7 Tipps zur ERP-Konsolidierung

Warum ERP-Projekte scheitern

04.02.2013
Von 
Werner Kurzlechner lebt als freier Journalist in Berlin und beschäftigt sich mit Rechtsurteilen, die Einfluss auf die tägliche Arbeit von Finanzentscheidern nehmen. Als Wirtschaftshistoriker ist er auch für Fachmagazine und Tageszeitungen jenseits der IT-Welt tätig.
Nicht mangelhafte Software, sondern schlechte Beratung ist der häufigste Grund für ein Scheitern von ERP-Projekten. Das zeigt eine Studie von Godesys. Die Berater von Actinium geben Tipps, wie man das ERP besser in den Griff bekommt.
Nicht gut beraten: die Gründe für ein Scheitern von ERP-Projekten in der Übersicht.
Nicht gut beraten: die Gründe für ein Scheitern von ERP-Projekten in der Übersicht.
Foto: Godesys

62 Prozent der Anwender sind unzufrieden mit ihrer Beratung beim Enterprise Resource Planning (ERP). Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Mainzer ERP-Anbieter Godesys unter rund 150 Firmen. Im Durchschnitt verteilten die Befragten an ihre ERP-Dienstleister ein gute Drei. Alles in allem also ein mittelprächtiges Ergebnis. Die Berater von Actinium machen einen ersten Schritt zur Besserung und geben den Anwendern kostenfrei sieben Tipps zur ERP-Konsolidierung.

In der Godesys-Studie zeigen sich die Befragten besonders unzufrieden mit der Abnahme der installierten Software. Die Durchschnittsnote von 2,95 weicht hier am stärksten von Gesamtmittelwert 2,78 ab. Einiges zu monieren haben die Anwender auch an Datenübernahme und Migrationsplanung, Analyse und Optimierung der Betriebsabläufe sowie an Systemüberwachung und Leistungsüberprüfung. Besser schneiden die ERP-Berater hinsichtlich Ausschreibungen und Lastenhefterstellung ab.

Falsche Beratung

38 Prozent der Befragten machen falsche Beratung für das Scheitern von ERP-Projekten verantwortlich. 30 Prozent geben schlechtem Projektmanagement die Schuld, jeweils 16 Prozent mangelhafter Software oder einem oberflächlichen Lastenheft. Die Consultants rufen also offenkundig den stärksten Verdruss hervor.

„Es ist alarmierend, dass derart viele Befragte mit ihrer ERP-Lösung unzufrieden sind, dies aber nicht der Software an sich anlasten“, kommentiert Godelef Kühl, Gründer und Vorstandsvorsitzender der Godesys AG. „Dies zeigt den enormen Optimierungsbedarf auf Seiten der ERP-Auswahlberater.“

Eigennutz dürfe nicht das Ziel der Berater sein, so Kühl weiter. „ERP-Berater sollten sich nicht nur mit der Software auseinander setzen, sondern auch mit dem Unternehmen, seinen betriebswirtschaftlichen Merkmalen und den daraus resultierenden individuellen Anforderungen an die ERP-Software“, nimmt er die Consultants in die Pflicht. „In puncto ERP-Beratung ist blindes Vertrauen daher absolut fehl am Platz.“

7 Ratschläge zur ERP-Konsolidierung

Laut Godesys-Umfrage erwarten Anwender von ERP-Dienstleistern vor allem fundiertere Fachkenntnisse, verbesserte organisatorische Fähigkeiten sowie umfangreiche Branchenkenntnisse. Zur ERP-Konsolidierung hat Actinium Consulting folgende Tipps zusammengestellt:

1. Mit Wirkungsanalysen der unterschiedlichen ERP-Systeme beginnen: Jede Software habe ihr eigenes Leistungsprofil, das sich nicht über allgemeine Bewertungen ermitteln lässt, so die Berater. Nicht selten erfolge die Bearbeitung der Betriebsaufträge mit ebenso vielen Medienbrüchen und Liegezeiten, Doppelarbeiten, unvollständiger Information und Fehleranfälligkeit wie in der Ausgangssituation vor der Einführung des ERP-Systems.

