Mohndruck verfolgt bei Rechnernutzung dreiteiliges Konzept:

Vorrechner steuert Auftragsdurchläufe zeitnah

02.11.1984

Ein dreiteiliges Konzept der Rechnernutzung praktiziert die Druckerei Mohndruck, ein Unternehmen der Bertelsmann AG: In der Fertigung sind autonome Produktionssysteme mit überwiegend schlüsselfertigen Verfahren installiert. Für die technische Projektabwicklung ist ein Tandem-Vorrechner im Einsatz, der Mohndruck eine umfassende Datenbasis für Entscheidungen im technischen Bereich liefert. Für die betriebswirtschaftlichen Anwendungen wird ein Großrechner im Gemeinschaftsrechenzentrum mitbenutzt, wobei der Vorrechner über Standleitung periodisch wichtige Produktions-Ist-Daten übermittelt.

Entsprechend dem im Bertelsmann-Konzern durchgängig praktizierten Prinzip der dezentralen Organisation liegt die EDV-Verantwortung bei den einzelnen Bereichen. In Gütersloh, dem Sitz mehrerer Unternehmensbereiche, der Hauptverwaltung und einer Reihe allgemeiner Dienstleistungseinrichtungen, wurde ein Gemeinschaftsrechenzentrum geschaffen. Es ist mit einer IBM 3033 und je einer Siemens 7.890 beziehungsweise 7.865 bestückt. Über neun Steuereinheiten und 80 Postleitungen sind insgesamt rund 100 Terminals angeschlossen.

Mohndruck ist einer der Benutzer des Gemeinschaftsrechenzentrums, zugleich aber aufgrund seiner produktionsorientierten Aufgaben Betreiber diverser eigener Rechnersysteme. Das organisatorische EDV-Konzept von Mohndruck basiert auf der in Industrieunternehmen sinnvollen Untergliederung in die Bereiche Materialwirtschaft, Personalwirtschaft, Finanzwirtschaft, Betriebswirtschaft, Marketing/Vertrieb, Produktion, Planung/Kontrolle.

Die spezifischen Gegebenheiten bei Mohndruck haben im Rechnerbereich eine Dreiteilung sinnvoll erscheinen lassen: Produktionssysteme mit schlüsselfertigen Verfahren, ein Vorrechnersystem für technische Projekte und die Großrechnernutzung für betriebswirtschaftliche Anwendungen.

Neue Betriebs-DV für mehr Datentransparenz

Das früher bei Mohndruck mit Erfolg praktizierte Verfahren der Betriebsdatenerfassung mußte aufgrund der überalterten Technik erneuert und modernisiert werden. Dazu kamen neue Wünsche in Hinblick auf eine erhöhte Datentransparenz, Übersichten über den aktuellen Status der Fertigungsaufträge und der Maschinenbelegung. Die sich zum Beispiel aus einem zwischengeschobenen Auftrag ergebenden fertigungsplanerischen Konsequenzen waren wegen der begrenzten Speicherung und alten Technik nicht übersehbar.

Im Jahre 1980 wurde im Zuge einer Gesamtkonzeption der Unterbereich "Betriebsdatenverarbeitung " (BDV) neu entwickelt. Innerhalb der anstehenden Reorganisation konnte Mohndruck gleichzeitig weitere wichtige Ziele mitrealisieren.

- Aktuelle Daten für kurzfristige Entscheidungen

- Laufende Auftragsüberwachung mit Kontrolle der Zeiten und der Kosten.

- Permanente Soll/lst-Vergleiche während der laufenden Fertigung.

- Bereitstellung der Datenbasis für die Lohn- und Gehaltsabrechnung.

- Schaffung eines betriebsnahen Auskunftssystems über alle Produktionsbereiche für Personal, Auftrag, Kostenstelle und Material.

- Rationelleres Verfahren für die Betriebsdatenerfassung.

Mohndruck produziert teilweise in drei Schichten und partiell auch an Wochenenden. Um vorstehende und noch andere Zielsetzungen der BDV verwirklichen zu können, muß das Unternehmen im Produktionsbereich in erheblichem Umfang interaktive Verfahren einsetzen und benötigt eine permanente Rechnerverfügbarkeit.

Die aufgezeigten Aspekte ließen den Einsatz des im Konzern für kommerzielle Aufgaben genutzten Großrechners nicht sinnvoll erscheinen. Die Unabhängigkeit vom Hauptrechner war insgesamt auch eine wirtschaftlich richtige Forderung.

Mohndruck sah daher für die Betriebsdatenverarbeitung den Einsatz eines Vorrechners vor, der im Produktionsbereich als autonom arbeitendes Subsystem betrieben werden kann.

Für die Systemauswahl waren folgende Kriterien maßgebend:

- Ausfallsicherheit im Hinblick auf die Maschinendatenerfassung

- Bedienerloser Drei-Schicht-Betrieb

- Automatische Datensicherung

- Leichte Ausbaufähigkeit bei wachsenden EDV-Anforderungen

- Transaktionsorientiertes System für viel Peripherie

- Anwenderfreundliches Datenbankkonzept

- Schnelle und elegante Dialogprogrammierung

- Aufbau eines hard- und softwareorientierten Netzwerkes (zu einem späteren Zeitpunkt)

- Möglichkeit der Online-Verbindung zu Fremdrechnern und des Anschlusses von Fremdperipherie.

