Anbieter nutzen mobiles Internet oft als Spielwiese

WAP-Inhalte verlangen nach Content-Management

24.03.2000
Damit Anwender von Wireless-Application-Protocol-(WAP-)Endgeräten auf das Internet zugreifen können, müssen Inhalteanbieter ihre Web-Seiten auf die Displays der Handys zurechtstutzen. Ohne Content-Management-Software, die Daten unabhängig vom Ausgabemedium speichert, kann das Aufbereiten der Seiten für mobile Nutzer zur Sisyphosarbeit werden.CW-Bericht, Frank Niemann

Die CeBIT 2000 hätte leicht in "WAP 2000" umbenannt werden können, denn wie kaum ein anderes Thema beherrschte das Wireless Application Protocol das Geschehen. Über dieses Verfahren lassen sich Daten auf mobile Endgeräte übertragen. Die Hersteller versprechen den Internet-Zugang per Handy, doch die heutigen Endgeräte können lediglich Texte und simple Grafiken darstellen. Somit bleibt den WAP-Nutzern der allergrößte Teil des Web verwehrt, solange der Content für sie nicht angepasst wird.

Nach Meinung von Experten ist das Erstellen von WAP-Inhalten in der Auszeichnungssprache Wireless Markup Language (WML) nicht schwieriger als das Design von Web-Seiten mit der Hypertext Markup Language (HTML). WML bestimmt darüber, wie der Micro-Browser im WAP-Handy Inhalte aus dem Internet darstellt. Neben Sites speziell für WAP-Nutzer gibt es eine Vielzahl von Content-Anbietern, die nun Teile der von ihnen vertriebenen Inhalte auch den Handy-Surfern zur Verfügung stellen wollen.

Allerdings ist es mit einer einfachen Konvertierung von HTML nach WML nicht getan. Vielmehr müssen Texte, Menüs und Grafiken auf die Darstellungsmöglichkeiten der winzigen Displays heute verfügbarer Endgeräte zurechtgestutzt werden. Am bequemsten wäre es für Content-Manager, wenn sie sowohl HTML- als auch WML-Inhalte mit der gleichen Software erstellen und verwalten könnten. Die Grundlage dafür bildet eine zentrale Datenhaltung aller Inhalte in der Extensible Markup Language (XML) oder einer anderen diensteunabhängigen Form. Nach den Erfahrungen von Claus Darnstädt, Product Manager WAP-Lösungen bei der Consulting- und Systemintegrationsfirma Materna aus Dortmund, arbeiten inzwischen alle etablierten Content-Management-Systeme nach diesem Konzept. Zudem trennen die Programme von Herstellern Inhalte und Formatvorlagen voneinander. So können Site-Betreiber laut Herstellerangaben mit der Content-Management-Lösung von Hyperwave sowohl PC- als auch Handy-Benutzer bedienen, dabei aber die gerätespezifischen Eigenschaften berücksichtigen. Vereinfacht ausgedrückt, erhalten Computer-Surfer Texte und Grafiken, die WAP-Anwender jedoch nur den Text.

Zudem haben die Anbieter von Web-Design-Software den Bedarf erkannt und liefern WAP-Erweiterungen für ihre Produkte aus. Anwender des "Scriptbuilder" von Netobjects können sich eine WML-Option von der Site des Anbieters herunterladen. Netobjects-Konkurrent Allaire reagierte ebenfalls auf den Trend und baute die WAP-Entwicklungssoftware "Up SDK 4.0" der US-Firma Phone.com in seine Homepage-Tools "Homesite" und "Coldfusion Studio" ein.

Wenn die Inhalte allerdings nicht in einem diensteunabhängigen Format gespeichert wurden, sind Inhaltsanbieter gezwungen, HTML- und WML-Daten unabhängig voneinander zu erstellen. In dieser Situation befindet sich Sport.de aus München, Betreiber der gleichnamigen Sportinformations-Site. Während die Autoren die Webpages mit einem selbstentwickelten Redaktionssystem erzeugen, müssen die per WAP verbreiteten News, etwa Zwischenstände von Fußballspielen, mit einer separaten Software generiert werden.

