Blick in die Glaskugel/Meta Group definiert Megatrends

Wachstum nur in einzelnen Märkten

09.01.2004
Die Meta Group geht für das kommende Jahr insgesamt von einem Nullwachstum im Informations- und Kommunikationsmarkt in Deutschland aus. Allerdings lassen sich einige IT-Märkte identifizieren, in denen ein Plus zu erwarten ist. Die kurzfristigen Entwicklungen für 2004 sind Teil längerfristiger Strömungen, die Meta Group in zehn Megatrends zusammenfasst.Von Luis Praxmarer*

2004 wird der gesamte Markt für Informations- und Kommunikationstechnik in Deutschland nicht zulegen. Aber selbst ein Nullwachstum würde den rückläufigen Trend der Vorjahre brechen. Allerdings unterscheiden sich die einzelnen Bereiche stark. Die Meta Group rechnet mit folgenden Entwicklungen:

- Hardware geht immer noch zurück, sowohl Server wie auch PCs. Eine Ausnahme bilden Notebooks, die stark zulegen.

- Datenkommunikation und Netzwerkinfrastruktur bleiben rückläufig.

- Software hält sich auf dem heutigen Niveau.

- Der Dienstleistungsmarkt entwickelt sich ohne klaren Trend. Consulting und Implementierung schrumpfen weiter, Betriebsunterstützung (Operation Management) wächst, Support-Services bleiben konstant.

- Im Bereich Telekommunikationsdienste sind klassische Dienste leicht rezessiv. Alles, was mit Mobiltelefon, Internet und Online zu tun hat, legt stark zu.

Die Meta Group rechnet erst in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres mit einer spürbaren Steigerung der IT-Ausgaben. Bereits jetzt erwarten 57 Prozent der befragten IT-Vorstände höhere Budgets. Allerdings werden sie sich gleichzeitig weiter stark auf Kostensenkung konzentrieren, weil sie neue Projekte nur über Einsparungen finanzieren können. Auch der Druck, neue Investitionen über den Nachweis ihres geschäftlichen Nutzens abzusichern, bleibt bestehen.

Die Zeit der großen Projekte im ERP- oder im CRM-Bereich ist vorbei. Es geht mehr um Erweiterungen, Anpassungen, niedrigere Betriebskosten und um kurze Teilprojekte, die sich schnell rentieren. Die Integration der vorhandenen Systeme und der B-2-B-Geschäftsprozesse mit anderen Unternehmen bietet noch ein großes Einsparungspotenzial. Dazu gehören Themen wie Enterprise- und Inter-Enterprise Application Integration (EAI und IAI), Portale, Content-Management, Applikationsentwicklung, BI, aber auch Applikations-Management. In kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) gibt es noch einen größeren Nachholbedarf im Applikationsumfeld. Damit bleiben Themen wie Enterprise Resource Planning, Sales Force Automation, Supply Chain Management, Customer Relationship Management und Business Intelligence von Interesse.

Open Source und Linux spielen eine zunehmend wichtige Rolle in Behörden, KMU und Großunternehmen.

Das Thema Mobility entwächst langsam, aber sicher den Kinderschuhen. Es gilt jetzt alle Komponenten wie Handys, PDAs, Notebooks und WLANs in die Geschäftsprozesse zu integrieren.

Abgesehen von den hier beschriebenen kurzfristigen Entwicklungen bleiben einige Grundtendenzen weiter gültig, die die Meta Group in zehn Megatrends beschreibt.

Trend 1 - Information Utility

Allgegenwärtige Verfügbarkeit von Informationseinrichtungen: zeit- und standortunabhängiger Zugriff auf digitale Informationen und Informationsdienste für geschäftliche wie persönliche Entscheidungen. Service-Hardware-Architekturen vermischen sich zunehmend: Es gibt keine klare Abgrenzung zwischen den einzelnen Umgebungen (Unix, NT, OS/390, Linux), sondern die Auswahl basiert mehr auf Applikationsaffinität, Integrationsfähigkeit, Verwaltbarkeit und Verfügbarkeit. Alle wichtigen Umgebungen können hohe jährliche Wachstumsraten erwarten; dabei führt Windows mit 50 Prozent vor Unix/Linux mit 40 Prozent und OS/9000 mit 30 Prozent Wachstum im Jahr 2004. Shared Services (zum Beispiel Speicher-Management, Middleware, System-Management) überspannen Server-Plattformen, was dazu führt, dass Unternehmen sich auf eine gemeinsame IT-Infrastruktur und die Unterstützung der Organisationsstrukturen konzentrieren.