Für den Einsatz eines Tandem-Rechners waren primär die extrem hohe Ausfallsicherheit, die problemlose Erweiterung der Hardware im Feld, die Möglichkeit des nahezu operatorlosen Betriebes, die auf Transaktionsverarbeitung ausgerichtete Systemarchitektur und das Preis/Leistungs-Verhältnis ausschlaggebend.

Mit der augenblicklich installierten Hardware werden neben der Betriebsdatenerfassung weitere wichtige Verfahren eingesetzt, deren Daten im Schichtbetrieb permanent im Zugriff sein müssen.

Hardware und Peripherie haben inzwischen folgende Größenordnung angenommen:

- NonStop-II-System mit vier Prozessoren (mit je 3 MB Hauptspeicher).

- 90 Bildschirmstationen.

- 50 Betriebsdatenerfassungsgeräte.

- 10 dezentrale Drucker.

Der Rechner ist für den notwendigen Datenaustausch über Standleitungen mit dem IBM-kompatiblen Großrechner Siemens 7.890 verbunden. Mohndruck setzt spezielle Softwarekomponenten ein, um mit Tandem-Bildschirmen 6530 die 3270-Prozedur emulieren zu können eine Online-Übertragung von Stammdaten/ Listen vom Hauptrechner zum Tandem-System zu ermöglichen.

Die Betriebsdatenverarbeitung ist integraler Bestandteil einer betriebswirtschaftlichen Gesamtkonzeption bestehend aus Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung, Produktionsplanung, Materialwirtschaft, Lohn- und Gehaltsabrechnung, Berichtswesen, Kalkulation, Buchhaltung, Kostenplanung und Vertriebsunterstützung.

Die Einzelkomponenten der Gesamtkonzeption sind ihren Merkmalen entsprechend auf einem Großrechner und/oder auf dem Tandem-Vorrechner implementiert.

Die wesentlichen Aufgabenstellungen in der Betriebsdatenverarbeitung bei Mohndruck sind die Erfassung betrieblicher Daten, die Bereitstellung einiger Informationssysteme, die technische Lagerverwaltung, die Investitionsüberwachung betrieblicher Anlagen, eine vertrieblich orientierte Stückkostenkalkulation und eine automatische Telexvermittlung.

50 intelligente DÜ-Terminals

Die Erfassung betrieblicher Daten im Vorstufenbereich (Reproduktion Satz, Montage/Kopie) erfolgt aufgrund interner Fertigungsabläufe auf vorbereiteten Erfassungsbelegen. Fertiggestellte Belege werden kontinuierlich im EDV-Dialog erfaßt und sind dann sofort in einer Datenbank des Tandem-Computers für die Auskunft verfügbar. Ein tiefstrukturiertes Zugriffsberechtigungssystem schützt dabei vor unerlaubter Information. Für die Lohn- und Gehaltsabrechnung, die Kostenstellen und -trägerrechnung und das betriebliche Berichtswesen werden die Betriebsdaten täglich an den Hauptrechner überspielt.

In der Druckerei von Mohndruck sind 50 intelligente Datenerfassungsstationen (Siemens 3805) installiert. Sie erfassen und zählen permanent alle wichtigen maschinellen Daten und senden sie in einem Zyklus von einer Minute an den Tandem-Rechner. Dort werden die Daten sofort auf Plausibilität überprüft und in der alle Produktionsbereiche gemeinsamen Informationsdatenbank abgestellt. Weitergegeben und verarbeitet werden die Daten wie im Vorstufenbereich. Mit dem BDV-Online-Verfahren der Betriebsdatenerfassung in der Druckerei ist es jederzeit möglich, den augenblicklichen Produktionsstand für Belange des Vertriebes, der Produktionssteuerung und der Fertigungsabteilungen aufzuzeigen.

Im Produktionsbereich "Weiterverarbeitung" ist in der ersten Einführungsstufe ein Belegerfassungssystem eingesetzt. Über drei Tandem-6530-Terminals werden kontinuierlich die Belege erfaßt, geprüft und in der Informationsdatenbank abgestellt. Auch hier erfolgt täglich die Weitergabe der Daten an den Hauptrechner. Mit der anstehenden zweiten Einführungsstufe erfolgt die Installation intelligenter Datenerfassungsstationen an wichtigen Punkten der Fertigung.

Aufbauend auf den erfaßten Betriebsdaten können die berechtigen Anwender auf dem Tandem-Rechner vorgehaltene umfassende Auskunftssystem zugreifen. Es besteht aus den Teilstufen "Informationssystem Vorstufe", "Informationssystem Druck ", "Informationssystem Weiterverarbeitung", "Produktionsübergreifende Auskünfte", und abschließend der geplanten Stufe "Verdichtung für Betriebsleiter".

