Strategisches IT-Management

Wachstumsmotor und Kostenkiller

19.03.2004
Die Unternehmens-IT entwickelt sich immer mehr zum kritischen Erfolgsfaktor im Wettbewerb. Viele Firmen lassen dieses Potenzial jedoch ungenutzt. Mangelhafte IT-Strategien verhindern oftmals, dass signifikante Wachstumschancen genutzt und beträchtliche Kosten eingespart werden. Dagegen kann eine IT-Strategie, die integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie ist, dem Wachstum nachhaltige Impulse geben.Von Dirk Buchta*

Wenn IT-Verantwortliche einen Termin beim Vorstand ihres Unternehmens haben, fühlen sie sich oft als Bittsteller: Ihre Budgets gelten meist als Bestandteil der Gemeinkosten und die - so lautet nun mal die eherne Regel - müssen stetig überprüft und nach Kräften reduziert werden. In der Tat: Die überwiegende Mehrzahl der Positionen, die sich zum kompletten IT-Budget aufaddieren, repräsentieren Betriebs- und Wartungskosten. Verschiedene Studien von A.T. Kearney haben gezeigt, dass bis zu 95 Prozent aller Aufwendungen für Informationstechnik in Unternehmen dazu dienen, den normalen Alltagsbetrieb sicherzustellen. Fünf Prozent der IT-Budgets stehen den Verantwortlichen für Projekte zur Verfügung, die die Neu- und Weiterentwicklung von IT-Lösungen verfolgen und dem Unternehmen wertvolle Wettbewerbsvorteile sichern können.

Diese Situation, die vielen CIOs das Leben schwer macht, ist historisch gewachsen. In den 70er Jahren begannen die meisten Unternehmen mit dem Aufbau eigener Rechenzentren, um die papiergebundenen Prozesse der Administration zu vereinfachen und zu beschleunigen. Rechnungen konnten früher erstellt werden, Mahnzyklen wurden verkürzt und Zahlungseingänge beschleunigt. In den 80er Jahren sorgte dann die Integration von PCs in die Systemlandschaften abermals für eine Senkung der Geschäftskosten, und die IT kümmerte sich zunehmend um die Beschleunigung und Verbesserung ganzer Prozessketten. Schon Mitte der 80er Jahre machten Systeme wie SAP R/2 integrierte Abläufe vom Einkauf über Lagerwirtschaft und Vertrieb bis hin zur Buchhaltung und zum Controlling möglich. Seit den 90er Jahren bieten ERP-Systeme, CRM-Anwendungen und Lösungen zum Supply Chain Management die Integration und Kontrolle von komplexen Prozessen über die Unternehmensgrenzen hinweg vom Lieferanten des Lieferanten bis zum Kunden des Kunden. Im Zuge dieser Entwicklung etablierte sich in den meisten Unternehmen eine klare Zuteilung von Kosten und Nutzen: Die durch elektronische Buchhaltung eingesparten Mittel entlasteten die administrativen Budgets; die Kosten, die für Betrieb und Wartung der Systeme anfielen, belasteten das IT-Budget.

An dieser Sichtweise hat sich auch in den vergangenen fünf Jahren nur wenig geändert. Dennoch hat sich der Einsatz von IT in diesem Zeitraum grundsätzlich gewandelt. Durch die Anbindung von Unternehmen an das Internet steigert die IT nicht mehr nur die Effizienz vorhandener Systeme und bestehender Prozesse, sondern auch den Unternehmenswert.

IT als kritischer Erfolgsfaktor

Heute unterstützen Informationssysteme die Unternehmen bei der Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen, sie helfen, neue Märkte zu erschließen und die Herausforderungen der Globalisierung zu bewältigen, vielfach ist die IT sogar selbst zum umsatzrelevanten Bestandteil bestehender Produkte geworden. IT wirkt unmittelbar auf die gesamte Geschäftstätigkeit. Damit verändert sich auch die Motivation für Investitionen in die Informationstechnik: Erstes Ziel ist nicht länger ihr Potenzial, die Kosten interner Abläufe zu reduzieren und deren Qualität zu erhöhen. Vielmehr gibt das Wertpotenzial der IT-Systeme selbst den Ausschlag für Investitionsentscheidungen.

Befreiung aus der Gemeinkostenfalle

Um diese Entscheidungen auch begründet treffen zu können, muss sich die IT zunächst aus der klassischen "Gemeinkostenfalle" befreien. Dazu gilt es Steuerungs-, Planungs- und Kontrollprozesse zu entwickeln, die es ermöglichen, die Kosten der Informationstechnik in eine kalkulierbare Relation zu ihrem Nutzen zu stellen. IT-Ausgaben müssen sich daran messen lassen, welchen Beitrag sie zur Wertsteigerung des gesamten Unternehmens leisten.

Um die nötige Transparenz über IT-Kosten und IT-Erträge zu erreichen, müssen diese Kosten mit den sie verursachenden Fachabteilungen und -bereichen auf Transaktionsbasis verrechnet werden können. So lässt sich eine Verbindung zwischen den IT-Kosten und den Hauptkennzahlen des jeweiligen Geschäfts herstellen. Damit entsteht eine Grundlage, auf der ein echtes "Benchmarking" der IT-Dienstleister - gleich ob intern oder extern - möglich wird. Dabei ist es das Ziel, einen Bewertungsrahmen zu entwickeln, in dem eine faire Kosten-Nutzen-Analyse der IT möglich wird.