Trend 2 - Pervasive Computing und Connectivity

In den Industrienationen wird von jedem Standort aus ein breitbandiger Netzzugang vorhanden sein, der den Nutzer jederzeit mit einer Matrix weltweiter Informationsnetzwerke, Services und Einzelpersonen verbindet, und zwar mit jedem digitalen Device. Dabei wird das Management der verschiedenen Kommunikationsformen und -dienste für die Unternehmen einfacher.

Im Jahr 2004 werden fast 40 Prozent der Mitarbeiter drei bis vier mobile Geräte einsetzen und damit direkt auf unternehmensweite Applikationen zugreifen. Im Sektor des mobilen Datenverkehrs ist mit einer jährlichen Preis- Leistungs-Verbesserung zwischen 20 und 30 Prozent zu rechnen. Dies treibt die Fokussierung auf das "Human Capital und die Geschäftsprozess-Dezentralisierung. Die Management-Fähigkeit - oder zumindest die vermeintliche - wird erheblich ausgeweitet. Das permanente Eingeschaltet- und Verbundensein bringt die "Information Junkies hervor. Mobiltelefone und Milliarden von SMS-Nachrichten sind nur ein erster Vorgeschmack. Ob Palm, Handy, Notebook, Wearable Computers, intelligente Geräte oder das intelligente Auto - Informationstechnologie wird allumfassend sein.

Trend 3 - ergonomisches Interface

Ein intuitives, selbstlernendes und anpassungsfähiges Anwender-Interface ist gefragt, denn nur damit können auch Computer-Laien endgültig von den Segnungen der IT überzeugt werden. Ob Spracherkennung oder kognitive Designs und Architekturen - das Marktpotenzial ist groß (beispielsweise für Selbstbedienungslösungen). Allerdings darf der Forschungsaufwand dafür nicht unterschätzt werden. Davon ausgehend, sieht Meta hauptsächlich die großen Unternehmen wie Microsoft, IBM und Sony in diesem noch sehr jungen Markt. Die Wertschöpfung geht weg vom reinen physikalischen Gerät auf die logische Abstraktionsebene. Um 2003/04 kommen neue Business-Design-Methoden und -Tools zum Implementieren "ergonomischer Applikationen auf den Markt - ein entscheidendes Kriterium für Kundengewinnung und -bindung.

Trend 4 - Information Storage

Nach Storage Area Network (SAN) und Network Attached Storage (NAS) kommen verstärkt Speichervirtualisierungskonzepte auf die Anwender zu.. Bei der Entwicklung von Storage-Technologie wird sich das Preis- Leistungs-Verhältnis sowie die Kapazität exponentiell verbessern (schneller als Moores Gesetz für Mikroprozessoren).

Trend 5 - Security

Für E-Commerce, E-Business und Inter-Enterprise-Collaboration ist Informationssicherheit im Hinblick auf Geschäftsrisiko, Markenwert und strategische Flexibilität ein entscheidender Faktor. Der Markt ist noch sehr zersplittert, und es gibt keine klare Marktdominanz. Nach dem 11. September 2001 ist das Thema Sicherheit und Schutz der Daten noch stärker in den Vordergrund gerückt. Standardmäßige Security für die "Massen" sowie das schnelle Auf- und Abbauen von granularen Security-Services zur umfassenden Reaktion auf individuelle Servicebedürfnisse mit kontrollierbaren sozialen und wirtschaftlichen Risiken ist das nächste Thema.

Trend 6 - Sourcing

Jeder interne Geschäftsprozess muss gegenüber extern angebotenen Services wettbewerbsfähig sein. Zu den traditionellen Anbietern wie IBM und EDS kommen viele IT-Organisationen der großen deutschen Konzerne wie Siemens Business Services (SBS), T-Systems etc. hinzu. Business Process Outsourcing, also der Einkauf ganzer Geschäftsprozesse von externen Dienstleistern dürfte ein wichtiges Geschäftsfeld für diese Anbieter werden. Das Personal Management wird schwieriger: Was will man selbst erledigen, was auslagern, was bedeutet das für die eigenen Mitarbeiter, Zulieferer, Outsourcer, Dienstleister, Systemintegratoren und Berater? Speziell bei zeitlich begrenzten Anforderungen können Konzepte wie Service on Demand erhebliche Vorteile bringen. Viele neue Projekte gelingen nur mit Hilfe von externem Know-how. Eine Rolle spielen Knowledge-Management, E-Learning und Cultural Change.

