Warum gute Verträge aufwändig sind

06.02.2008
Von David Niepenberg
Große Serviceprojekte scheitern meist nicht an fachlichen Anforderungen, sondern an mangelhaftem Kontrakt-Management.

Aus Zeitdruck oder aus Mangel an entsprechenden Kenntnissen verzichten nicht wenige Auftraggeber darauf, Outsourcing-Verträge selbst zu erstellen, und übernehmen stattdessen die Formulierungen und Leistungsscheine des IT-Dienstleisters. Das mag auf den ersten Blick bequemer sein. Im Projektverlauf hat es allerdings gravierende Nachteile. So enthalten die Vorlagen des Providers oft einseitige Formulierungen, die ihn begünstigen und die Position des Auftraggebers schwächen. Unerwünschte Klauseln sind meist schwer zu erkennen und müssen später mühsam entfernt werden. Problematisch ist vor allem, wenn der Auftraggeber seine Forderungen erst in den Verhandlungen stellen kann, sie dort aber unpräzise formuliert. Im Extremfall stellt sich dann sogar heraus, dass der potenzielle Auftragnehmer die gewünschten Leistungen gar nicht erbringen kann. Firmen, die dem Provider einen eigenen Rahmenvertrag und Leistungsscheine vorgeben, befinden sich daher in einer wesentlich besseren Ausgangsposition.

Hier lesen Sie …

welche Aufgaben das Vertrags-Management beinhaltet;

warum der Auftraggeber den Vertrag selbst erstellen muss;

auf welche inhaltlichen Aspekte es dabei ankommt;

bei welchen Verhandlungstaktiken Vorsicht geboten ist.

Klare Spielregeln einführen

Um schon während der Startphase die richtigen Weichen zu stellen, kommt es vor allem auf zwei Dinge an: Beide Parteien müssen die Rahmenbedingungen festlegen und anschließend sicherstellen, dass die vereinbarten Leistungen auch erbracht werden. Ein Auftraggeber, der ein fundiertes Vertrags-Management etabliert hat, ist dabei klar im Vorteil. Allerdings ist der Aufwand nicht zu unterschätzen.

Basis für einen guten Vertrag sind eindeutig definierte und realistische Ziele. Es klingt zwar verlockend, eine IT-Abteilung mit massiven Schwierigkeiten an einen externen Anbieter auszulagern. Doch die Hoffnung, dass man mit der IT auch deren Probleme los ist, ist trügerisch. Meistens wird es teurer. Die IT-Abteilung muss ihre Probleme selbst in den Griff bekommen, wobei ihr externe Dienstleister aber behilflich sein können.

Auch unternehmensinterne Interessenkonflikte können den Erfolg von Projekten gefährden, wenn die Ziele nicht klar kommuniziert werden. So ist es schon vorgekommen, dass die verhandlungsführende Fachabteilung - etwa der Einkauf - ohne Rücksprache mit den Projektverantwortlichen bestimmte Leistungen gestrichen hat. Später stellte sich heraus, dass diese für andere Fachabteilungen unentbehrlich waren. Solche Vorfälle lassen sich verhindern, wenn alle Betroffenen vor den Verhandlungen gemeinsame Ziele formulieren und festlegen, welche Services unerlässlich und wo gegebenenfalls Kompromisse möglich sind.

Vertrags-Management nach Phasen

Um auch in komplexen Vorhaben den Überblick zu behalten, ist es hilfreich, das Vertrags-Management nach Projektphasen zu unterteilen Teilweise bauen die Aufgaben aber aufeinander auf. Daher sollten die einzelnen Themen zusätzlich im Gesamtzusammenhang betrachtet werden.

  • Die erste Phase beinhaltet die Vorbereitung, die Vertragsgestaltung, die Auswahl des Providers sowie die anschließenden Verhandlungen. Sie hat einen maßgeblichen Einfluss auf das Projektergebnis.

  • Die zweite Phase umfasst alle Aspekte des Vertrags-Managements zwischen der Unterzeichnung und der Beendigung beziehungsweise Neuverhandlung des Projekts. Das Hauptaugenmerk liegt hier auf der Sicherstellung der vereinbarten Leistungen. Wenn in Phase eins Fehler gemacht wurden, machen sie sich jetzt bemerkbar.

  • In der dritten Phase geht es um die Anpassung, Erneuerung beziehungsweise Beendigung des Projekts.

Worauf Sie achten sollten

  • Erstellen Sie den Vertrag selbst.

  • Formulieren Sie realistische Projektziele.

