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Vorsicht bei medizinischen Informationen im Netz

21.01.2004

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Wer sich im Internet über medizinische Fragestellungen informieren will, sollte größte Vorsicht walten lassen. Eine Arbeitsgruppe um den klinischen Pharmakologen Walter Haefeli von der Universität Heidelberg hat die Qualität der medizinischen Informationen auf Homepages zu dem Potenzmittel Viagra unter die Lupe genommen. Das Ergebnis ist erschreckend: Nur jede dritte Website bietet Wissenswertes, das vor allem wissenschaftlich haltbar ist. Viele Informationen sind schlichtweg falsch.

Wie die "Süddeutsche Zeitung" schreibt, hätten 203 von 303 geprüften Websites nicht einmal die richtige Indikation für das Potenzsteigerungsmittel angegeben, also Impotenz und Erektionsstörungen. Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen oder Hitzewallungen wurden ebenfalls in Zweidrittel der Fälle nicht korrekt oder gar nicht angeführt. Nur 100 Websites wiesen korrekt auf Gegenanzeigen hin. Hierzu zählt etwa, dass nicht gleichzeitig nitrathaltige Medikamente gegen Herzattacken eingenommen werden sollen. Die "Süddeutsche" schreibt mit Bezug auf die Haefeli-Ergebnisse weiter, sogar nur jede vierte Internetseite, die medizinische Informationen vorzuhalten vorgibt, würde andere wichtige Wechselwirkungen mit Arzneimitteln aufzeigen.

Besonders problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass die Betreiber solcher Homepages offensichtlich wenig Interesse zeigen, ihre Informationsdefizite aufzubessern. Haefeli und sein Team hatten sie zweimal schriftlich auf die Mängel hingewiesen und sogar konkrete Verbesserungsvorschläge gemacht. Ergebnis: Auch Monate nach dem letzten Brief, schreibt die "Süddeutsche", habe sich "nichts Wesentliches geändert".

Zu ähnlichen Erkenntnissen kommt Jan Keppel Hesselink, Professor für Molekulare Pharmakologie an der Universität Witten/Herdecke. Er zeigt völliges Unverständnis darüber, dass beispielsweise das Medikament Selegilin auch gesunden Menschen empfohlen wird. Es würde, ab dem 40. Lebensjahr eingenommen, den Alterungsprozess bremsen, das Leben verlängern und die Sexualität anregen. Selegilin ist ein Medikament, das bei Parkinson-Kranken zum Einsatz kommt. Die anderen, im Internet oft beschriebenen Wirkungen, seien nie am Menschen getestet worden, beschwert sich Hesselink.

Besonders problematisch ist, dass Surfer sich nicht einmal auf die medizinischen Informationen verlassen können, die von staatlich geförderten Institutionen verfasst werden. In der aktuellen Ausgabe des "British Medical Journal" kritisieren Ärzte vom Nordic Cochrane Centre in Kopenhagen, staatliche Institutionen würden über die Vor- und Nachteile des Mammographie-Screenings falsch informieren. Die Brustkrebs-Suche werde mit Hilfe irreführender oder falscher Zahlenangaben zu positiv dargestellt. Darüber hinaus würden die wichtigsten Nachteile des Screenings unter den Teppich gekehrt: Manchmal käme es nämlich zu Krebsdiagnosen samt anschließender Behandlung, obwohl diese gar nicht nötig gewesen wären. (jm)

Die "Süddeutsche" hat verschiedene zuverlässige Informationsmedien angegeben, auf denen sich Surfer zu medizinischen Fragestellungen Rat holen können:

Aktionsforum Gesundheitsinformationssystem (www.afgis.de)

Gesundheitsscout (www.gesundheitsscout24.de)

Netdoktor (www.netdoktor.de)

Zudem: www.patienten-information.de

Wellness und Fitness: (www.lifeline.de)

Informationen zu Krankheiten: (www.kompetenznetze-medizin.de)

Infektionskrankheiten: Hier die Homepage des Robert-Koch-Instituts: (www.rki.de)