Wolfsburg rüstet für computerintegrierten Konkurrenzkampf auf:

VW will Asiaten aus dem CIM-Feld schlagen

11.12.1987

CW-Bericht, Wolf-Dietrich Lorenz

BERLIN - Gegen die Konkurrenz von heute will die Volkswagen AG mit einer "Fabrik von morgen" angehen. Dazu legte der Automobilkonzern den Grundstein eines Software-Produktionszentrums in Berlin. Ziel ist der Vorsprung im computerintegrierten Konkurrenzkampf vor allem gegenüber den Automobilbauern aus Südkorea und Taiwan.

Gegen den Strom eines aktuellen Arbeitsplatzabbaus in Spree-Athen schwimmt VW-Vorstandschef Carl Hahn. Während DGB-Vorsitzender Michael Pagels im Techno-Schmelztiegel Berlin bereits im kommenden Jahr eine runde Zahl Industrie-Arbeitsplätze verschwinden sieht, fällt aus dem Wolfsburger Konzern ein Tropfen auf den heißen Stein. Für 42 Millionen Mark errichtet der Automobilkonzern einen Neubau, in dem zwei Software-Töchter der VW-Mutter Domizil finden sollen. Ihre Aufgabenstellungen umfassen das Thema CIM. Neue Jobs jedoch lassen sich nur in Grenzen erwarten.

Die Gesellschaft für technische DV-Systeme mbH betreibt die Konzeption für Anwendungssysteme, rechnerunterstütztes Konstruieren sowie integrierte Informationsverwaltung (CIM) und die Berechnung von Finite-Elemente-Methoden. Weiterhin entwickelt die 1983 gegründet Gedas NC-Software und ist bei Prozeßdatenverarbeitung, SW-Engineering zur Lösung von Ingenieuraufgaben, Expertensystemen und der Simulation von Fertigungsabläufen und Projektarbeiten in administrativen Informationssystemen aktiv. Die VW-Tochter beschäftigt 97 Mitarbeiter, und der Personalbestand soll in den nächsten Jahren auf 175 aufgestockt werden.

Das zweite Unternehmen mit Wolfsburger Herkunft und Gründungsjahr 1983 ist die Ingenieursgesellschaft für Aggregate, Technik und Verkehrsfahrzeuge mbH (IAV). Sie erprobt auf dem Gebiet der Aggregate und Fahrzeugtechnik Prototypen und überprüft Aspekte der Umwelt- und Energietechnik. Ihre Beschäftigtenzahl soll kaum über die derzeit 100 Mitarbeiter ausgeweitet werden.

Der Berliner Standort besitzt einen attraktiven Personalmarkt: Qualifizierter Nachwuchs von der Technischen Universität (TU) wartet nämlich vor der Haustür. Für den Brückenschlag zwischen Industrie und Universität steht der CIM-Experte Günter Spur ein. Der geschäftsführende Direktor des Instituts für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik im Produktionstechnischen Zentrum der TU zeichnet auch als Geschäftsführer der Gedas verantwortlich.

Der zweite Anlauf der Wolfsburger zu einer tiefern wirtschaftlichen Bindung mit dem Berliner Bären scheint zu gelingen. Bereits im Jahr 1982 nämlich gelobte der Automobilhersteller zusammen mit weiteren Vertretern der bundesdeutschen Industrie, Spitzenleuten von Verbänden und Organisationen sowie Bundes- und Landesregierung "Berlin-Treue". Damals stellte VW in Aussicht, die Lizenz für seine Roboter-Fertigung nach West-Berlin zu geben. Bei geeigneten Produktionsmöglichkeiten sollte die gesamte Abteilung stufenweise von Wolfsburg in die ökonomisch strapazierte Stadt verlagert werden. Die Bilanz, die der DGB fünf Jahre danach zieht, ernüchtert: "Die Zusage ist nicht eingelöst worden. Das vollmundig angekündigte Projekt scheint für immer gestorben zu sein." Dafür haben die Wolfsburger ihre eigene Interpretation parat: Ob eine tatsächlich geäußerte Absicht von VW bestanden habe, bezweifeln sie nämlich, eher glauben sie an einen Wunsch aus Berlin - oder schlicht an ein Mißverständnis.

Mit der Installierung der "kleinen Töchter" in Berlin will die Volkswagen AG nun zumindest die unstimmige Lage auf dem Automobilweltmarkt angehen. Tatsächlich erwartet sich der deutsche Automobilhersteller nämlich technische Erkenntnisse für einen computerintegrierten Konkurrenzkampf vor allem gegenüber den immer aggressiver werdenden Automobilbauern aus Südkorea und Taiwan.