Mini-Hersteller setzt auf Öffnung seiner VS-Architektur

Wang schöpft aus positivem Quartal Mut für die Zukunft

02.11.1990

LOWELL (CW) - Für die Wang Laboratories zeichnet sich ein leichter Silberstreif am Horizont ab. Nach einer Durststrecke von sieben Quartalen, die alle rote Zahlen aufwiesen, konnte der Minicomputer-Hersteller endlich wieder einen Gewinn verbuchen.

Wie von der Wang Deutschland GmbH zu erfahren war, hat die Company weltweit einen Nettogewinn von 2,6 Millionen Dollar im ersten Quartal des neuen Geschäftsjahres erwirtschaftet. Positiv sei im vergangenen Jahresviertel, das am 30. September 1990 endete, aber auch die Bilanz der deutschen GmbH gewesen. Sie hat eigenen Angaben zufolge einen Betriebsgewinn von 3,5 Millionen Dollar sowie ein positives Nettoergebnis erzielt, dessen Höhe allerdings nicht bekanntgegeben wurde.

Im vergleichbaren Quartal des Vorjahres wies die Wang Inc. laut "Wall Street Journal Europe" noch einen Nettoverlust von 61,2 Millionen Dollar und ein Minus von 38 Cents pro Aktie aus, nachdem das Unternehmen rund 13 Millionen Dollar in die Umstrukturierung investiert hatte. Der Umsatz fiel damals um rund fünf Prozent von 604,8 auf 571,5 Millionen Dollar.

Für Wang bedeutet der positive Abschluß des Quartals einen Lichtblick nach einer Reihe von Rückschlägen. Im letzten Geschäftsjahr schrieb der Konzern ein Minus von 715,9 Millionen Dollar, mußte rund

10 000 Beschäftigte entlassen und war darüber hinaus gezwungen, Fertigungskapazitäten zu veräußern, um kurzfristige Verbindlichkeiten abzutragen.

Allerdings wäre auch das letzte Quartal mit roten Zahlen zu Ende gegangen, hätte Wang nicht, so das "Wall Street Journal Europe", 11,8 Millionen Dollar aus einem Immobilienverkauf der Brüsseler Niederlassung eingenommen. Dennoch stieg der Betriebsgewinn abzüglich des Belgien-Geschäfts auf 12,6 Millionen Dollar vor Steuern und lag damit nach dem Minus von 30,1 Millionen Dollar im letzen Geschäftsjahr wieder im Plus.

Trotz des Erfolges sehen die Verantwortlichen bei Wang nüchtern in die Zukunft. Richard Miller, Chairman und Chief Executive Officer des Konzerns, machte zwar den gestiegenen Absatz der leistungsstärkeren Minicomputer als Ursache für den Aufwärtstrend aus, wies gleichzeitig aber auf die Unsicherheit des Marktes hin.

Anlaß zur Euphorie ist nach Ansicht vieler Marktbeobachter für Wang allerdings nicht gegeben. Das Unternehmen hat ihrer Meinung nach seine Sanierung bisher zwar gut vorangetrieben und mit seinem Bekenntnis, die proprietäre VS-Umgebung für andere Industriestandards wie Unix, DOS oder Intel zu öffnen, den richtigen Weg eingeschlagen, es fehlen aber noch ausreichend Produkte und Applikationen. Außerdem könnte sich für Wang als Nachteil erweisen, daß das Unternehmen unter offenen Systemen bisher nur die Öffnung für wenige andere Industriestandards versteht, aber noch keine Festlegung auf OSI-Standards getroffen hat.