Ware Information hat keine Konjunktur

17.06.1994

Dieter Eckbauer

Die DV muss derzeit viel einstecken. Was sie auch anstellt oder unterlaesst, sie wird von allen Seiten gewatscht - oft in Unkenntnis der Fakten. Das soll keine Entschuldigung sein. Im DV- Establishment sitzen gewiss nicht nur Waisenknaben. Viele haben vom Pakt mit den Anbietern proprietaerer Systeme beruflich profitiert, die Berechenbarkeit der technologischen Evolutionsprozesse machte, IBM sei Dank, den Job sicher, Herstellerabhaengigkeit wurde in Kauf genommen. In Fachkreisen wurde dazu alles gesagt. Die Tatsachen sind bekannt. Vielen Aussenstehenden blieben sie verborgen. Wie etwa die Marktposition von Big Blue zu beurteilen ist, darueber gibt es so viele unterschiedliche Urteile wie Gutachter. Alle haben einen Nachteil: Sie sind falsch.

Die IBM versucht wieder Lotterie zu spielen. Der Consent Decree von 1956, der sie auf dem US-Markt zur Entflechtung ihrer Hardware- und Servicegeschaefte verpflichtete, soll auf Wunsch der Armonker aufgehoben werden (Seite 2). Begruendung: Die Marktverhaeltnisse haetten sich in den vergangenen Jahren drastisch zu Ungunsten Big Blues veraendert. Wer als Mainframe-Anwender der 370-Welt verhaftet ist, weiss, dass das nicht stimmt. Dass es einen Mainframe-Markt gibt, wird die IBM nicht bestreiten. Alternativen bieten sich wie eh und je nur auf dem PCM-Feld, bei den Amdahls und Hitachis, Alternativen, die nicht echt sind, die allenfalls das Budget entlasten. In blauen Rechenzentren ist beinahe alles beim alten geblieben. So mir nichts, dir nichts kann kein MVS- Anwender den Hersteller und die Marke wechseln. Dass die Mainframe- Basis schrumpft, widerlegt dieses Argument nicht.

Die Diskussion ueber den Consent Decree offenbart, dass Wissensdefizite bestehen. Den meisten ist dieses Manko gar nicht bewusst. Die Medien tragen ungewollt zur Verunsicherung bei. Wir haben uns angewoehnt, zur Bezeichnung der Computertechnik das Kuerzel IT - I fuer Information - zu verwenden. Das ist Hochstapelei. Was Huellworte anrichten koennen, hat Peter Scott- Morgan von Arthur D. Little an einem Beispiel verdeutlicht: Re- Engineering, so der Berater, werde zunehmend als Euphemismus fuer Downsizing verwendet, mit der Folge, dass immer mehr solcher Projekte an zu hohen Erwartungen scheiterten (Seite 1: "Re- Engineering: Topmanager sind von Resultaten enttaeuscht"). Der Schwarze Peter werde, zum Teil zu Recht, den DV-Leuten zugeschoben - die Hauptschuld trage jedoch ein Management, das den Einsatz von IT (sorry!) nicht zur Chefsache mache. Die ganze Wahrheit mag Morgan nicht aussprechen: Die Ware "Information" hat keine Konjunktur.

Die Frage nach den Ursachen fuer die DV-Verdrossenheit der Manager haette zu dieser Feststellung gefuehrt. Nur wenige koennen einschaetzen, was sie an ihrer DV haben. Man beschwoert die "Information Society" und spart an der Informationsversorgung. Es fehlt die Phantasie, die Verfuegbarkeit von Information anders als einen "Overkill" zu begreifen - heuchlerisch das Lamento ueber die vermeintliche Unfaehigkeit der DV-Spezialisten. Diese koennen aus der Ernuechterung lernen.