2. Klare Konsolidierungskriterien entwickeln: „Eine Verschlankung der Software-Infrastruktur kann nur Erfolg haben, wenn sie einer pragmatische Zielvorstellung folgt“, weiß Actinium. Dazu gehöre insbesondere auch die Klärung der Kriterien, nach den verzichtbare Applikationen ausgewählt werden. Eine praktikable Hilfestellung biete eine Matrix, in der Parameter wie beispielsweise die jeweilige Nutzenqualität, Betriebs- und Supportkosten, der Modernitätsgrad und die Bedingungen der Weiterentwicklung und die Integrationsfähigkeit enthalten sind.

3. Einen höheren Standardisierungsgrad zum Kernziel machen: Die dezentrale Selbständigkeit habe in der Vergangenheit vielfach dazu geführt, dass in den verschiedenen Lokationen von Unternehmen eine jeweils verschiedene Softwarepolitik verfolgt wurde. „Auch der Best-of-breed-Ansatz hat vielfach zu einer sehr heterogenen Software-Landschaft beigetragen“, so Actinium.

Doch so verlockend dieser Ansatz auch ist, so aufwändig sei er bei der Administration und Fortentwicklung der von zahlreichen Herstellerprodukten geprägten Software-Landschaft. „Die für den praktischen Nutzen häufig nur geringfügigen funktionalen Unterschiede rechtfertigen es aus wirtschaftlicher Sicht im Regelfall nicht, eine zu ausgedehnte Koexistenz an ERP-Softwareprodukten in Betrieb zu halten“, urteilen die Berater. Deshalb sollte zu den zentralen Zielen einer Konsolidierung immer auch eine stärkere Standardisierung zählen.

Prozess analysieren

4. Vorsicht vor einem Projektstart ohne ausreichendes Repository: Eine Veränderung der Software-Konsolidierung sei keine statische Angelegenheit, sondern begleite ein Unternehmen fortlaufend. Dies verlange ein Repository mit Darstellung der gesamten Software einschließlich ihrer Release- und Implementierungsspezifika sowie gegenseitigen Abhängigkeiten. „Im Rahmen einer Konsolidierungsstrategie wird diese Notwendigkeit umso größer, wenn die Übersicht nicht verloren gehen soll“, so Actinium.

Überdies raten die Berater zu einer kontinuierlichen und differenzierten Datenpflege. Sofern noch nicht vorhanden, müsse deshalb zu Beginn des Projekts ein Repository aufgebaut werden. Excel-Listen könnten einem solchen Anspruch im Regelfall nicht gerecht werden.

5. Software-orientierte Prozessanalyse durchführen: Erst die Analyse der Verknüpfungen von Anwendungen und Prozessen mache präzise Aussagen darüber möglich, welche funktionalen Auswirkungen ein Verzicht auf bestimmte Applikationen für die betreffenden Business-Prozesse hat. Ebenso leite sich daraus die konkrete Anforderung ab, nach Lösungsalternativen zu suchen, wenn im Zuge der Konsolidierung einzelne Geschäftsprozesse keine ausreichende Softwareunterstützung mehr erlangen.

6. Den Konsolidierungsprozess intelligent strukturieren: Jede Veränderung der ERP-Landschaft spüren die Benutzer und strapaziert deren Akzeptanz, allein schon deshalb sind überdimensionierte Schritte zu vermeiden. So sollte eine Roadmap mit ausreichender Differenzierungstiefe angelegt werden, die den Ablösungsprozess definierter Applikationen in seiner methodischen Vorgehensstruktur genau beschreibt und gleichzeitig die Kontinuität in der Unterstützung der Geschäftsprozesse gewährleistet.

Hierbei stellt das Projektmanagement ein außerordentlich erfolgskritisches Element dar. Es muss sich aufgrund der komplexen Anforderungen durch eine hohe konzeptionelle Qualität und prozessfachliche Kompetenz charakterisieren.

Widerstände bei Change Management

7. Das Change-Management nicht vergessen: Die mit einer ERP-Konsolidierung einher gehenden Veränderungen müssen insbesondere auch von den Mitarbeitern konstruktiv mitgetragen werden, die vorher in der Systemverantwortung für die abzulösenden Anwendungen standen. Dafür ist es nicht nur notwendig, eine kontinuierlich hohe Transparenz der Ziele und Projektmethodik zu schaffen, sondern deren Können und Erfahrungen aktiv einzubeziehen.

Zum Change-Management gehört aber auch unbedingt, die zu erwartenden Widerstände aufgrund einer möglicherweise begrenzten Veränderungsbereitschaft als Projektrisiken zu ermitteln und dafür Lösungsszenarien zu entwickeln. (CIO/ph)