Leichter hat es da der Online-Dienst AOL. Die Firma hat vor einem Jahr ebenfalls ein eigenes Redaktionssystem entwickelt, wobei die Software unter der Prämisse einer zentralen Datenhaltung entstand, um mehrere Medien zu unterstützen: Internet, Mobilfunk- und künftig auch Breitbandnetze. Deshalb hielt sich der Aufwand für das Einrichten einer WAP-Schnittstelle in Grenzen, so Klaus Täubrich, Vice President für Content und Produktion. Über dieses Interface gelangen Daten, beispielsweise die Börseninformationen von Teledata, zu den WAP-Nutzern.

Auch das Standardisierungsinstitut World Wide Web Consortium (W3C) widmet sich dem Thema: Die jüngst vorgestellte Auszeichnungssprache XHTML 1.0 schlägt eine Brücke zwischen HTML und der Extensible Markup Language (XML). In XHTML erzeugte Inhalte werden in einer universellen Form gespeichert, die konform zu XML ist, einer Auszeichnungssprache für jede Art von Daten. Auf diese Weise lässt sich der Content leichter an die Eigenschaften verschiedener Endgeräte anpassen. Laut W3C soll es Web-Designern außerdem mittels spezieller XHTML-Tools möglich sein, bestehende HTML-Inhalte in dieses universelle Format zu überführen.

Doch auch die schönsten Tools und Auszeichnungssprachen können nicht über die Einschränkungen des mobilen Web-Zugangs hinwegtäuschen. Sie bestehen in der noch kümmerlichen Datenübertragungsrate im GSM-Netz von 9,6 Kbit/s sowie in dem bisher geringen Funktionsumfang der verfügbaren Endgeräte. Deshalb stehen den euphorischen WAP-Befürwortern bereits einige Kritiker gegenüber, die am Sinn der heutigen Angebote zweifeln. Auch wenn es die Anhänger nicht wahr haben wollen: Die "Killerapplikation" wurde bisher noch nicht erfunden, stellt die Unternehmensberatung Mummert + Partner aus Hamburg fest. Um Börsennews und Sportnachrichten zu empfangen - viele WAP-Anbieter begnügen sich heute damit - reicht der Short Message Service (SMS) aus, die Meldungen müssen aber sehr kurz sein. Einige E-Commerce-Angebote für Mobilfunknutzer, auch Mobile-(M-)Commerce genannt, scheinen ebenfalls eher Machbarkeitsstudien zu sein als ernst zu nehmende Anwendungen. Beispielsweise experimentiert die Deutsche Bank 24 mit einem WAP-Service für das Wertpapiergeschäft, wobei über eine Markteinführung noch nicht entschieden wurde. Und der Service des Konzertveranstalters Stella, über den Tickets per Handy geordert sowie auch gleich bezahlt werden können, richtet sich wohl eher an den technikverliebten Musicalfreund. Gleichzeitig bietet Stella eine Buchungsfunktion auf seiner Website, die wesentlich komfortabler sein dürfte als die Version für das WAP-Telefon.

Firmen liebäugeln mit WAP, um "in" zu sein, bringt es Johann Montelius auf den Punkt. Er ist ein auf Mobilfunktechnik spezialisierter Analyst bei der schwedischen Niederlassung des britischen Marktforschungsunternehmens Jupiter Communications in Stockholm. Niemand wolle den Trend verschlafen, börsennotierte Firmen erst recht nicht. Dass die Mobilfunkbetreiber Feuer und Flamme sind für WAP, begründet Mummert + Partner mit der Möglichkeit der Anbieter, Kunden stärker an sich zu binden - ein Beweggrund, der einleuchtet, denn laut der Unternehmensberatung kehren mehr als 30 Prozent der Handy-Kunden nach Ablauf der Vertragslaufzeit ihrem Netzanbieter den Rücken.

