Einzelhandel hofft auf die Einkaufsweltmeister

Warenhauskonzerne rüsten sich für Online-Shopping

08.11.1996

"Virtuelles Einkaufen verbindet den Komfort des Katalogkaufs mit dem Erlebniswert eines Einkaufsbummels." Mit diesen Worten rührte Klaus Eierhoff, im Vorstand der Karstadt AG für den Bereich Informationswirtschaft zuständig, anläßlich der Eröffnung der Online-Mall "my-world" die Werbetrommel. Seit Ende Oktober hat der Essener Konzern Internet- und T-Online-Surfern die Tore zu seinem virtuellen Einkaufszentrum über http://www.my-world.de beziehungsweise *my-world- geöffnet.

Aus über 150000 Artikeln in 17 Shops, darunter Läden von IBM, NUR Touristik, Nintendo, Sega, Sony etc., können die Kunden auf ihrem Einkaufsbummel wählen. Im Normalfall soll die Ware spätestens 48 Stunden nach der Bestellung beim Käufer sein, der per Nachnahme, Rechnung oder Kreditkarte zahlen kann.

Primär zielt Karstadt, aber auch die Konkurrenten Metronet und Kaufhof, dabei auf die jüngere Käuferschicht, deren Shopping-Verhalten, wie Eierhoff einräumte, im stationären Handel rückläufig ist. Eine CD-ROM mit Decoder für den kostenlosen Zugang zu T-Online und my-world sowie Cyber-Bars und Kiosksysteme in den Filialen sollen den Kunden den elektronischen Einkauf schmackhaft machen.

Auf dieses Konzept setzt auch die Kaufhof AG mit ihren sogenannten Media Stations. Nach einer Testphase Anfang des Jahres werden die speziell für Kaufhof-Warenhäuser entwickelten Terminals nun bis Ende 1996 in 35 Filialen in der Bundesrepublik installiert. Dabei stellt der Konzern gleich seinen neuen Internet-Provider Metronet vor. Im Gegensatz zur Karstadt AG, die für my-world keine eigene Netzinfrastruktur vorhält, sondern auf das Netz der Telekom zurückgreift, haben Kaufhof und Metro andere Pläne. Die Tochter Metronet, die gegenwärtig auch Telekom-Ressourcen nutzt, plant, ein Netzwerk in eigener Regie zu betreiben und als Internet-Dienstleister am Markt zu agieren.

Für eine Monatsgebühr von 9,99 Mark sind die Dienste des Providers verfügbar, der derzeit über 60 Points of Presence (POPs) in Deutschland verfügt. Die Zahl der Knoten soll bis Ende des Jahres auf 70 erhöht werden, die dann sämtlich neben dem analogen auch den digitalen Zugang erlauben.

Langfristig glaubt Metronet allerdings nicht daran, aus dem reinen Internet-Zugang Erträge erwirtschaften zu können, weil diese Leistung bald ein Basisdienst der großen TK-Anbieter sein wird. Ziel ist vielmehr, rasch einen elektronischen Vertriebsweg zu realisieren und bundesweit Datenbanken auf den POPs zu implementieren, um das Shopping-Angebot so nah wie möglich zum Kunden zu bringen. Binnen maximal fünf Jahren beabsichtigt Metronet, hierzulande zum führenden multimedialen Distributionspartner für den Handel zu avancieren. Zu diesem Zweck will das Unternehmen rechtzeitig die Weichen auf die breitbandige Kommmunikation mit dem Kunden stellen. Der Internet-Zugang soll dann über Kabel, Satellit oder Funktelefone möglich sein.

Natürlich sehen Karstadt und Kaufhof in ihrem jüngsten Online-Engagement in erster Linie eine Investition in die Zukunft. 65 Millionen Mark läßt sich zum Beispiel Karstadt laut Eierhoff das Projekt Online-Shopping in den nächsten drei Jahren kosten. "Wir verhehlen nicht, daß my-world ein Test ist", gab der Manager vor der Presse zu. Sollte sich in den nächsten Monaten herausstellen, daß die Akzeptanz für den virtuellen Einkauf beim Kunden noch nicht vorhanden ist, werde my-world gestoppt.

An diese Entwicklung mag Eierhoff aber nicht so recht glauben. Seiner Meinung nach spricht die Statistik für die Neigung der Deutschen zum Online-Shopping: "Wir sind Weltmeister im Einkaufen aus dem Wohnzimmersessel heraus." Knapp über 500 Mark gibt der deutsche Bürger jährlich pro Kopf im Versandhandel aus. Damit liegen die Deutschen noch vor den Amerikanern (470 Mark) weltweit an der Spitze.