WAP-Mobiltelefone auf dem Vormarsch

WAP-Mobiltelefone auf dem Vormarsch Internet-Handies als kommende Thin Clients

02.04.1999
MÜNCHEN (CW) - Auf der Erfolgswelle des Internet wollen die Handy-Anbieter und Netzbetreiber künftig in neue Kundenkreise surfen. Beste Chancen, die techno- logische Basis der mobilen Datenkommunikation von morgen zu bilden, hat das von einer brei- ten Mehrheit getragene Wireless Application Protocol (WAP).

Glaubt man den Ankündigungen auf der CeBIT, wird die Internet-Fähigkeit künftig das wichtigste Differenzierungsmerkmal im Handy-Markt sein. Mit einer neuen Gerätegeneration, den sogenannten Smart Phones, können die Nutzer noch in diesem Jahr von unterwegs auf textbasierte Informationen zugreifen. Ob die Daten von einem speziellen Content-Provider oder aus der Unternehmensdatenbank stammen, ist dabei egal. Entscheidend ist, daß die einst verlachten Handies im Markt für Thin Clients eine neue und mächtige Alternative darstellen.

Beim Zugriff auf die Internet-Inhalte hangelt sich der mobile Nutzer mit einem Mini-Browser durch Menüs, die vielfältige Anwendungsmöglichkeiten eröffnen. Mit einem Smart Phone können E-Mails sowie Faxe geschrieben und empfangen werden. Ferner lassen sich beispielsweise Wetterberichte, Börsenkurse, Restaurantverzeichnisse und Nachrichten abrufen. Angesichts der Rechenleistung solcher mobiler Büros, die noch vor fünf Jahren jedem PC zur Ehre gereicht hätte, sind Kalender- und Adreßbuchfunktionen mit Kapazitäten für mehr als 1000 Einträge quasi selbstverständlich.

Weston Henderek, Analyst der Giga Information Group, dämpft allerdings überzogene Erwartungen. Seiner Meinung nach wird es noch eine gewisse Zeit dauern, bis die angestrebten Lösungen reif für den Massenmarkt sind. Zu den ersten Anwendern zählt Henderek mobile Unternehmenskunden, für die drahtlose Downloads einen enormen Fortschritt darstellen. Weitere Impulse erwartet er vom Mobilfunkstandard der dritten Generation, dem für das Jahr 2002 geplanten Universal Mobile Telecommunications System (UMTS, siehe Seite 28: "UMTS - Die dritte Generation"). Mit einer dann verfügbaren Transferrate von 2 Mbit/s sei die Internet-Funktionalität laut Henderek schlichtweg "cool".

Dabei kommt den Handy-Firmen die Verschiebung der Kommunikationsschwerpunkte vom Sprach- zum Datenaustausch entgegen. Auf einem Telecom-Forum der Marktforschergruppe IDC spekulierten Referenten, daß in den nächsten Jahren die Sprachübertragung kostenlos angeboten werden könnte, um die Kunden für Datendienste zu gewinnen. Im Jahr 2005, so der Hewlett-Packard-Manager Sebastiano Tevarotto, erwirtschaften die Telcos mit Sprachübertragungen nur noch vier Prozent ihrer Umsätze. Angesichts des gegenwärtigen Anteils von durchschnittlich 84 Prozent ist diese Prognose zwar sehr gewagt, doch scheint die Tendenz eindeutig.

Damit die Mobilfunker in Zukunft auf das Internet zugreifen können, haben sich führende Handy-Hersteller zusammengeschlossen und das WAP-Forum aus der Taufe gehoben. Die Spezifikation bildet ein Regelgerüst zur Übertragung von Internet-Inhalten an Handies. Ziel ist es, daß der Content auf Mobiltelefonen aller unterstützenden Hersteller abläuft. Angesichts der geballten Kraft, die sich hinter dem WAP-Forum versammelt (siehe Kasten: "Marktmacht WAP"), ist das Protokoll auf dem besten Weg zum offiziellen Standard.

Bis zum endgültigen Erfolg müssen die Gründerväter noch einige Klippen umschiffen. Fraglich bleibt, ob genügend nützliche Inhalte für die Handy-Gemeinde angeboten werden. Darüber hinaus müssen die Nutzer und Netzbetreiber Geld in neue Terminals und WAP-Server investieren. Zwar sei die Technologie im Prinzip vorhanden, wie die CeBIT-Ankündigungen verheißen, doch haben die Netzbetreiber und Content-Provider ihre Systeme noch nicht entsprechend umgerüstet. Darüber hinaus müssen die Benutzer ihre alten Mobiltelefone durch ein teures Smart Phone ersetzen.

Allen Unkenrufen zum Trotz macht die WAP-Gemeinde inzwischen Nägel mit Köpfen und freut sich über die wachsende Schar der Unterstützer. Auf der CeBIT teilte jetzt beispielsweise der deutsche Netzbetreiber T-Mobil mit, WAP-Server in sein System zu integrieren. Als Hardwarelieferant sitzt die Siemens AG mit im Boot. In Frankreich bietet der Carrier Cegetel ab sofort den WAP-basierten Dienst "Les Uns ... Les Autres" (sinngemäß: "Die einen haben es, die anderen nicht") für Handies von Alcatel an.

