Wall-Street-Hausse setzt sich fort, aber die Computerindustrie steht abseits:Mit DV-Aktien kein Blumentopf zu gewinnen

04.04.1986

NEW YORK (ih) - Die Euphorie an Wall Street hält an, doch die Computer-lndustrie steht dabei im Abseits. Nachdem die Broker Standard & Poor für ihren 500er Index in 85 noch rund vierzig Prozent Zuwachs prognostiziert hatte, zeigt sich nun, daß sich speziell die DV-Aktienkurse lediglich näher an ihrem Höchstals an ihrem Tiefststand bewegten.

Unternehmen wie Apollo Computer Inc., deren Aktien um die 16 Dollar, Data General Corp. um die 37 Dollar oder Wang Laboratories um die 22 Dollar gehandelt werden, sind nach Ansicht der amerikanischen Analysten typisch für diesen Trend. "Sie reflektieren den Zustand des gegenwärtigen Marktes", erklärt William Easterbrook, Mitarbeiter von Kidder Peabody in San Francisco. "Die Nachfrage nach DV-Anlagen liegt nämlich zwischen mäßig bis schlecht. Für bundesdeutsche Börsenkenner stehen die Gründe hierfür fest: Einmal sorgen die Folgen der US-Konjunktur nicht selten für Gewinneinbrüche, und der relativ hohe Nettozins ist für viele investitionstötend. Dazu kommt, daß die Steuerreform in den USA immer noch für Unsicherheiten sorgt.

Auch IBM mußte einen Rückgang des Jahresgewinns vermelden. Die Gewinnerwartungen waren zu optimistisch formuliert worden und wurden daraufhin für 1986 auf 12,5 Dollar pro Aktie zurückgestuft. Big Blue fiel nach einem Hoch Mitte Februar von 160 Dollar zurück auf 148 Dollar. Nach Meinung von Branchenkennern bewegt sich die Aktie aber noch in einem intakten Aufwärtstrend.

Auch die Burroughs Corp., Concurrent Computer Corp. und Convergent Technologies haben die Börse darauf hingewiesen, daß sie für das dritte Quartal geringere Gewinne als prognostiziert erwarten. Erinnerungen an das Jahr 1983 tauchen bei den Brancheninsidern auf. Die Aktien etlicher DV-Unternehmen, die damals an die Börse gingen, werden inzwischen nur noch zu einem Bruchteil ihres Anfangswertes gehandelt.

Auch die Zurückhaltung bei Investitionen spielt für die geringen Unternehmensgewinne in der DV-Branche eine wichtige Rolle. Die Investmentfirma Smith Barney, Haris Upham, prognostiziert, daß die Investitionen im ersten Quartal 19865 verglichen mit dem vierten Quartal (...) vergangenen Jahres um 11,3 Prozent zurückgehen. Für das zweite Quartal 1986 werden immerhin 4,9 Prozent mehr Investitionen erwartet. Das gesamte Kalenderjahr jedoch soll lediglich mit einer Zuwachsrate von 2,6 Prozent zu Buche schlagen.

"Man muß diese Zahlen mit den Zuwachsraten von 1984 gegenüber 1983 (22 Prozent), sowie 1985 gegenüber 1984 (8,6 Prozent) vergleichen", betont Tim Summers, Analyst bei Smith Barney. Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen sieht er allerdings keine allgemeine Flaute in der DV-Branche. Schließlich hätten sich die Aktien von Digital Equipment Corp. in den vergangenen zwölf Monaten verdoppelt. Dazu ein bundesdeutscher Börsianer: "Was ist das schon verglichen mit dem Index . (...) Computern-Aktien ist heute kein Blumentopf mehr zu gewinnen."