Warten auf IBMs XA: Kein Problem für die Steckerkompatiblen?

13.08.1982

Für die Plug Compatible Manufacturers kam nach eigenen Aussagen die Ankündigung der "Erweiterten Architektur" (370-XA) durch den Marktführer nicht überraschend. Schließlich seien bereits in der Vergangenheit bei einigen IBM-Großsystemen architekturbedingte Einsatzgrenzen sichtbar geworden. Und noch immer habe man Alternativen anbieten können. Gegen die Unterstellung, sie könnten IBM-Kompatibilität jetzt nicht mehr gewährleisten, wehren sich die PCMs energisch. Gelassen sieht PCM-Vertreiber BASF der Erweiterten Architektur entgegen. Spekuliert Klaus O. Hoffmann: "Dahinter stecken für den Anwender ein vermutlich in Jahren zu messender Aufwand der Umstellung und zusätzliche Kosten, die in den meisten EDV-Budgets nicht ohne weiteres unterzubringen sind."

IBM Deutschland GmbH

Stuttgart

Der Einsatz der neuen Architekturerweiterungen bei Kunden, die bisher in eingeschränkter Systemumgebung gearbeitet haben (zum Beispiel Größe des benötigten virtuellen Speichers und Anzahl anschließbarer E/A-Einheiten), kann zu größerer Leistungsfähigkeit und damit zu höherem Systemdurchsatz führen. Vorausgesetzt, daß der für MVS/SP Version 2 (MVS/XA) benötigte zusätzliche Realspeicher zur Verfügung steht.

Warum wird 370-XA eingesetzt werden?

Systemarchitekturen haben Einsatzgrenzen. Diese werden bestimmt durch zentrale Systemparameter wie Anzahl und Leistung der Prozessoren, Realspeichergröße, Größe des virtuellen Speichers, Anzahl der Kanäle, Umfang an Peripherie und Anzahl der im Verbund operierenden Systeme. Für die /370-Architektur bestehen solche Architekturgrenzen bei zwei Prozessoren 32 MB Realspeicher, 16 MB virtuellem Speicher, 16 Kanälen pro Prozessor und etwa 1500 Peripheriegeräten. 370-XA erweitert diese Grenzen auf zwei Gigabytes (GB) Realspeicher, zwei GB virtuellen Speicher, 256 Kanäle je System und zirka 65 000 Peripheriegeräte.

Die Realisierung innerhalb des neuen Entwicklungsrahmens orientiert sich an den praktischen Notwendigkeiten. Deshalb sind zum Beispiel beim Prozessorkomplex IBM 3081 K zwei Prozessoren, zwei GB virtueller Speicher, 32 MB Realspeicher, 24 Kanäle und der Anschluß von bis zu 4080 Peripheriegeräten verfügbar.

Wann kann und sollte eine Migration nach 370/XA vollzogen werden?

Die allgemeine Verfügbarkeit von MVS/XA ist für April 1983 geplant.

370-XA mit MVS/XA ist bereits heute auf internen Produktionssystemen der IBM in USA mit guten Ergebnissen eingesetzt.

Angesichts des sich weiter beschleunigenden Bedarfs an Rechenleistung sowie der raschen Verschiebung von Stapel- zur Online-Verarbeitung sind schon jetzt bei vielen Großsysteminstallationen Beschränkungen durch die /370-Architektur sichtbar. Diese Beschränkungen führen zu geringerer Systemverfügbarkeit, höherer Komplexität und vor allem zu einer Unterbrechung des Anwendungswachstums. Es wird erwartet, daß es ab 1983 bei mehreren hundert Großkunden weltweit notwendig sein wird, MVS/XA zu implementieren, und zwar beginend bald nach allgemeiner Verfügbarkeit. Der Bedarf für 370-XA vor allem aus der Notwendigkeit, für die laufenden Anwendungen zusätzlich virtuellen Speicher zu haben. Zusätzlicher virtueller Speicher wird sofort verfügbar durch Verlagerung von Instruktionen und Kontrollblöcken aus IBM-Programmen in den Bereich oberhalb der gegenwärtigen 16-MB-Grenze. Von dieser Basis aus werden MVS-XA-Benutzer in der Lage sein, durch weitergehende Ausnutzung der neuen Architektur durch IBM-Programmprodukte leichter zu wachsen.

Wie hoch sind Migratonsaufwand und -kosten?

Der Aufwand einer Migration von MVS/SP Version 1.3 nach MVS/SP Version 2 wird dem einer großen Release-Umstellung entsprechen, und zwar aus zwei wesentlichen Gründen:

1. Der notwendige Benutzeraufwand wird minimiert, weil die Anwendungen (zum Beispiel Programmbibliotheken Jobkontroll-Sprache, Datenformate) auf Benutzer-Schnittstellenebene kompatibel bleiben.