Die größte Nachfrage sieht Skip Bryan, technischer Direktor und WAP-Repräsentant des Handy-Anbieters Ericsson, allerdings im Bereich der Intranet-Anwendungen von Unternehmen. Web-basierte Datenbanken seien prädestiniert dafür, mit WAP-Handies von unterwegs abgefragt zu werden. So präsentierten IBM und Nokia auf der CeBIT eine Lösung, die in Zukunft Groupware-Daten aus Lotus Notes via WAP auf Handies übertragen soll.

Ferner wollen die Unternehmen noch in diesem Jahr ein System für die mobile Buchung von Geschäftsreisen auf den Markt bringen. Content-Provider wird der Betreiber des Reservierungssystems Sabre, der eine Java-Applikation auf Basis der Extensible Markup Language (XML) entwickelt. Die strukturierten Informationen werden dann in die Wireless Markup Language (WML) übersetzt und mittels eines WAP-Servers auf die Smart Phones übertragen.

Dagegen nimmt es sich geradezu konservativ aus, daß CNN künftig Nachrichten auf das Nokia-Mobiltelefon "7110" senden will. Rosige Aussichten also für die Handy-Branche durch die Verschmelzung mit dem Internet? Lucio Rispo, einer der Direktoren des britischen IT-Dienstleisters Sema Group, bringt die voraussichtliche Entwicklung der Telekommunikation auf den Punkt: "Wenn unsere Kinder einmal Kunden sind, werden sie nicht telefonieren - sie werden surfen.

Marktmacht WAP

Das Wireless Application Protocol (WAP) ist eine Spezifikation, mit der die Verbreitung von Internet-Inhalten über drahtlose Verbindungen genormt wird. Ziel der Initiative ist es, eine standardisierte Plattform mit einheitlicher Protokollsyntax zu schaffen. Zu den unterstützten Endgeräten zählen in erster Linie Handies, darüber hinaus jedoch auch Pager, Palmtops oder Handhelds. WAP greift teilweise auf die Extensible Markup Language (XML) für die Strukturierung des Content sowie das Internet Protocol (IP) zur Übertragung zurück. Dabei ist die Spezifikation gleichermaßen kompatibel zum in Amerika verbreiteten Mobilfunkstandard CDMA (Code Division Multiple Access) sowie zum europäisch-asiatischen Pendant GSM (Global System for Mobile Communications).

Als entscheidenden Vorteil von WAP bezeichnet Skip Bryan, technischer Direktor von Ericsson, daß die Internet-Inhalte einheitlich auf Geräten unterschiedlicher Anbieter genutzt werden können. Erreicht wird dies durch eine Phalanx von Herstellern, die das Protokoll unterstützen. Gründungsmitglieder der WAP-Forum-Initiative sind die Handy-Riesen Nokia, Ericsson und Motorola. Der kalifornische Anbieter Unwired Planet hat die Server- und Browser-Software entwickelt.

Inzwischen liest sich die Liste der weit über 100 WAP-Unterstützer wie das "Who is who" der Mobilfunkbranche. Darunter sind beispielsweise die Netz-Provider T-Mobil, AT&T, Cegetel oder NTT. Zu den Endgerätelieferanten zählen Alcatel, Bosch, Intel, Philips, Siemens und Sony. Ferner stellen IBM, Fujitsu und Symbian Softwarelösungen bereit. Die Unternehmen hätten erkannt, so Ericsson-Direktor Bryan, daß "bei einem Konkurrenzkampf mit proprietären Verfahren alle Firmen verlieren".

Angesichts der breiten Unterstützung sowie einer Vielzahl von Produktankündigungen auf der CeBIT dürfte es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis sich WAP zum offiziellen Standard für die Mobilfunkbranche entwickelt. Die endgültige Spezifikation steht allerdings noch aus und wird für den Sommer 1999 erwartet. Ausführliche Informationen zur WAP-Spezifikation und einer Mitgliedschaft finden sich im Internet unter http://www.wapforum.org sowie http://www.uplanet.com. Der Jahresbeitrag für das WAP-Forum beträgt 27 500 Dollar.

UMTS - Die dritte Generation

Nach den analogen und digitalen GSM-Netzen gilt das im letzten Jahr vom European Telecommunications Standards Institute (ETSI) verabschiedete Universal Mobile Telecommunications Systems (UMTS) als dritte Mobilfunkgeneration. Mit einer Transferrate von 2 Mbit/s bildet das Verfahren den Grundstein für die drahtlose Übertragung von Multimedia-Daten via Wideband-Code Division Multiple Access (W-CDMA). UMTS sendet in Frequenzbereichen größer als 2000 Megahertz, während die D-Netze das 900-Megahertz-Band und die E-Netze das 1800er Band nutzen.

UMTS hatte in der Vergangenheit für Schlagzeilen gesorgt, als es zu einer amerikanisch-europäischen Auseinandersetzung um den Standard kam. Die US-Firma Qualcomm sah durch die Verwendung von W-CDMA eigene Patentrechte gefährdet. Durch die Überkreuzlizenzierung mit Technologien aus dem Hause Ericsson ist der Streit inzwischen jedoch beigelegt.

Vergangenen Monat ist es dem Handy-Anbieter Ericsson gelungen, erstmals Sprache und bewegte Bilder hierzulande über ein UMTS-Testsystem zu übertragen. Die Funkfrequenzen sollen in Deutschland Ende des Jahres versteigert werden. Da kein Netzbetreiber auf das Verfahren verzichten kann, werden die Kaufsummen voraussichtlich im Milliardenbereich liegen. Marktreife Produkte sind erst Anfang 2002 verfügbar.