Andere Firmen steigen in die WAP-Technik ein, um möglichst schnell Erfahrungen zu sammeln. Man will gerüstet sein, wenn der drahtlose Zugriff auf das Web komfortabler geworden ist. Auch Anbieter von Customer-Relationship-Management-Software sowie Hersteller betriebswirtschaftlicher Standardanwendungen statten ihre Produkte mit WAP-Interfaces aus, um professionellen Nutzern den mobilen Zugriff auf zentrale Daten zu ermöglichen - wobei sie sich darüber im Klaren sind, dass nur ein geringer Teil der Kunden zum jetzigen Zeitpunkt diese Option nutzen wird.

Viele betrachten die WAP-Technik deshalb lediglich als Übergangslösung. Zu ihnen zählt auch der bereits erwähnte Anbieter AOL:"Wir gehen mit überschaubaren Ressourcen, aber intensiv voran", beschreibt Content-Chef Täubrich das WAP-Engagement seines Unternehmens. Die Zukunft liege in neuen Protokollen, die ab nächstes Jahr zur Verfügung stehen. Dann sollen mobile Nutzer in der Lage sein, auch per Instant-Messaging mit anderen Chat-Usern zu kommunizieren. Mit neuen Protokollen meint Täubrich den General Packet Radio Service (GPRS), einem paketvermittelten Datendienst im GSM-Netz, den die ersten Netzbetreiber Mitte dieses Jahres freischalten wollen (siehe Kasten "Mehr Bandbreite").

Trotz der Unzulänglichkeiten wollen die Experten WAP nicht als technische Sackgasse verstanden wissen. Die für WAP-Handys heutiger Prägung erstellten Inhalte ließen sich auch über die künftigen Übertragungstechniken verbreiten. Zudem wird das Protokoll ja noch weiterentwickelt - die erste HTML-Version bot, verglichen mit dem Release 4, schließlich auch nur einen geringen Funktionsumfang.

WAP-GatewayAlle großen Mobilfunknetzbetreiber haben WAP-Gateways eingerichtet. Sie bilden die Nahtstelle zwischen dem Internet und dem GSM-Netz. Doch für den sicheren Zugriff auf Daten, etwa für Finanztransaktionen oder die Abfrage von Unternehmensdaten, sollten Firmen nach Ansicht von Fachleuten eigene Gateways betreiben, was WAP-Applikation allerdings wesentlich aufwendiger macht. Beispielsweise betreibt die Deutsche Bank 24 für ihr Pilotprojekt "Mobile Brokerage" ein eigenes WAP-Gateway, da nur so eine verschlüsselte Ende-zu-Ende-Verbindung zwischen Handy und Gateway aufgebaut werden könne.

Mehr BandbreiteMit General Packet Radio Service (GPRS) lassen sich Datenpakete mit höherer Bandbreite (bis zu 115,2 Kbit/s) verschicken als in den Mobilfunknetzen. Außerdem ist der Handy-Nutzer auf diese Weise immer "online", zahlt aber nicht für die Verbindungsdauer, sondern für die übertragenen Daten. Allerdings benötigt er dafür ein neues GPRS-fähiges Handy, denn die heutigen WAP-Mobiltelefone, funktionieren nicht mit GPRS. Zudem gibt es keine Garantie auf gleichbleibend hohe Datenraten: Die GPRS-Nutzer in einer Funkzelle müssen sich die vorhandene Kapazität teilen. Wesentlich höhere Bandbreiten von bis zu einem Mbit/s werden erst Universal-Mobile-Telecommunications-System-(UMTS-)Netze liefern, doch deren Marktreife wird wohl noch bis 2002 auf sich warten lassen.

Abb.: Auch wenn viele Experten WAP als Übergangslösung betrachten, haben von 50 befragten Firmen über die Hälfte Projekte gestartet. Quelle: Forrester Research