  • Leiten Sie daraus klare Anforderungen an den Provider ab.

  • Sorgen Sie dafür, dass sich der Vertrag an Veränderungen anpassen lässt.

  • Legen Sie schon bei der Ausschreibung die Verantwortlichkeiten fest.

  • Lassen Sie sich nicht auf zeitlich begrenzte "Sonderangebote" ein.

Der Erfolg umfangreicher Projekte hängt auch davon ab, wie flexibel der Vertrag gestaltet ist. Niemand weiß, ob und wie sich in drei Jahren der Geschäftsbedarf oder jeweilige Markt verändert. Bestimmte Services können dann komplett überflüssig sein, während andere, nicht vereinbarte Leistungen benötigt werden. Auch nicht mehr marktgerechte Preise sollten sich nach der Unterzeichnung noch angleichen lassen. Idealerweise gibt es Verantwortliche, die den Vertrag in regelmäßigen Abständen nach nicht benötigten Leistungen durchforsten.

Außerdem sollten die vertraglichen Kündigungsfristen und Verlängerungsoptionen detailliert festgelegt werden. Der Vertrag sollte auch eine Klausel über eine vorzeitige Auflösung der Zusammenarbeit enthalten - etwa wenn Nachverhandlungen zu keiner Einigung führen oder wenn Leistungen zum wiederholten Male nicht erbracht wurden. Wichtig sind Vereinbarungen, die eine ordnungsgemäße Übergabe und klare Rückführungsbestimmungen beinhalten.

Ausschreibung und Auswahl

Neben den technischen Anforderungen sollte der Auftraggeber solche grundsätzlichen Vertragsgegenstände schon bei der Ausschreibung kommunizieren. Dann fällt die Wahl des Providers leichter, und die Verhandlungen ziehen sich nicht in die Länge. Das Gleiche gilt für die Verteilung der Projektsteuerungsaufgaben sowie für die Projektkommunikation - etwa die Teilnahme an Projektleitersitzungen und die Benennung eines internen Gremiums, das die Aufgaben des Change-Managements koordiniert. Wichtig sind zudem eindeutige Eskalationsstufen inklusive Ansprechpartner sowie die Klärung der Mitbestimmung bei der Auswahl und dem Austausch von Schlüsselpersonen. Im Sinne einer vertrauensvollen Zusammenarbeit müssen alle Verantwortlichen Zugang zu den vertragsrelevanten Informationen erhalten. Bei wettbewerbsrelevanten Themen sollte der Vertrag zudem Richtlinien zur Herausgabe von Unterlagen, zu Daten und zu Urheberrechten an Arbeitsergebnissen enthalten.

Vorsicht vor Sonderkonditionen

Auch auf die anschließenden Verhandlungen sollte sich der Auftraggeber gut vorbereiten. Vorsicht ist vor allem bei bestimmten Verhandlungstaktiken des Dienstleisters geboten. Eine beliebte Methode besteht zum Beispiel darin, ein Angebot als besonders preisgünstig darzustellen und zu behaupten, es sei zeitlich begrenzt. Auf diese Weise soll der Auftraggeber dazu verleitet werden, den Konditionen innerhalb weniger Tage zuzustimmen, so dass ihm keine Zeit mehr bleibt, die genannten Preise mit den Marktpreisen zu vergleichen. Auch auf Geheimhaltungsvereinbarungen, die dem Verhandlungspartner besondere Zugeständnisse suggerieren, sollte sich kein Auftraggeber einlassen.

Mehr zum Thema

www.computerwoche.de/

1853873: Provider und Verträge verwalten;

1849758: IT-Ausschreibungen;

1220772: Warum Verträge scheitern;

536921: Vertrags-Management.

Benchmarks früh festlegen

Benchmarks geben dem Auftraggeber eine starke Waffe in die Hand. Vor allem sind sie eine Argumentationsgrundlage für marktgerechte Preise. Grundsätzlich sind Benchmarks für das Vertrags-Management hilfreich. Allerdings lohnen sie nur bei lang laufenden Verträgen, da ihre Konzeption aufwändig ist. So muss sichergestellt werden, dass die Angebote vergleichbar sind, dass sie vertraulich behandelt werden und keine Dumping-Offerten zustande kommen. Und: Werden Benchmarks nicht als Teil des Vertrags, sondern erst im laufenden Projekt eingeführt, fördern sie nicht gerade das Vertrauen. Wenn das Verhältnis zwischen Auftraggeber und Dienstleister bereits zerrüttet ist, hilft auch kein Benchmarking weiter. (sp)