Das Auskunftssystem arbeitet menügesteuert und ermöglicht detaillierte und/oder verdichtete Aussagen über den Produktionsstand. Je nach Rechneraufwand sind die verschiedenen Auskünfte bildschirm- und listenorientiert entwickelt worden.

Menügesteuertes Auskunftssystem

Teile der betrieblichen Daten werden für die Lohn- und Gehaltsfindung benötigt, wobei zusätzliche Eingaben in allen Abteilungen über Bildschirm erfolgen müssen. Auch hier ist ein umfassendes Auskunftssystem aufgebaut worden, wobei besondere Datenschutzmaßnahmen mit dem Betriebsrat abgestimmt wurden. An das Lohn- und Gehaltsabrechnungssystem auf dem Hauptrechner werden die Daten monatlich überspielt. Im Tandem-Rechner wird eine redundante Teilmenge des Stammsatzes aus dem Großrechner geführt. Änderungen im Personalstammsatz werden online an das Tandem-System übermittelt.

Der Produktionsprozeß im Mehrschichtbetrieb rund um die Uhr macht es notwendig, gewisse Lagersysteme jederzeit zugriffsbereit zu halten. Aus diesem Grund sind auf dem Tandem-Rechner laufende Dialogprogramme für die Verwaltung alles Platten- und Montagelagers, für die Überwachung des Fremdbücher-Lagers, für die Verwaltung der Halbfabrikatebestände in der Weiterverarbeitung und für die Verwaltung von Werbepräsenten entwickelt worden.

Daten rund um die Uhr verfügbar

Mit dem Dialogprogramm "Investitionsüberwachung" werden technische Investitionsgüter überwacht. Im System geführt werden Budgetwerte, Bestellmengen, Rechnungen Verbindlichkeiten und der Ausschöpfungsgrad.

Die Dialog-Stückkostenkalkulation - ebenfalls eine Anwendung auf dem Tandem-Rechner - wird als Angebotssystem im Vertriebsbereich eingesetzt. Basiswerte sind die Daten technischer Arbeitsabläufe und deren Kosten. Auch hier ist die vom Tandem-Rechner gewährleistete permanente Verfügbarkeit des Computers außerhalb normaler Arbeitszeiten ein wesentlicher Vorteil für den Vertrieb.

Die Organisationsabteilung von Mohndruck nutzt das Tandem-System für die eigene Projektentwicklung. Es wurden für diese Aufgabenstellung eigene Konzepte und entsprechende Dialogprogramme für die Rechnerunterstützung des Organisators in den Bereichen Kostenüberwachung, Bibliotheksverwaltung, Verwaltung des Schriftverkehrs, Job-Verwaltung für den Großrechner, Plotterdialog, Erstellung von Fachinhaltsbeschreibungen sowie Telexvermittlung und Textverarbeitung entwickelt. Vom Benutzer auf dem Tandem-Rechner erstellte Fernschreiben werden an einen Telexcomputer überspielt.

In der Organisationsabteilung sind rund 1 S Bildschirme ausschließlich für die Projektarbeit reserviert. Auch hier kann der Aspekt der permanenten Verfügbarkeit und der fast absoluten Datensicherheit mit großem Vorteil für die organisatorische Tätigkeit genutzt werden. Oft müssen die Mitarbeiter nachts oder an Sonntagen das Tandem-System benutzen.

Das mit einem Tandem-Rechner als Basis realisierte Konzept der Betriebsdatenverarbeitung setzt Mohndruck in die Lage, Fertigungszustände exakt zu erkennen, Engpässe und Störungen rechtzeitig zu beseitigen, eine permanente Auftragsfortschrittskontrolle durchzuführen, Eil- und Sonderaufträge wirtschaftlich zu behandeln, kostenverursachende Terminüberschreitungen abzubauen und den Auftragsdurchlauf zeitnah zu steuern.

Antwortzeiten unter einer Sekunde

Mit dem Einsatz eines primär autonom arbeitenden Subsystems wird eine ausreichende Versorgung der Produktionsbereiche mit EDV-Dienstleistungen zu wirtschaftlichen Bedingungen erreicht. Die Unabhängigkeit vom Hauptrechner hat funktionelle Vorteile. Die mit dem Tandem-System erreichbaren Antwortzeiten sind bei einem Hauptrechnerdialog nicht möglich, da mittels eines besonderen Monitors der Betriebsdatenerfassung immer eine bevorzugte Behandlung zu allen Tageszeiten zugestanden wird. Die Antwortzeiten liegen etwas unter einer Sekunde. Auch die schnelle Programmumsetzung neuer Anwendungen ist vorteilhaft. Bei dem teilweise explosionsartigen Ansteigen neuer Anwenderwünsche wirkt sich das Ausbaukonzept von Tandem günstig aus. Der Ausbau ist ohne Overhead möglich und erfordert keine Neukonfigurierungen. Durch den weitgehend operatorlosen Betrieb ist - im Vergleich zu anderen Rechnern - ein äußerst wirtschaftlicher Betrieb möglich.

Ulf Bauernfeind