Trends und Entwicklungen anläßlich des diesjährigen NCR-Handelsforums

Warenwirtschaftssysteme als Erfolgsfaktor der 90er Jahre

21.09.1990

Wettbewerbs- und Kostendruck sowie ein differenziertes Verbraucherverhalten zwingen den Handel, zur Steuerung der Warenwirtschaft leistungsfähige, EDV-gestützte Instrumente einzusetzen. Dies war eine der Kernaussagen des 4. NCR Handelsforums, das vor kurzem in Königswinter stattfand.

Warenwirtschaftsauswertungen sind laut Auffassung von Manfred Wallner, Leiter Branchenmarketing Handel der NCR GmbH Augsburg, heute wesentlicher Teil der Informationssysteme im Handel. Je nach Organisationsfortschritt werden sie ergänzt durch weitere, neue Komponenten wie zum Beispiel DPR (Direkte Produkt Rentabilität), Regaloptimierung und andere Kommunikationsanwendungen. Abgesehen davon, daß solche DV-Nutzungen noch lange nicht Allgemeingut des Handels sind, handelt es sich meist um Insellösungen, denen die Integration in das Gesamtsystem fehlt. Es muß also danach gefragt werden, wie diese Integration zu erreichen ist, welche Erkenntnisse aus Pilot-Installationen zu erwarten und zu ziehen sind.

Als neue Revolution im Einzelhandel bezeichnen Handelsexperten das Self Scanning aufgrund erster Testergebnisse. Fachleute des Einzelhandels und der Industrie diskutieren zwei Verfahren:

- Der Verbraucher registriert die eingekaufte Ware selbst an Self Scanning-Erfassungsplätzen, das heißt, er führt die Ware eigenhändig über einen stationären Scanner im normalen Kassen-Checkout. Zusätzliche optische und akustische Hilfen erleichtern den Datenerfassungsvorgang, Die richtige und vollständige Erfassung der Waren soll der Vergleich des ermittelten Artikelgewichts mit dem zum Artikel gespeicherten Gewicht gewährleisten. Zusätzliche Kontrollen können durch das Feststellen der Abmessungen (Länge, Breite und Höhe) auf fotoelektronischem Wege und deren Vergleich mit vorgegebenen Werten eingebaut werden, um damit noch mehr Sicherheit der vollständigen Erfassung zu erreichen.

- Der Einkaufswagen ist mit einem Erfassungsgerät ausgestattet. Der Kunde registriert den jeweils gekauften Artikel direkt am Regal mit Hilfe des am Erfassungsgerätes vorhandenen Strichcode-Lesestiftes. Alle erfaßten Artikel werden im Aufnahmegerät zwischengelesen, wo dann auch der normale Kassiervorgang abläuft. Das Vertrauen in die Ehrlichkeit des Kunden reduziert die Kontrolle auf stichprobenweisen Abgleich der im Einkaufskorb befindlichen Ware mit den auf dem Kundenbon gelisteten und berechneten Artikeln.

Die NCR hat bereits seit zirka zwei Jahren mehrere Pilotinstallationen in den USA mit namhaften Kunden in Zusammenarbeit mit der Firma CHEK ROBOT realisiert. Dabei wurde das Modell mit Gewichts- und Abmessungskontrolle verwendet. Die Ergebnisse sind durchaus positiv, jedoch auf den amerikanischen Markt und dessen Umfeldbedingungen ausgerichtet. Angekündigte Testinstallationen im europäischen Raum, auch nur mit reiner Gewichtsüberprüfung, werden in den nächsten Monaten zeigen, ob der von den Experten erwartete Nutzen wie Reduzierung der Warteschlangen, mehr Kunden mit mehr Umsatz, Senkung der Personalkosten etc. eintritt oder die Inventurdifferenzen sich erhöhen und damit den Nutzenvorteil aufzehren.

- Eine weitere Neuerung steht mit der elektronischen Regalauszeichnung bevor. Bisher bieten acht verschiedene Hersteller solche Systeme an, darunter die Firmen Telepanel, Epsi'lanne, Meto, Price Link, REST und so weiter. Die einzelnen Firmen verwenden unterschiedliche Technik für den Austausch der Auszeichnungsinformationen zwischen dem Regaletikett und der zentralen Leitstelle, überwiegend auf PC-Basis. Die Übertragung ist möglich per Verkabelung, Infrarot und Funk.