Aktive Gestaltung statt Handwerkertum

Damit kann sich auch die Rolle der IT innerhalb des Unternehmens verändern. Sie ist nicht länger die "Handwerker-Abteilung" der Firma, sondern kann aktiv bei der Gestaltung und Entwicklung des Unternehmens mitwirken. Die IT-Abteilung wird nicht erst dann in Marsch gesetzt, wenn es darum geht, bereits geplante Initiativen zur Wertsteigerung umzusetzen. Vielmehr ist sie selbst ein Werttreiber, dessen Aufgabe darin besteht, Potenziale für das Unternehmen zu identifizieren und deren Realisierung aktiv zu betreiben. Übrigens geht es dabei nicht nur um Reduktionen auf der Kostenseite (Bottom-Line), sondern selbstverständlich auch um Steigerungen des Unternehmensumsatzes (Top-Line).

Studien von A.T. Kearney haben gezeigt, dass Unternehmen je nach Branche zwischen einem und sieben Prozent ihres Umsatzes für Informationstechnik ausgeben. Davon 20 Prozent einzusparen würde eine Kostensenkung in Höhe von 0,2 bis 1,4 Prozent des Umsatzes bedeuten. Sind die IT-Budgets nur groß genug, ist das viel Geld. Den IT-Kosten stehen allerdings Gesamtkosten in Höhe von etwa 90 Prozent des Umsatzes gegenüber. Hier muss nun gefragt werden, ob nicht kürzere Durchlaufzeiten, höhere Qualität, stärkere Kundenbindung und intelligenteres Produktdesign deutlich bessere Auswirkungen auf die Gesamtkosten eines Unternehmens haben als die kurzfristige Senkung der IT-Kosten um einige Prozent.

Wettbewerbsvorteile aufbauen

Unternehmen haben damit begonnen, die Potenziale ihrer IT als Werttreiber zu erschließen. Dabei handelt es sich nicht nur um Firmen aus Branchen mit traditionell starkem IT-Schwerpunkt wie etwa Finanzdienstleister, Telekommunikationsunternehmen oder Energieversorger. Vielmehr waren beispielsweise auch Landmaschinen- und Büromöbelhersteller durch den gezielt umsatzsteigernden Einsatz von Informationstechnologie in der Lage, Wettbewerbsvorteile aufzubauen, bei denen die Konkurrenten nur schwer nachziehen können. Diese Wettbewerbsvorteile zu ermöglichen ist das Ziel des strategischen IT-Managements.

Wie gesagt: Zentrales Element eines strategischen IT-Managements ist die Wertsteigerung des Unternehmens. Folglich muss sich die IT-Strategie unmittelbar aus der Unternehmensstrategie ableiten beziehungsweise sie mitgestalten. Nur so lässt sich sicherstellen, dass die Informationssysteme schnell und flexibel an wechselnde Anforderungen des Marktes angepasst werden können und die IT damit zum Motor für Wachstum und Geschäftsentwicklung wird. Der Wandel der IT hin zum "Enabler" muss bewusst gestaltet werden, damit die Anwender auf allen Unternehmensebenen den tatsächlichen Wert der IT realisieren. Dazu sind klare Transformationsprozesse erforderlich.

Der Wert der IT muss mess- und steuerbar sein. Dazu ist es nötig, dass der organisatorische Rahmen der IT-Governance eine "Straßenverkehrsordnung" für die IT im Untenehmen vorgibt. Eine IT-Planung, die integraler Bestandteil der Unternehmensplanung ist, identifiziert Möglichkeiten zur Kostensenkung und verhindert gleichzeitig, dass zu knappe IT-Budgets das Unternehmenswachstum ausbremsen. Ganzheitliche Führungs- und Steuerungsinstrumente sorgen für ein IT-Performance-Management, mit dem die IT in unmittelbarer Anbindung an die Unternehmensstrategie quantifiziert und gesteuert wird.

Intelligent sparen

Auch ein strategisches IT-Management kommt nicht ohne stetige Kontrolle und Reduktion der IT-Kosten aus. Allerdings sollte das nicht pauschal nach der Rasenmähermethode, sondern gezielt geschehen. Hier gilt es, die IT-Budgets von den Posten zu entlasten, denen keine wertsteigernden Erträge gegenüberstehen. Systeme und Anwendungen, die nicht unmittelbar zur Kernkompetenz der unternehmenseigenen IT zählen, also dem Unternehmen keinen unmittelbaren Wettbewerbsvorteil bieten, müssen ausgelagert werden. Hier bietet sich die Gründung interner IT-Dienstleister ebenso an wie auch die Fremdvergabe im Rahmen des IT-Outsourcing und des Offshoring. Diese Initiativen eröffnen innerhalb der IT weiteres Kostensenkungspotenzial und schaffen so Gestaltungsspielräume für wertsteigernde Projekte. (rg)

*Dr. Dirk Buchta leitet als Vice President bei der Management-Beratung A.T. Kearney den Bereich der strategischen IT in Zentraleuropa und ist Co-Autor des soeben erschienenen Buches "Strategisches IT-Management".

Wert und Kosten

- Die IT-Strategie muss ein integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie sein.

- IT-Governance schafft den organisatorischen Rahmen für wertsteigernden IT-Einsatz.

- Die IT-Planung ist ein integraler Bestandteil der Unternehmensplanung.

- Das IT-Performance-Management ermöglicht die ganzheitliche Steuerung der IT.

- Die IT soll billiger werden, ohne dass ihr Nutzen geschmälert wird.

Abb: Vorhandene ERP-Systeme optimieren

Viele Unternehmen haben in die Einführung von ERP-Systemen investiert, ohne die angestrebte Wirkung auf die Geschäftsprozesse zu erzielen. Dies bleibt in den kommenden Jahren eine der wichtigsten Aufgaben. Quelle: A. T. Kearney