2. Die gegenwärtigen IBM-Subsysteme können bei Einsatz von MVS/SP 1.3 (/370-Architektur) in Versionen benutzt werden, die unverändert auf MVS-XA übernommen werden können (Positionierung). Diese vorbereitende Arbeit wird gegenwärtig bei vielen IBM-Installationen als Teil der normalen evolutionären Weiterentwicklung der Subsysteme durchgeführt.

Hardware-Umbaukosten bei IBM 3081 und IBM 3083 entstehen nicht. An Softwarekosten sind außer einer Einmalgebühr von 35 100 Mark beziehungsweise 39 490 Mark die monatlichen Lizenzgebühren für MVS/SP Version 2 in Höhe von 11 700 Mark (MVS/SP-JES2) beziehungsweise 13 160 Mark (MVS/SP-JES9) sowie Gebühren für die von MVS/SP Version 2 unterstützten Lizenzprogramme zu entrichten.

Wachstum in einem nicht mehr ausreichenden /370-Architekturrahmen kann nur durch erhöhten Aufwand für Systemprogrammierung und Anwendungsentwicklung realisiert werden. Dies kann durch Einführung von 370-XA vermieden werden.

370-XA, das die Systemgrenzen von Großsystemen um ein Vielfaches erweitert, beim virtuellen Speicher beispielsweise um den Faktor 128, bietet den Großkunden den Wachstumsrahmen für die 80er Jahre.

Dave Garswood

Leiter Systemunterstützung, National Advanced Systems, Frankfurt

Bekannt ist seit einiger Zeit, daß alle größeren Mainframes, Größenklasse IBM 3032 aufwärts, besonders im Online-Betrieb nicht immer die erwartete und bezahlte Leistung bringen. Mal scheint man nur 80 Prozent der vorausgesehenen Performance-Verbesserung eines neuen Rechners zu bekommen, manchmal nur 70 Prozent oder gar 60 Prozent. Wenn bei einem Kunden eine Rate von 12 Mips gemessen wird und bei einem anderen Kunden mit der gleichen Maschine nur eine Rate von 10 Mips erreicht werden kann, so entspricht diese Differenz einer Leistung von ungefähr einer IBM 3033S. Die Ursache dafür liegt zum Teil an unserer heutigen Technologie, wohl zum größten Teil an der /370-Architektur. Seit der Ankündigung der Serie /360 in 1964 sind erhebliche Leistungssteigerungen im CPU-Bereich vorgenommen worden, ohne die Hauptspeichergeschwindigkeit wesentlich zu verbessern. Man wurde also gezwungen, andere Maßnahmen zu ergreifen, um den effektiven Durchsatz des Hauptspeichers zu erhöhen, wie zum Beispiel Hochgeschwindigkeits-Pufferspeicher oder Pipeline-Techniken. Diese Maßnahmen funktionieren nur bei einem ununterbrochenen Instruktionsfluß, also keine Verzweigung oder Unterbrechung. Studien haben aber gezeigt, daß 20 Prozent aller Instruktionen in heutigen Online-Systemen eine Verzweigung darstellen. Für solche Systeme ist MVS/SP das am meisten verwendete Betriebssystem und, gegeben durch die System /370-Architektur, wird der Ablauf von MVS/SP sowie allen /370-Betriebssystemen ausschließlich von Unterbrechungen geregelt. Dieses läßt ganz deutlich die Grenzen, an die wir bereits stoßen, erkennen - was nun?

Die Antwort ist jetzt gegeben und heißt Extended Architecture. Neben Vergrößerungen des Adreßraumes, Erweiterung der Kanalanzahl und Vergrößerung des Hauptspeichers sind gravierende Änderungen in der Architektur vorgenommen worden. Der größte Teil der MVS/SP E/A Funktion wird jetzt von dem External Data Controller übernommen. Dies bedeutet nicht nur eine Entlastung der CPU beim Starten eines E/A-Vorganges, sondern auch durch die neue CPU-Kanalunabhängigkeit

(Floating Channels) eine bessere Kontrolle von E/A-Unterbrechungen. Auch innerhalb der CPU werden Performancereduzierende Unterbrechungen vermieden, indem viele SVC-Instruktionen durch Cross-Memory-Funktionen ersetzt werden. Theoretisch könnten fast alle SVC-Schnittstellen auf längere Sicht entfallen.

