Webseite neu gestalten

Warum ein Relaunch nicht immer die Lösung ist

18.01.2016
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Der Diplom-Ökonom Simon Loebel berät seit über 17 Jahren Unternehmen bei den strategischen Herausforderungen der digitalen Transformation. Die Kombination aus Kreativität, Geschäftszielen und Technologie ist ihm dabei ein besonderes Anliegen. Der gebürtige Münchner ist Gründungsmitglied und seit 2014 Chief Operating Officer (COO) der UDG United Digital Group.
Zu wenige Besucher auf der Webseite? Die Anzahl der Verkäufe sollte besser sein? In solchen Fällen wird schnell der Ruf nach einem Relaunch laut. Doch Vorsicht: Nicht alle Probleme lassen sich mit einer Neugestaltung beheben.

Das Marketing wünscht sich ein ansprechendes Design, der CEO freut sich schon auf ausgesuchte Funktionen und die IT hat sich schon insgeheim auf ein System festgelegt. So ähnlich ist oft die Ausgangslage, wenn in Unternehmen über einen Relaunch nachgedacht wird. Dabei sollte eigentlich eine ganz andere Frage im Vordergrund stehen: Welche Ziele sollen erreicht werden?

Bevor über die Optik entschieden wird, muss das Ziel des Relaunchs definiert werden.
Bevor über die Optik entschieden wird, muss das Ziel des Relaunchs definiert werden.
Foto: Rawpixel.com - shutterstock.com

Die Gründe, aus denen Firmen einen Relaunch ihrer Internetpräsenz ins Auge fassen, lassen sich grundlegend in zwei Bereiche aufteilen:

  1. Traffic: Zu wenig für die Marke relevante Nutzer einer bestimmten Zielgruppe besuchen die Webseite.

  2. Conversion: Zu wenige Besucher führen eine gewünschte Handlung durch. Diese kann je nach Zielsetzung der Webseite ein Kauf, eine Newsletterbestellung oder der Download eines Dokuments sein.

Diese beiden Motive treffen nicht nur auf E-Commerce zu, sondern zum Beispiel auch auf Informations- und Serviceangebote. Wenn Kunden die Hotline anrufen statt ihre Anfragen online im Self-Service zu lösen, stellt dies ein Traffic-Problem dar. Können sie ihr Anliegen online nicht lösen und wenden sich dann an das Callcenter, liegt die Herausforderung im Bereich Conversion.

Traffic

Findet ein Unternehmen heraus, dass die Herausforderungen der Webseite durch Quantität oder Qualität des Traffics entstehen, ist es eher unwahrscheinlich, dass ein Relaunch Besserung verspricht. Eine Ausnahme könnte jedoch darin bestehen, dass die aktuelle Webseite nicht die Möglichkeit bietet, relevante Inhalte zu platzieren.

In den meisten anderen Fällen ist es erfolgversprechender, nicht nur die eigene Plattform in Frage zu stellen, sondern auch die Quantität und Qualität des Traffics zu analysieren und zu optimieren. Dabei müssen die einzelnen Kanäle wie Suchmaschinenoptimierung (SEO), Suchmaschinenwerbung (SEA), Displaywerbung, Social Media und eventuell Affiliate Marketing nicht nur exzellent, sondern exzellent aufeinander abgestimmt betrieben werden.

Conversions

Liegt das Problem in der Conversion, müssen im nächsten Schritt die einzelnen Dimensionen der bestehenden Webseite untersucht werden:

  • Content: Sind die Inhalte für die Zielgruppe interessant und attraktiv aufbereitet?

  • User Interface: Ist der Internetauftritt nutzerfreundlich und intuitiv zu bedienen?

  • Brand Experience: Ist das Markenerlebnis der Webseite herausragend und konsistent zur Markenführung an anderen Touchpoints - online wie offline?

  • Prozesse auf Webseite und Backend: Sind die Prozesse exzellent aufgesetzt und orchestriert?

Die technische Lösung spielt dabei eine nachrangige Rolle - die Prozesse definieren die Anforderungen, die dann zur Auswahl des Systems führen.

Erst wenn feststeht, in welchem Bereich Optimierungsbedarf besteht, kann die Entscheidung fallen, ob ein Relaunch der passende Weg ist. Bei einer Webseite, die mit Design und Content erfolgreich ist, jedoch viel manuellen Aufwand beim Einpflegen der Inhalte erfordert, kann es zum Beispiel genügen, nur das Content-Management-System zu tauschen, Optik und Inhalte jedoch unverändert zu lassen. Die Verbesserung des User Interface und/oder des Markenerlebnisses erfordert oft jedoch einen Relaunch, ebenso eine Optimierung der Prozesse.

Es gibt allerdings auch Faktoren, die die Conversion Rate beeinflussen, jedoch von der Gestaltung der Webseite unabhängig sind. Dazu zählen die Preisgestaltung sowie die Produktverfügbarkeit.

Wann ein Relaunch Pflicht ist

Abwägen ist jedoch nicht immer geboten - es gibt auch Fälle, in denen ein Relaunch unvermeidbar ist. Dazu zählen:

  1. Optimierung für Mobile fehlt
    Da immer mehr Nutzer mobil im Netz unterwegs sind, müssen alle Inhalte und Funktionen auch auf Smartphones und Tablets zur Verfügung stehen. Ob dieses Ziel durch Responsive Webdesign oder eine mobile Seite erreicht wird, ist zweitrangig.

  2. Content-Eingabe zu aufwändig
    Gute Inhalte zu erstellen kostet viel Zeit. Deshalb sollte das Einpflegen der Inhalte ins Content-Management-System möglichst wenig Aufwand forden.

  3. Brand Experience nicht kanalübergreifend
    Die Brand Experience auf der Webseite fällt gegen Markenerlebnis an anderen Touchpoints ab und ist deshalb nicht einheitlich.

Jeder dieser drei Gründe rechtfertigt einen Relaunch, treffen sogar zwei oder alle drei zu, ist schnelles Handeln angesagt. (bw)