Kolumne

"Warten auf Walldorf"

07.11.1997

SAP-Kunden brauchen nicht nur Geld, sondern auch Geduld. Wer auf die R/3-Module für Produktionsplanung und -steuerung oder für den Handel warten mußte oder auf bestimmte Branchenerweiterungen von SAP-Partnern angewiesen ist, weiß, wovon die Rede ist. Der funktionale Ausbau des Systems, vor allem aber die Integration neuer Bausteine verlangt Zeit - mitunter mehr, als die Kunden haben.

Auf dem Anwenderspektakel Sapphire ´97 in Orlando kündigte das Softwarehaus das Modul "Advanced Planner and Optimizer" (APO) an - für Mitte 1998. Es dient der Verbesserung des Material- und Warenflusses innerhalb und zwischen Unternehmen. Um die Anwenderwünsche nach einer Lösung für das Management von Zulieferketten schneller befriedigen zu können, hätten die Walldorfer gern ein Fremdprodukt integriert - etwa das von i2 Technologies. Ein SAP-Manager räumte jedoch ein, daß man in diesem Fall keine Garantie für einen konsistenten Datenaustausch zwischen beiden Welten geben könnte. Daß dieses Problem kein Einzelfall ist, zeigt das Beispiel Kunden-Management: Anwender interessieren sich weltweit für Systeme zur Vertriebs- und Absatzplanung. Baan kaufte den Spezialisten Aurum, Peoplesoft kooperiert mit der Softwareschmiede Vantive, Oracle stellt ein eigenes, allerdings noch wenig ausgereiftes Modul für Sales Force Automation vor. Von SAP hörten wir bisher nichts - außer Gemurmel über eine größere Ankündigung, die in den nächsten Monaten ins Haus stehe.

Der unumstrittene Vorteil des SAP-Systems, die tiefe Integration, hat eine ebenso unumstrittene Schattenseite, die vor allem von schnell reagierenden, flexiblen Unternehmen schmerzlich wahrgenommen wird. Trotz prall gefüllter Kassen sind die Softwerker dazu verurteilt, nahezu jedes fehlende Softwareprodukt selbst zu entwickeln - obwohl der Markt genügend Alternativen bereithielte.

Vor diesem Hintergrund klingen die lautstarken Bekenntnisse zur Framework-Architektur, zu Schnittstellen-Entwicklungen (Business APIs) und zu Standardisierungs-Organisationen wie der Open Application Group (OAG) wie substanzlose Marketing-Aussagen. "Time to market" ist das Problem der SAP - man darf gespannt sein, wie lange die Kunden auf Walldorf warten.