Hält ein Farbdisplay, was es verspricht?

Vorteile und Nachteile auf Waagschale

22.07.1983

Farbe oder nicht? - eine Frage, die bei der Anschaffung eines Bildschirmes durchaus diskutiert werden sollte. Die Technik bietet heutzutage viele Möglichkeiten - der findige Verkäufer weiß zudem, die Vorteile seine Produktes überzeugend darzustellen. So geeignet ein multichromer Schirm für gewisse Anwendungen auch sein mag, manchmal bringt Farbe wirklich keinen Zusatznutzen. Oder doch? Um die Diskussionsstandpunkte in dieser Frage zu verdeutlichen, wurden einige "ganz und gar unwissenschaftliche" Thesen aufgestellt: Ein Kollege schrieb "Pro-Couleur", der andere verwertete die "Kontra-Punkte". Vorweggenommenes Fazit: Nicht allein die Technik entscheidet, sondern auch das subjektive Feeling.

Pro

Bunt ist die Welt, farbig wird sie wahrgenommen - die Werbepsychologen wissen davon ein Lied zu singen und schlachten die Vorteile der Farbgestaltung kräftig aus. Warum eigentlich soll nicht auch bei der Gestaltung der Mensch-Maschine-Kommunikation dem menschlichen Auge Rechnung getragen werden?

Die Möglichkeiten, die die Technik heute bietet, unterstützen den Ruf nach einer farbigen Gestaltung der Bildschirmdarstellungen.

Die Vorteile einer farbigen Abbildung liegen also auf der Hand.

Gegenüber einer schwarzweißen (oder auch grauwertigen) Gestaltung steigt durch den geschickten, wohlüberlegten Farbgebrauch der Wiedererkennungswert stark an. Hervothebungen und Signale sind für den Anwender leichter zu erkennen - auch das ein Schritt zu mehr Ergonomie.

Die Einsatzmöglichkeiten für diese neue Technik sind schier unbegrenzt. Nicht nur bei Business Graphics unterstützt das "bunte Bild" die Aussage der Histogramme, Kurven und Trendmeldungen. Denkbar ist auch ein Farbeinsatz bei "normalen" Anwendungen wie Finanzbuchhaltung oder Rechnungswesen.

Wäre doch nicht übel, wenn Sollzustände auf dem Konto automatisch die ihnen zustehende Spektralwellenlänge aufwiesen: Rot.

Aber auch zur Darstellung und deutlichen Hervorhebung von Systemmeldungen kann dieFarbtechnik herangezogen werden.

Mit einem Vorurteil allerdings muß endlich aufgeräumt werden: Monochromverfechter behaupten immer noch, daß die Möglichkeiten der Farbgestaltung den Softwareingenieur schludern lassen - daß er sich quasi hinter einem bunten Kaleidoskop verschanzt. Diese Behauptung ist schlichtweg Nonsens.

Der Softwareentwickler, der mit Color arbeitet, macht genauso ergonomische Produkte wie der "Mono-Freak". Im Gegenteil, dadurch, daß er über mehr Möglichkeiten der Gestaltung und des Designs verfügt, nähert er sich starker den Erfordernissen der modernen Arbeitswissenschaften an.

Ist eigentlich logisch: Das Gerüst bleibt gleich, die Farbe kommt als Ausdrucksmittel hinzu. Zugegeben, wissenschaftliche Untersuchungen haben bewiesen, daß zuviel des Guten den positiven Aspekt ins Gegenteil verkehrt. Über sieben Farben verwirren den Anwender mehr, als daß sie ihm nutzen.

Hier heißt es denn auch, sich zu bescheiden, damit der Dialog erleichtert wird. Untersuchungen haben ergeben, daß farbgewohnte Anwender sich einen Monoschirm am Arbeitsplatz nicht mehr vorstellen wollen. Schade, daß die Kisten noch so teuer sind. . .

Die Vorführung des farbigen Bildschirms ist beendet. Bunte Computergrafiken wechselten wie von Geisterhand in andere asymmetrische Strukturen über, Schaubilder wurden in allen Regenbogenfarben vermarktet. Ungeahnte Möglichkeiten tuen sich auf - jawohl, so ein Terminal muß her.

Steht das teure Stück dann im Haus, wird das gesamte Farbspektrum auch verwendet. Ab sofort leuchten in den Bildschirmmasken feste Felder gelb auf, variable grün, wieder andere invers. Dabei haben Versuche in den Ergonomielabors inzwischen gezeigt, daß Farbe in klar und übersichtlich gegliederten Masken keinen Effekt erzielt. Das bedeutet aber keinesfalls, schlecht strukturierte Masken durch Farbkleckse wieder überschaubarer gestalten zu können.

Das Gegenteil ist der Fall: "Katastrophenmasken" werden durch Anwendung der Spektrallehre noch katastrophaler. Der Leistungsverlust beträgt hier im Mittel zirka 40 Prozent. Auch farblich unterlegte Blockstrukturen sind vergebliche Liebesmüh. Die Labormenschen sind sich auch hier einig: Eine deutliche Absetzung der Blöcke in Schwarzweiß ist durch Farbe nur unwesentlich zu verbessern. Eine unlängst durchgeführte Untersuchung ergab, daß sich durch Farboder Kontrastcodierung die Wahrnehmungsleistung bei schwach strukturierten Masken sogar um zirka 20 bis 30 Prozent verringert., Am besten schnitt die uncodierte Version ab, am schlechtesten die inverse Darstellung.

Sitzen nicht schon genügend "Terminalisten" vor dem althergebrachten "Datenglotzophon" und fürchten um ihr Augenlicht? Müssen da noch aggressive Farben ins Spiel kommen? Es ist nicht wegzudiskutieren, daß Farbe auf dem Bildschirm von verschiedenen Phosphoren unterschiedlicher Geschwindigkeiten erzeugt wird. Je heller die Colorfläche, desto stärker flimmert sie auf dem Bildschirm. Gerade die beliebten Signaltöne rot und gelb flimmern am unangenehmsten, wie man weiß.

Natürlich trägt eine farbige Gestaltung in Bereichen wie CAD/CAM oder der Darstellung von Diagrammen zur besseren Übersicht bei. Das sind jedoch verschwindend wenig Anwendungen im Vergleich zur täglichen DV-Praxis.

Mag auch in der Druckkunst das eine oder andere Schaubild farblich hervorgehoben werden, käme dennoch niemand auf die Idee, im Fließtext jedes zweite Wort bunt zu drucken.

Klammert man die Spezialanwendungen einmal aus, bleibt für das Heer der normalen Applikationen kein Grund, einen Farbbildschirm einzusetzen, der in der Regel den Preis eines Schwarzweiß-Schirmes um ein Vielfaches übersteigt. Es sei denn, man braucht ein farbiges Durcheinander für sein Image.