Das wir bei NAS heute in der Lage sind, unseren AS/9060- und AS/9080-Kunden eine fortlaufende IBM-Kompatibilität, auch für MVS/XA, zu gewährleisten, verdanken wir unserer langjährigen Mikrocode-Erfahrung und der durchdachten Bauweise unserer CPUs. In unserem Testzentrum in Mountain View (California) werden die ersten NAS XA-fähigen Großrechnersysteme der Serie AS/90xx erprobt.

Dr. Horst-Peter Rother

Support Manager, Amdahl Deutschland GmbH, München

Die interne Verarbeitungsgeschwindigkeit der Großrechner ist in letzter Zeit dramatisch gestiegen. Ein starker Motor braucht jedoch auch ein entsprechendes Fahrwerk.

Bereits in der Vergangenheit mußten die Schnittstellen Software - Prozessor - Peripherie mehrfach an die Entwicklung angepaßt werden (MVS/SE, Datastreaming, erweiterte Adressierung). Alle diese Architekturerweiterungen dienten zur Beseitigung, gegenwärtiger Engpässe, waren technisch notwendig und damit vorhersehbar.

Bereits heute sind bei vielen Großsystemen neue Engpässe der Systemarchitektur sichtbar geworden. Ohne Aufhebung der realen und virtuellen Speichergrenzen und mehr Parallelverarbeitung im I/O-Bereich wäre eine weitere Steigerung der Prozessorleistung sinnlos.

Daher kam MVS/XA für uns in keiner Weise überraschend. Die Amdahl-Systeme 470 und 580 sind vom Design her besonders auf zu erwartende Entwicklungen ausgelegt. Ob die Kompatibilität hierbei durch Hardware, Microcode oder Macrocode gewahrt wird, ist für den Kunden bedeutungslos. Wesentliche Funktionen von MVS/XA, wie zum Beispiel die 31-Bit-Adressierung und bimodale Operationen, sind sogar seit 1975 in allen Amdahl-Systemen vorhanden und müssen nur noch an die endgültigen Spezifikationen angepaßt werden. Andere, mit MVS/XA noch nicht angekündigte Funktionen, wie Channel DAT, sind auch bereits implementiert.

So wie die Amdahl-Systeme bisher mit allen Entwicklungsstufen der Systemarchitektur Schritt gehalten haben, werden sie auch die Funktionen von MVS/XA unterstützen, wozu wir uns mit der Ankündigung der MVS/XA-Kompatibilität der Rechner Amdahl 470 V/7 und V/8 und Amdahl 580 verpflichtet haben.

Klaus O. Hoffmann

Leiter Produkt-Management Hardware, BASF Aktiengesellschaft, Ludwigshafen

Nach unserer Meinung soll die "Erweiterte Architektur" der IBM durch den erweiterten Adreßbereich und die geänderte Kanalarchitektur die heute bestehenden Einschränkungen beseitigen und neue Anwendungen ermöglichen. Durch die 370-Architektur vorgegebene Engpässe können dadurch überwunden werden. Dahinter stecken für den Anwender ein vermutlich in Jahren zu messender Aufwand der Umstellung und zusätzliche Kosten, die in den meisten EDV-Budgets nicht ohne weiteres unterzubringen sind. Aber wir wollen nicht den Eindruck erwecken, als wisse unser Unternehmen exakt, was XA bewirkt und wie es realisiert wird.

Wir erwarten von den neuen Maschinen keine Marktveränderungen, selbst wenn XA bedeuten würde, daß die /360/370-Kompatibilität aufgegeben würde, wie man es vor Jahren beim Übergang auf das sogenannte "Future System" vorausgesagt hatte. Kurzfristig ist der PCM natürlich mit dem Wunsch des Anwenders konfrontiert, ab einem bestimmten Zeitpunkt in den Stand gesetzt zu werden, wie er ihn mit XA haben würde.

Der künftige XA-Anwender ist insbesondere deswegen verunsichert, da die von seinem IBM-Vertriebsbeauftragten gegebenen Informationen keinesfalls ausreichen, Aufwand und Nutzen des Übergangs zu MVS/XA gegeneinander abwägen zu können. Unsere Argumentation ergibt sich aus dem bereits Gesagten.

Den Anwender interessieren die erweiterten Möglichkeiten durch XA, insbesondere die möglichen Leistungsverbesserungen. Wir werden ihm diese zu einem gegebenen Zeitpunkt bieten. Diese Zusage erhält der Anwender von uns.

Ganz gleich, wie umfangreich und weitreichend die Änderungen sein werden: Bis zur ersten Installation wird über XA gesprochen, gemutmaßt interviewt werden, nicht zuletzt in der "COMPUTERWOCHE".