Getrennte Wege gehen

Wann und wie der Chef kündigen darf

31.10.2011
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Ordentliche Kündigungsfrist

Gemäß § 622 BGB gelten für Angestellte wie Arbeiter grundsätzlich folgende gesetzliche Kündigungsfristen für Arbeitgeberkündigungen:

  • Bei Arbeitsverhältnissen bis unter zwei Jahren: Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats

Ohne Einrechnung vor Vollendung des 25. Lebensjahres liegender Beschäftigungszeiten gemäß § 622 II 2 BGB erhöhen sich die Fristen für die Arbeitgeberkündigung gemäß § 622 II 1 BGB stufenweise wie folgt:

  • Bei zwei Jahre bestehendem Arbeitsverhältnis: einen Monat zum Ende des Kalendermonats

  • Bei fünf Jahre bestehendem Arbeitsverhältnis: zwei Monate zum Ende des Kalendermonats

  • Bei acht Jahre bestehendem Arbeitsverhältnis: drei Monate zum Ende des Kalendermonats

  • Bei zehn Jahre bestehendem Arbeitsverhältnis: vier Monate zum Ende des Kalendermonats

etc. ...bis sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats bei 20 Jahre bestehendem Arbeitsverhältnis

Es ist auch ein Berufsausbildungsverhältnis, aus dem der Auszubildende in ein Arbeitsverhältnis übernommen wurde, zu berücksichtigen (BAG Urteil vom 02.12.99 zu 2 AZR 139/99).

Laut § 622 II BGB sollen bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer Zeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahres des Arbeitnehmers liegen, nicht berücksichtigt werden. Die Vorschrift ist eine Diskriminierung wegen Alters und verstößt gegen das AGG. Sie ist nicht mehr anzuwenden.

Kürzere Fristen als die der gesetzlichen Kündigungsfristen nach § 622 1-3 BGB können gemäß § 622 IV BGB nur tarifvertraglich, nicht einzelvertraglich vereinbart werden. Sonderfall hierzu ist der noch genauer zu erläuternde § 622 V BGB.

Die Vereinbarung von längeren Kündigungsfristen als der Kündigungsfristen nach § 622 I bis III BGB ist wirksam gemäß § 622 V 3 BGB möglich. Hierbei darf jedoch gemäß § 622 VI BGB keine längere Frist für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer vereinbart werden als für die Kündigung durch den Arbeitgeber. Bei Verstoß gegen § 622 VI BGB gilt nach Rechtsprechung bzw. Arbeitnehmerschutz die längere Kündigungsfrist für beide Vertragspartner.

Sonderfälle des § 622 BGB:

Gemäß § 622 III BGB kann ein Arbeitsvertrag mit vereinbarter Probezeit mit einer Frist von 2 Wochen gekündigt werden, solange die Probezeit nicht 6 Monate überschreitet.

Gemäß § 622 V BGB kann eine "kürzere" Kündigungsfrist als die 4-Wochen-Frist des § 622 I BGB vereinbart werden im Fall eines zur vorübergehenden, nicht länger als 3 Monate dauernden Aushilfe eingestellten Arbeitnehmers gemäß § 622 V Nr.1 BGB oder gemäß § 622 V Nr. 2 BGB bei Kleinbetrieben von höchstens 20 Mitarbeitern ohne Einrechnung von Auszubildenden bei gemäß § 622 V 2 BGB abgestufter anteiliger Anrechnung von Teilzeitbeschäftigten entsprechend der Berechnungsstaffelung des § 23 I 4 KSchG. § 622 V I BGB wird wie folgt ausgelegt: Es kann von der Terminierung der vierwöchigen Kündigungsfrist zum Fünfzehnten bzw. Monatsende abgewichen werden.

§ 622 V BGB regelt eine Ausnahme zu § 622 I BGB nicht zu § 622 II BGB.

Besondere Kündigungsfristen

Bei Auszubildenden ist während der höchstens dreimonatigen Probezeit (§ 13 BBiG) die Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses gemäß § 15 I BBiG jederzeit ohne Einhalten einer Kündigungsfrist möglich.

Gemäß § 113 I InsO kann ein Dienstverhältnis vom Insolvenzverwalter und vom Dienstverpflichteten ohne Rücksicht auf eine vereinbarte Vertragsdauer oder Kündigungsausschluss gekündigt werden mit einer Frist von 3 Monaten, falls nicht eine kürzere Frist maßgeblich ist.

Die Angabe einer entgegen zwingende Vorschriften des § 622 BGB gesetzten Kündigungsfrist hat nicht die Unwirksamkeit der Kündigung selbst zur Folge. Das Arbeitsverhältnis endet bei sonstiger Wirksamkeit der Kündigung als solche zum rechtmäßig nächstmöglichen Zeitpunkt.

Die Berechnung der Kündigungsfrist richtet sich nach §§ 186 ff BGB. Gemäß § 187 I BGB ist der Tag, an dem gekündigt wird, nicht in die Frist einzurechnen. So muss z.B. bei einer Kündigungsfrist zum Monatsende mit einmonatiger Frist nach § 622 II 1 Nr. 1 BGB spätestens am letzten Tag des Vormonats gekündigt werden gemäß § 188 III BGB. Wenn der letzte Tag, an dem die Kündigung zu erklären wäre, auf einen Samstag, Sonn- oder staatlich anerkannten Feiertag fallen sollte, müsste die Kündigung spätestens an diesem freien Tag zugehen. Der Zugang am Tag darauf entsprechend § 193 BGB gilt nicht für die Erklärungsfrist der Kündigung. Sonst würde es zu einer Verkürzung des Laufs der Kündigungsfrist kommen und nicht zu der von § 193 BGB intendierten Verlängerung der Frist, sofern deren letzter Tag auf einen Feiertag fällt.

Weitere Informationen zum Thema und Kontakt:

Michael Henn, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Präsident des VdAA, c/o Dr. Gaupp & Coll, Stuttgart, Tel.: 0711 305893-0, E-Mail: stuttgart@drgaupp.de, Internet: www.drgaupp.de und www.vdaa.de

Christian Lentföhr, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Mitglied im VdAA, c/o W. Schuster und Partner GmbH, Schuster, Lentföhr & Zeh, Tel.: 0211 658810, E-Mail: lentfoehr@wsp.de, Internet: www.esp.de