Die LCD-Technik dient als Anzeigemedium für die Artikelinformationen, deren Stromzufuhr meistens über die Regalschiene vorgenommen wird. Jedes Regaletikett hat seine eigene Adresse und kann unter dieser von einer zentralen Leitstation angesprochen werden. Selbst wenn die Ware in verschiedenen Regalplätzen geführt wird, haben die Regaletiketten an den unterschiedlichen Plätzen immer die gleiche Ansprechadresse.

Die Artikelinformationen sind mit der Adresse des zugehörigen Regaletiketts zu ergänzen. Im Artikelpflegedienst wird das jeweils zugehörige Regaletikett über diese Adresse angesprochen und mit den entsprechenden Artikelinformationen zur Preisauszeichnung versorgt.

Eine weitere Anwendung rund um das Regal ist die Regaloptimierung, mit deren Hilfe die Ware innerhalb des Regals gemäß der größtmöglichen Ertragserwartung plaziert werden soll. Heute sind drei Programme auf PC-Basis auf dem Markt, die noch überwiegend in der Erprobungsphase sind.

Im Zusammenhang mit der Regaloptimierung ist auch die Direkte Produkt Rentabilität (DPR) zu sehen, die Informationen dafür bereitstellt. In die Berechnung fließen neben den Verbraucherabgabepreisen und den Netto-Einkaufspreisen die Kosten warenbezogener Prozesse auf der Großhandels- und Einzelhandelsstufe als direkte Produktkosten ein. Im PC-gestützten DPR-Rechenmodell werden sie anhand kostenwirksamer Artikeldaten, wie Volumen, Liefermodus, Verpackungsart und so weiter und kostenbestimmender Basisdaten den einzelnen Artikeln zugerechnet, um ihren Deckungsbeitrag zu errechnen. Auf der Basis dieser Kennzahl werden darin zahlreiche ergebnisbestimmende Entscheidungen logistischer und akquisitorischer Arte von der Sortimentsstrukturierung über die Regalplatzzumessung bis zur Dimensionierung der Bevorratungsdauer getroffen und Ergebnisanalysen durchgeführt.

In einigen Handelsunternehmen ist bereits eine neue Form der Selbstbedienung zu finden. Es handelt sich um sogenannte Marketingterminals, an denen Verbraucher in "Selbstbedienung" Informationen abrufen können, zum Beispiel Lage- und Standinformationen über Abteilungen oder Geschäfte in Einkaufszentren, Erläuterungen über Produkte mit Anwendungsbeispielen, Rezepturempfehlungen- mit Einkaufslisten etc. Um diese neue Form der Selbstbedienung für den Einzelhandel interessanter zu gestalten, muß der Nutzen solcher Systeme vergrößert werden. Mit anderen Worten: Direktumsatz muß damit generiert werden können, beispielsweise durch Bestellung von Waren unabhängig von den Ladenöffnungszeiten, durch sogenanntes "cross selling" branchenfremder Leistungen wie Versicherungspolicen, Reisebuchungen, Veranstaltungskarten und ähnliches.

Sicherheit und Umweltschonung sind nach Auffassung von Werner Peters, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Coop Dortmund-Kassel eG, für das Handelsmarketing heute Oberziele, die in die Handelspraxis übersetzt werden müssen. Dem gewachsenen Umweltbewußtsein der Verbraucher muß laut Peters durch eine verfeinerte Sortimentspolitik und durch umweltwirksame Aussagen in der Werbung und im Marketing Rechnung werden.

Unter dem Begriff "Nutritional Marketing" werden folgende Ziele postuliert:

a) Vertrauensaufbau und -stärkung im Frischebereich landwirtschaftlicher Produkte und im Bereich qualitativ hochwertiger industriellen Produktion von Nahrungs- und Genußmitteln.

b) Aufbau von Sicherungssystemen für die Garantien der Industrie und des Handels, sichere Lebensmittel auf den Markt zu bringen und die Ökobilanz der Umwelt dabei so gering wie möglich zu belasten,

c) Wettbewerbsvorteile festzumachen durch die Herstellung von Identität zwischen der angebotenen Sortimentsleistung und den Wünschen der Verbraucher nach Ernährungs-Sicherheit und nach Umweltschutz.