Zugeständnisse an Branchengrößen

W3C verabschiedet neue Patentpolitik

13.06.2003
MÜNCHEN (CW) - Lange hatte das World Wide Web Consortium (W3C) nach einer Regelung gesucht, die verhindern soll, dass patentierte Technik die Weiterentwicklung von Standards behindert. Nun hat das Gremium eine "Patent Policy" verabschiedet, die Patentinhabern eine Hintertür offen lässt.

Internet-Standards sollen allgemeingültig und weder mit Einschränkungen noch mit Lizenzgebühren behaftet sein. Doch teilweise beschreiben W3C-Spezifikationen Techniken, die sich eine Firma hat patentieren lassen. So hatte beispielsweise das amerikanische Unternehmen Intermind, mittlerweile umfirmiert in Onename Corp., geklagt, da der verabschiedete Standard "Platform for Privacy Preferences" (P3P) die eigenen Patente verletzt. Über P3P werden Web-Surfer in die Lage versetzt, die Weitergabe von persönlichen Daten an Websites selbst zu bestimmen.

Da solche Vorfälle die Weiterentwicklung von Standards be- oder sogar verhindern, strebte das W3C eine verbindliche Lösung an. Dabei musste die Organisation auch berücksichtigen, dass bestimmte Spezifikationen ohne Einbeziehung patentierter Technik möglicherweise gar nicht erst zustande kommen.

Nach drei Jahren Arbeit legte nun die damit beauftragte "Patent Policy Working Group" eine Reihe von Patentrichtlinien vor, die das Standardisierungsgremium kürzlich verabschiedet hat. Demnach sind Firmen, die an W3C-Standards mitarbeiten, grundsätzlich dazu verpflichtet, ihre eingebrachten Techniken kostenlos (Royalty-free) zur Verfügung zu stellen. Allerdings können Mitglieder unter bestimmten Umständen ihre Patente von der Royalty-free-Regelung ausklammern. Sie müssen dies jedoch kurz nach Veröffentlichung des ersten Entwurfs bekannt geben. Alle W3C-Mitglieder sind ferner angehalten, mögliche Patentverstöße in Standardentwürfen umgehend zu melden. Zudem soll es Ausnahmeregelungen geben, falls eine Einigung mit Patentinhabern nicht über die Patent Policy möglich sein sollte. In diesen Ausnahmefällen soll eine "Patent Advisory Group" sich der Sache annehmen. Unter Umständen könnten dann Standards verabschiedet werden, die mit einer Lizenzgebühr behaftet sind. Die Lizenzrichtlinien sind von den W3C-Mitgliedern sowie dem Direktor des Gremiums, Tim Berners-Lee, abzusegnen.

Die Bemühungen des W3C halten IT-Firmen jedoch nicht davon ab, sich andere Standardisierungsgremien zu suchen. So liefern beispielsweise IBM und Microsoft ihre Web-Services-Spezifikationen bei der Organization for the Advancement of Structured Information Standards (Oasis) ab. Einen Zusammenhang mit möglichen Lizenzforderungen lässt IBM jedoch nicht gelten: Man habe Oasis gewählt, da diese Organisation besser geeignet sei, um High-Level-Spezifikationen wie etwa die "Business Process Execution Language" (BPEL) einzubringen.

Nach Darstellung von Don Deutsch, Vice President of Standards Strategy bei Oracle, enthalten die nun vom W3C verabschiedeten Patentrichtlinien Zugeständnisse an IBM und Microsoft. Sowohl der Datenbankanbieter als auch IBM und Microsoft sind in der Patent Policy Working Group vertreten. (fn)