Warten auf den iPhone-Killer

25.02.2008
Vor allem in puncto Design und Benutzerführung hat Apple mit dem iPhone neue Maßstäbe gesetzt. Andere Anbieter von Business-Smartphones reagieren mit modernster Technik in altbekannter Verpackung.

Mit dem iPhone hat Apple die etablierten Handy-Hersteller offensichtlich auf dem falschen Fuß erwischt: Selbst ein Jahr nach der Vorstellung des Kultgeräts fehlt ihnen noch ein probates Gegenmittel im Programm, der Schwerpunkt liegt auf Altbewährtem. Das gilt insbesondere für den Marktführer Nokia, der erst in der zweiten Jahreshälfte Modelle auf Basis der neu entwickelten Symbian-S60-Plattform mit Touch-Interface herauszubringen plant. Nokia wolle zuvor sicherstellen, dass die mehr als 5000 für S60 entwickelten Programme auch problemlos auf den Modellen mit Touchscreen laufen, so die Erklärung von Niklas Savander, Leiter des Bereichs Services und Software. "Wir streben keine Ein-Gerät-Lösung an wie andere Hersteller", fügte Konzernchef Olli-Pekka Kallasvuo hinzu. Nokia wolle stets eine komplette Produktpalette anbieten, auch bei Handys mit Touchscreen.

Leichte Peripherieängste

Ob die künftigen Smartphones dem iPhone den Rang ablaufen können, wird sich zeigen. Generell kann man sagen, dass bereits ab dem Start zahlreiche Applikationen bereitstehen und Nokia neueste Technik einsetzt - einen Verzicht auf mobiles Breitband oder auf eine hoch auflösende Kamera wie beim iPhone wird es wohl kaum geben. Wie die ersten Demos von S60 Touch zeigen, dürften die Finnen in puncto Berührungsempfindlichkeit mit Apple bestenfalls gleichziehen, während sie in Sachen Usability noch etwas Nachhilfe benötigen. So fehlen etwa bekannte iPhone-Features wie das Zoomen von Bildern und Websites mit zwei Fingern. Die in Videos gezeigte virtuelle Tastatur ist außerdem so klein, dass der Nutzer zur Eingabe einen Stift benötigt. Immerhin unterstützt S60 Touch eine taktile Rückmeldung nach der Berührung bestimmter Felder - das fehlt den Apple-Handys bislang. Als originell bis nützlich sind Feinheiten zu bewerten wie die Möglichkeit, durch Umdrehen des Gerätes einen Alarm zu deaktivieren.

Während die Touch-Modelle noch etwas auf sich warten lassen, hat Nokia einen Nachfolger für das bisherige Topmodell N95 der N-Serie vorgestellt. Das "N96" wartet mit 16 GB integriertem Speicher, einem größeren 2,8-Zoll-Display, Videounterstützung sowie einem DVB-H-Modul auf. Der Multimedia-Barren "N78" wiederum tritt in die Fußstapfen des "N73". Besonderes Feature ist neben der Unterstützung des UMTS-Turbos HSDPA sowie von WLAN und GPS ein integrierter FM-Transmitter, welcher das Abspielen von gespeicherten Musiktiteln auf einem in der Nähe befindlichen (Auto-)Radio erlaubt. Beide Smartphones - von Nokia etwas großspurig als Multimedia-Computer bezeichnet - taugen wegen ihrer numerischen Tastatur und den installierten Anwendungen allerdings nur bedingt für den Business-Alltag. Besser geeignet sind die Modelle der E-Serie "E66" und "E71".

Details zu beiden Geräten waren bereits Anfang des Jahres auf einer Powerpoint-Präsentation im Internet aufgetaucht, die Interna zur künftigen Smartphone-Roadmap von Vodafone preisgab.

Geheimnis um die Neuen

Anschließend hüllte sich Nokia jedoch in Schweigen und stellte die Handys auch auf dem Mobile World Congress nicht vor - stattdessen wurde das Nokia E71, das angeblich schon im Juli in den Handel kommen soll, vor kurzem im Rahmen eines Events in Australien gezeigt. Berichten zufolge ist das Gerät mit Qwertz-Tastatur, HSDPA, WLAN und integriertem GPS ausgestattet, deutlich kleiner als sein Vorgänger "E61i", und lediglich zehn Millimeter dick. Auf sein offizielles Coming-Out wartet dagegen noch der Business-Slider E66, welcher das ähnlich gebaute "E65" nach nur einem Jahr ablösen soll. Größter Unterschied zum E71 ist die Zifferntastatur, die nach dem Aufschieben zum Vorschein kommt, ansonsten gleichen sich die Modelle in den technischen Details.

Während Nokia als Mehrheitseigner von Symbian dem mobilen Betriebssystem bis auf weiteres die Treue hält, schlägt Sony- Ericsson 2008 erstmals neue Wege ein: Der bislang auf Handys mit Symbian-OS und der hauseigenen UIQ-Oberfläche fokussierte Hersteller gab beim taiwanischen Konkurrenten HTC ein Smartphone mit Windows-Mobile-Betriebssystem in Auftrag. Resultat ist das "Xperia X1", ein Smartphone mit seitlich aufschiebbarer Qwertz-Tastatur, einem Drei-Zoll-Display mit Touchscreen, VGA-Auflösung (800 x 480 Pixel) und 65 000 Farben. Das für Herbst 2008 angekündigte Mobiltelefon unterstützt für den beschleunigten Up- und Download von Daten HSUPA sowie HSDPA, funkt in WLAN-Netzen und weist eine von Sony-Ericsson eigens entwickelte Oberfläche mit Feldern für verschiedene Funktionen auf. Wie das Gerät in der Praxis funktioniert, ist streng geheim, vermutlich, weil es mit der noch nicht freigegebenen Windows-Mobile-Version 6.1 arbeitet.

