Volkswagen Industrial Cloud

VW will mit AWS-Hilfe seine Produktivität verbessern

27.03.2019
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Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
VW hat mit Amazon Web Services (AWS) eine globale, auf mehrere Jahre angelegte Kooperation vereinbart. Mit einer Industrie-Cloud über sämtliche Fabriken hinweg soll die Produktivität des Autobauers deutlich steigen.

Der größte deutsche Autobauer will eine eigene "Volkswagen Industrial Cloud" auf Basis der Amazon-Infrastruktur bauen. In dieser digitalen Produktionsplattform sollen künftig die Daten aller Maschinen, Anlagen und Systeme aus sämtlichen 122 Fabriken des Konzerns zusammenlaufen. Ziel sei es, Abläufe und Prozesse in der Fertigung zu optimieren, um so die Produktivität in den Werken zu steigern.

Gemeinsam mit AWS steuert VW in die digitale Zukunft seiner Autoproduktion.
Gemeinsam mit AWS steuert VW in die digitale Zukunft seiner Autoproduktion.
Foto: Evannovostro - shutterstock.com

VW-Chef Herbert Diess hatte kürzlich das Ziel ausgegeben, dass die eigenen Anlagen bis 2025 um ein Drittel produktiver arbeiten sollen als heute. Mit dem Aufbau der Industrial Cloud schaffe man die Grundlage für eine durchgängige Digitalisierung von Produktion und Logistik, hieß es bei Volkswagen. Die IT auf der Fertigungsebene von Maschinen, Anlagen und Systemen – etwa für die Produktionsplanung und Lagerhaltung – soll über alle 122 Fertigungsstätten des Konzerns hinweg einheitlich gestaltet und verknüpft werden.

Bisher unterscheide sie sich in Teilen von Standort zu Standort. "Wir werden die Produktion als Wettbewerbsfaktor für den Volkswagen-Konzern weiter stärken", sagte Oliver Blume, Vorstandsvorsitzender von Porsche und im Vorstand der Volkswagen AG für die Produktion zuständig. Die strategische Zusammenarbeit mit AWS schaffe dafür wichtige Voraussetzungen.

Zentrale Produktionsplattform für das gesamte VW-Ökosystem

Konkret ist geplant, in den Bereichen Internet of Things (IoT), Machine Learning und Computing Services auf Amazon-Technolo­gien aufzusetzen, die speziell für das Produktionsumfeld entwickelt und für die Anforderungen der Automobilindustrie erweitert werden sollen. Als Architekturbasis dient die neue Digital Production Platform (DPP) der Niedersachsen, an die künftig alle Standorte im Konzern wie auch weitere Unternehmen andocken sollen.

Diese Plattform soll den system- und werksübergreifenden Datenaustausch vereinheitlichen und vereinfachen. Dazu zählten eine effizientere Steuerung des Materialflusses, die frühzeitige Erkennung und Korrektur von Lieferengpässen und Prozessstörungen sowie eine optimierte Fahrweise von Maschinen und Anlagen in jeder Fabrik.

Zentraler Bestandteil der Volkswagen Industrial Cloud ist eine Digital Productioon Platform, die in der AWS-Cloud laufen soll.
Zentraler Bestandteil der Volkswagen Industrial Cloud ist eine Digital Productioon Platform, die in der AWS-Cloud laufen soll.
Foto: VW

Darüber hinaus erhofft man sich bei VW, neue Technologien und Innovationen schneller und standortübergreifend bereitstellen zu können. Mit Hilfe intelligenter Robotik und Analytics wollen die Wolfsburger werksübergreifend Prozesse analysieren und vergleichen. Zudem ließen sich neue Anwendungen, zum Beispiel in der IT-Sicherheit für Anlagen, über die Cloud-basierte Plattform direkt auf alle weltweiten Standorte skalieren. Der Autobauer will an dieser Stelle auch auf Best-Practice-Erfahrungen von AWS setzen.

Die Volkswagen-Verantwortlichen planen sogar noch weiter. Die Industrial Cloud werde als offene Plattform angelegt. Langfristig gehe es auch um die Integration der globalen Lieferkette des Konzerns mit über 30.000 Standorten und mehr als 1500 Zulieferern und Partnerunternehmen. Denkbar sei zudem, dass die Cloud-Plattform grundsätzlich auch für andere Automobilhersteller geöffnet werden könnte. So entstünde ein stetig wachsendes, weltweites industrielles Ökosystem. Verhandlungen mit großen Industrieunternehmen, die Interesse an einer Migration in die Volkswagen Industrial Cloud haben, liefen bereits.

