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Vorsitzender der Open Source Initiative zurückgetreten

07.03.2005

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Wie erst jetzt bekannt wurde, hat Russ Nelson nach nur 23 Tagen sein Amt als Vorsitzender der Open Source Initiative (OSI) niedergelegt. Nelson war am 1. Februar dieses Jahres zum Nachfolger von Eric Raymond, Autor des Open-Source-Manifestes "The Cathedral and the Bazaar", gewählt worden. Kommissarisch übernimmt das Amt nun das OSI-Vorstandsmitglied Michael Tieman, Vice President von Linux-Distributor Red Hat.

Nelson, OSI-Mitbegründer und President der auf Open-Source-E-Mail-Lösungen spezialisierten Firma Crynwr Software, schrieb in seinem Weblog: "Ich mag keine Politik, aber es wurde in den letzten Wochen klar, dass die Rolle der OSI schnell politischer geworden ist." Er sei für die OSI-Führungsposition weder nach seiner Ausbildung noch nach seinem Temperament geeignet. "Der ganze Vorstand hat darin übereingestimmt, dass wir einen politisch erfahreneren Präsidenten als mich brauchen."

Der wahre Hintergrund ist ein anderer: Nelson hatte einen Weblog-Eintrag mit dem Titel "Blacks are Lazy" geschrieben. Daraufhin war ihm aus der Open-Source-Community Rassismus vorgeworfen worden. Es nützte nichts, dass sich Eric Raymond und Larry Rosen, einstiger OSI-Rechtsberater, vor Nelson stellten. Raymond sprach gar von einer "Hexenjagd" gegen Nelson, musste aber letztlich kapitulieren: "Russ trat von der Präsidentschaft zurück, bevor die OSI in die Auseinandersetzung verwickelt wird. Der Aufsichtsrat respektiert seinen Rücktrittswunsch. Das Opfer macht mich noch ärgerlicher über die Idioten und Verbrecher, die ihn niedergemacht haben."

Nelson wird Mitglied im Aufsichtsrat der OSI und ihrem Lizenzkomitee bleiben. Der kommissarische Präsident Tiemann will die Erweiterung des höchsten OSI-Gremiums von jetzt fünf auf neun Mitglieder vorantreiben. Sobald dies geschehen ist, will Tiemann zurücktreten und den Weg zur Wahl eines neuen OSI-Präsidenten durch den erweiterten Aufsichtsrat frei machen. Dessen wichtigste Aufgabe wird dann die Reduktion der Zahl der Open-Source-Lizenzen sein (Computerwoche.de berichtete). (ls)