Umgekehrt hat der koreanische Hersteller LG nach einem Versuch mit Windows Mobile im vergangenen Jahr (KS20) wieder ein Business-Smartphone mit Symbian-OS (Version 9.2 mit S60 3rd Edition) im Programm. Viel dazu gibt es allerdings nicht zu berichten. Den bislang nur spärlichen Angaben zufolge ist das "KT-610" mit einem aufklappbaren 2,4-Zoll-Bildschirm (640 x 480 Pixel) sowie einer Qwertz-Tastatur ausgestattet, besitzt ein integriertes GPS-Modul und unterstützt HSDPA (3,6 Mbit/s). Preis und Erscheinungstermin sind nicht bekannt.

Insgesamt überwiegen in diesem Jahr die Business-Geräte auf Basis von Windows Mobile, wobei aber der große Wurf nicht dabei ist - kein Wunder, wird das nächste größere Betriebssystem-Update Windows Mobile 7, das dann auch iPhone-ähnliche Touch- und Gestensteuerung erlaubt, doch voraussichtlich erst 2009 offiziell erscheinen.

Toshibas Communicator

Drei neue Modelle bringt der hierzulande eher als Notebook-Hersteller bekannte Handy- und Smartphone-Anbieter Toshiba auf den Markt: Das für März angekündigte "Portege G710" erinnert mit seiner flachen Bauform und der Qwertz-Tastatur optisch stark an ein klassisches Blackberry-Gerät.

Glossar

  • HSDPA (High Speed Downlink Packet Access): Das Übertragungsverfahren des Mobilfunkstandards UMTS soll beim Downlink Datenraten von (theoretisch) bis zu 14,6 Mbit/s ermöglichen. Aktuell werden Mobiltelefone angeboten, die den HSDPA-Standard von 7,2 Mbit/s unterstützen.

  • HSUPA (High Speed Uplink Packet Access): Das Übertragungsverfahren ermöglicht entsprechend zu HSDPA höhere Datenraten beim Upload. Aktueller Stand sind Bandbreiten von bis zu 1,45 Mbit/s.

  • UMTS (Universal Mobile Telecommunications System): Mobilfunkstandard der dritten Generaltion (3G) mit Übertragungsraten von bis zu 384 Kbit/s im Downlink und 128 Kbit/s im Uplink.

  • Edge (Enhanced Data Rates for GSM Evolution): Der 2,5G-Mobilfunkstandard erhöht die Datentransferrate in GSM/GPRS-Netzen auf bis zu 220 Kbit/s - im Upstream steht etwa die Hälfte der Bandbreite zur Verfügung.

  • DVB-H (Digital Video Broadcasting - Handhelds): Übertragungsstandard für Handy-Fernsehen.

  • GPS (Globales Positionsbestimmungssystem): Unterstützung für die weltweite satellitengestützte Navigation.

  • Qwertz (oder auch Qwerty): beschreibt die Tastaturbelegung anhand der ersten sechs Buchstaben, im Gegensatz zur rein numerischen Tastatur.

Technisch fällt das Windows-Mobile-Device primär durch das integrierte GPS-Modul und das 320 x 240 Pixel große TFT-Display mit 65 000 Farben auf, während der Rest bestenfalls Standardkost ist. So unterstützt das für rund 300 Euro angebotene Smartphone nur Quadband-GSM, GPRS und Edge, jedoch keine Datenverbindungen via UMTS oder HSDPA. Besser bestückt ist das TouchscreenDevice "Portege G810", das mit HSDPA/HSUPA, GPS sowie WLAN aufwartet und im zweiten Quartal 2008 auf den Markt kommen soll. Als neues Flaggschiffmodell führt Toshiba das an einen Nokia Communicator E90 erinnernde Smartphone "Portege G910" im Programm, das voraussichtlich im April auf den Markt kommen wird: Das aufklappbare Smartphone verfügt über ein drei Zoll großes Wide-VGA-Display (480 x 800 Pixel) mit Touchscreen-Funktion, zwei Kameras sowie GPS und funkt über WLAN, GSM/GPRS/Edge sowie HSDPA. Der Preis für das Windows-Mobile-Gerät (WM6 Professional) soll rund 600 Euro betragen.

Überraschend wenig Neues gibt es von dem taiwanischen Hersteller HTC zu berichten, der zahlreiche Carrier beliefert. Als Neuzugang mit Windows-Mobile-Betriebssystem ist vornehmlich das "HTC P3470 Pharos" zu erwähnen, ein Sparmodell mit schlankem 200-Megahertz-Prozessor, berührungsempfindlichem 2,8-Zoll-Bildschirm und mit integriertem GPS - jedoch ohne WLAN und UMTS. Daneben wurde das "HTC 7500 Advantage" (hierzulande als "T-Mobile Ameo" erhältlich) überarbeitet - als Version 7501 erhielt es nun unter anderem 16 GB internen Speicher, 128 MB Arbeitsspeicher, eine neue Tastatur, Touchflo-Oberfläche und WLAN-Unterstützung. Vermutlich entwirft HTC schon fleißig Modelle für Googles mobile Plattform "Android", die langsam zum Leben erwacht - der taiwanische Hersteller erhofft sich damit den Sprung vom reinen Auftragsfertiger zum Markenhersteller. Ziehen Samsung, LG und Motorola mit, die ebenfalls zu Googles Open Mobile Alliance gehören, ist es gut möglich, dass gegen Jahresende doch noch das bislang vermisste Produktfeuerwerk im Smartphone-Markt entbrennt.