Trend 7 - Unternehmensübergreifende Prozessinnovation

In vielen Firmen müssen operative Applikationen noch integriert werden. Um 2004 wird die Business Collaboration Electronic Points-of-Presence (EPOP) abhängt. Die IT wird zum Agenten des Wandels. Kundenwissen und Kundenloyalität, Knowledge-Management und eine agile IT-Organisation, Service- und Partnerstrukturen sind die Wettbewerbsvorteile.

Trend 9 - Commoditization, Mergers and Acquisitions

Der Produkt- und Service-Preisverfall führt zur Commoditization, also der standardmäßigen Verfügbarkeit von Produkten und Services auch über Branchen hinweg. Dies wird durch eine zunehmende Auflösung der Branchentrennung noch verstärkt. Die Liberalisierung im Telekommunikations- und Energieversorgungsmarkt vermittelt davon einen ersten Eindruck. Durch die weltweite Erreichbarkeit kommen zusätzliche Wettbewerber mit neuen, oft unbekannten Spielregeln auf den Markt. Produkte und Dienstleistungen werden zerlegt und neu verpackt, umgeformt und durch andere Unternehmen wieder als neues Produkt verkauft. Diese "disaggregation and reintermediation führt zu einer starken Veränderung in der Versorgungskette (Supply Chain). Informationen, Produkte und Dienstleistungen werden pausenlos zugänglich. Die notwendigen Investitionen sind in den meisten Segmenten überschaubar bis sehr gering; IT- und Telekom-Services sind allen Nutzern zu fast demselben Preis zugänglich. Neu und Alt wird gemischt, was zu starken Transformationen in den Organisationen und Märkten führt. Zu erwarten sind deshalb viele Fusionen und Übernahmen. Die Integrationsarbeiten für eine emotionale Integration der Mitarbeiter und auch die Integration der IT-Infrastruktur und -Applikationen nehmen gigantische Ausmaße an. So manches Unternehmen wird daran zerbrechen, und bereits heute werden bei Übernahmen oft mehr Unternehmenswerte vernichtet als neue geschaffen.

Trend 10 - Neo-Renaissance

Neo-Renaissance hat gravierende Auswirkungen auf den Lebensstil und die Geschäftskultur, die sich durch den umfassend vernetzten Kunden und den in der Regel nicht mehr festangestellten Arbeitnehmer auszeichnet. Neo-Renaissance ist ein Paradigmenwechsel von einer organisationsorientierten zu einer am Individuum orientierten Umgebung mit Konzentration auf das Zuhause, lokale und virtuelle Gemeinschaften beziehungsweise - um beim englischen Ausdruck zu bleiben - "Communities. Neo-Renaissance bedeutet die Wiedergeburt des Einzelnen. Sie beschreibt einen neuen Lebensstil, eine neue Geschäftskultur und neue Organisationen. Die Fähigkeit und Freiheit jedes Einzelnen, seinen individuellen Lebensstil zu verwirklichen, sowie das Vertrauen in und die freiwillige Identifikation mit der Marke, dem "Brand des Unternehmens, sind die Erfolgskriterien der Zukunft. (ciw)

*Luis Praxmarer ist Senior Vice President und Consulting Director der Meta Group für Europa, den Nahen Osten und Afrika (Emea).

Agenda 2004

- Erst in der zweiten Hälfte des Jahres werden die IT-Ausgaben spürbar steigen.

- Kostensenkungen gewinnen stark an Bedeutung, weil sich neue Projekte nur so finanzieren lassen.

- Die Zeit der großen ERP- und CRM-Projekte ist vorbei. Es wird darum gehen, Erweiterungen und Anpassungen vorzunehmen und die Betriebskosten zu senken.

- Komponenten wie Handys, PDAs, Notebooks und WLANs müssen in die Geschäftsprozesse integriert werden.

Abb.1: CIOs erwarten höhere Ausgaben

Mehr als die Hälfte der CIOs (57 Prozent) werden die Ausgaben 2004 steigern - die meisten im Bereich zwischen 0 und zehn Prozent. Auf der anderen Seite wollen 25 Prozent die Ausgaben reduzieren. Quelle: Meta Group

Abb.2: Anwender investieren in Middleware, Portale und Applikations-Server

Content-Management gewinnt vor allem in großen Unternehmen an Bedeutung, Betriebssysteme sind kein zentrales Thema mehr. Quelle: Meta Group