, wie Grundwassersimulation oder der Aufbau eines Intranets. Das Studium ist als berufsbezogene Ergänzung und Vertiefung von Fachkenntnissen im Bereich der Angewandten Informatik konzipiert. So wurde das Curriculum auch in Absprache mit Berufsverbänden und ehemaligen Studierenden entwickelt.

Die Bausteine des Weiterbildungsangebots dauern zwölf Wochen, sind modular aufgebaut und können einzeln, gegen Teilnahmebescheinigung oder als Gesamtstudium, absolviert werden. Dieses kann mit dem international anerkannten Master of Science abgeschlossen werden. Semesterbeginn ist jeweils im April und Oktober. Für jeden Kurs wird eine Studiengebühr von 500 Mark pro Semester erhoben.

Kontakt: FH Nordostniedersachsen, Telefon: 05 826/988-321, E-Mail: sabine-maurer@fbbbwu. fh-lueneburg.de, Internet: www.fbbwu.fh-lueneburg. de/wbbau/

*Veronika Renkes ist freie Journalistin in Bonn.