Industrial Cloud startet mit 140 Projekten

Die Arbeiten an der Industrial Cloud beginnen sofort, hieß es. Gemeinsame Expertenteams von VW und AWS sollen das Vorhaben vorantreiben. Zum Start seien bereits 140 Projekte geplant, etwa ein Dienst zur Lokalisierung von Warentransporten innerhalb und außerhalb der Fabrik. In Berlin wollen die Unternehmen ein gemeinsames Industrial Cloud Innovation Center errichten.

Einige Unternehmen wollen ihre IT-Infrastruktur in die AWS-Cloud verlagern - lesen Sie mehr:

Der Pakt mit AWS ist allerdings nicht exklusiv. Erst im Herbst 2018 hatte VW eine strategische Partnerschaft mit Microsoft vereinbart. Gemeinsam will man eine Automotive Cloud auf Azure-Basis aufbauen. Dort sollen künftig sämtliche digitalen Dienste und Mobilitätsangebote der Wolfsburger laufen. Alle Services in den Fahrzeugen der Kern­marke sowie die konzernweite Cloud-basierte One Digital Platform (ODP) sollen auf Microsofts Cloud-Plattform Azure aufgebaut und Dienste wie Azure IoT Edge genutzt werden. "Die strategische Partnerschaft mit Microsoft ist der Turbo für unsere digitale Transforma­tion", sagte VW-Chef Diess damals. VW und ­Microsoft passten gut zusammen und könnten gemeinsam eine zen­trale Rolle dabei spielen, die Mobilität der Zukunft zu gestalten.

Herbert Diess, Vorstandsvorsitzender von VW, muss den Autobauer schnell umbauen und ins digitale Zeitalter führen. Dabei helfen sollen Amazon und Microsoft.
Herbert Diess, Vorstandsvorsitzender von VW, muss den Autobauer schnell umbauen und ins digitale Zeitalter führen. Dabei helfen sollen Amazon und Microsoft.
Foto: Markus Wissmann - shutterstock.com

Auch die Kooperation mit AWS wurde wohl von höchster Stelle bei VW eingefädelt. Diess hat sich erst vor wenigen Tagen auf der "MARS"-Konferenz mit Jeff Bezos getroffen. Der Amazon-CEO nutzt diese Veranstaltung dafür, gemeinsam mit Technik-Evangelisten und Prominenten – in diesem Jahr beispielsweise dem Star Wars-Darsteller Mark Hamill – neueste Technologien rund um Künstliche Intelligenz, Machine Learning, Robotik und Automation zu präsentieren.

Darüber hinaus ging es auf der Mitte März im kalifornischen Palm Springs abgehaltenen Konferenz wohl auch darum, Geschäfte vorzubereiten und Strippen im Hintergrund zu ziehen. Jedenfalls macht Amazon kein großes Aufhebens rund um MARS. Die Presse bleibt außen vor und lediglich über Tweets von Teilnehmerns dringen vereinzelt Schlaglichter an die Öffentlichkeit. Eines davon war ein Selfie mit Bezos, das Diess auf LinkledIn veröffentlichte.

Diess macht Druck

Der VW-Chef, der die Wolfsburger seit rund einem Jahr führt, steht unter massivem Druck, den Konzern umbauen zu müssen. Weil der Autobauer, wie andere deutsche Marken auch, den Trend in Richtung E-Mobilität und andere alternative Antriebstechniken verschlafen hat, muss der Diess jetzt Gas geben. Dabei geht der Manager keiner Konfrontation aus dem Weg. Das bekommen auch die 650.000 VW-Mitarbeiter zu spüren. Mit neuen Techniken ließen sich Autos deutlich einfacher produzieren, so Diess. In der Folge bräuchte man auch weniger Mitarbeiter, rechnete er vor. Derartige Äußerungen sorgen natürlich für Unruhe in der Belegschaft.

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Ein Aspekt hat für Diess jedoch oberste Priorität. Er will die Transfomation seiner Branche nicht anderen überlassen. "Wir wollen nicht zum Hardeware-Lieferanten für Google und Apple werden", sagte er jüngst auf einer Betriebsversammlung und warnte gleichzeitig aber auch: Es sei längst nicht ausgemacht, dass VW den Wandel auch schaffe.