Fusionen/Der Best-Fit-Ansatz

Vorhandene Synergien nutzen

03.05.2002
Synergiepotenziale zu heben ist bei IT-Fusionen stets eine Vorgabe an das IT-Management. Oft jedoch zeigt die Praxis, dass sie sich weniger erfreulich entwickeln als angenommen. Der Best-Fit-Ansatz und die Bildung von Synergie Scorecards helfen dabei, realistische Prognosen zu treffen und den tatsächlichen Erfolg zu messen. Von Christian Jaerschke und Martin Oevermann*

Fusionieren IT-Unternehmen, dann verfügen die Partner über eigene Kunden, Organisationsstrukturen, Mitarbeiter, Prozesse und Technologien, die Chancen für Synergien bieten. Diese Synergiepotenziale strategiekonform zu heben und dabei eine "Win-Win"- Situation für alle Beteiligten herzustellen, ist die Herausforderung an das IT-Management. Deshalb ist es wichtig, dass vor der Identifizierung und Hebung von Synergien die Rahmenbedingungen der IT-Fusion abgesteckt werden. Folgende elementare Fragen sind zu beantworten:

- Welche Ziele werden mit der IT-Fusion verfolgt?

- Wie soll der fusionierte IT-Dienstleister strategisch positioniert werden?

- Können Standorte zusammengelegt oder Mitarbeiter abgebaut werden?

- Welche einschränkenden Faktoren sind bei einer IT-Fusion zu beachten?

Wirtschaftlicher Aspekt im VordergrundUm Synergiepotenziale zu heben, empfiehlt es sich, in sechs Schritten vorzugehen:

- Synergiepotenziale identifizieren,

- Synergiepotenziale bewerten,

- Maßnahmen ableiten und priorisieren,

- Umsetzungsprogramm festlegen,

- Maßnahmen umsetzen sowie

- Umsetzungserfolg messen und beurteilen.

In der Vergangenheit spielte die Wirtschaftlichkeit bei IT-Fusionen eine untergeordnete Rolle. Ausschlaggebend bei der Entscheidung über eine Fusion waren in der Regel strategische Gründe. Vor diesem Hintergrund wurden die Potenziale eher optimistisch eingeschätzt und beispielsweise auf die Formel "Reduzierung der IT-Gesamtkosten um 20 bis 30 Prozent" gebracht. Die stetige Nachfrage nach Kostensenkungsmöglichkeiten zur Festigung und Steigerung der Margen zeigt, dass heute der wirtschaftliche Aspekt im Vordergrund steht. Schlechte Erfahrungen aus der Vergangenheit und knappe IT-Budgets zwingen CIOs dazu, kühler zu rechnen und den Synergieerfolg nachzuweisen. Die Konsequenz ist, das Synergiepotenziale detaillierter quantifiziert und konservativer geschätzt werden. So liegen die Prognosen heute bei zirka zehn Prozent, manchmal sogar darunter.

Wie hoch die Synergiepotenziale sind und welche Synergiefelder im Einzelnen bei einer IT-Fusion Chancen bieten, hängt entscheidend von der Ausgangslage der Fusionspartner und den Rahmenbedingungen der Fusion ab. Aus der Beratungspraxis lassen sich Felder mit tendenziell hohen Potenzialen benennen. Die Tabellen "Synergiefelder" und "Einflussfaktoren" zeigen, wo sie gesehen werden und welche Einflussfaktoren dabei eine Rolle spielen.

Eine in der Praxis bewährte Methode ist der Best-Fit-Ansatz. Ziel ist, alle wesentlichen Leistungen der IT-Fusionspartner miteinander zu vergleichen, Benchmarks zu ermitteln und mögliche Synergiepotenziale abzuleiten. Dafür ist es notwendig, den jeweiligen Status quo der Partner zu ermitteln. Dies geschieht, indem Personalkapazitäten, Kosten und Mengengerüste standardisierter Leistungspakete systematisch auf Basis der Ist-Zahlen erhoben werden. Ein Leistungspaket - beispielsweise Desktop-Services - umfasst ein Bündel von IT-Dienstleistungen wie etwa Installation, Wartung, Umzug und Entsorgung von Clients.

Trotz gemeinsamer Definition standardisierter Leistungspakete kann es zwischen den Partnern erhebliche Unterschiede hinsichtlich Umfang und Qualität geben. Bei einem Leistungspaket User Helpdesk (UHD) können die Unterschiede unter anderem bei den Servicezeiten, in der Erreichbarkeit oder der Lösungsquote liegen. Um diese Unterschiede zu berücksichtigen, können für jedes Paket Serviceklassen gebildet werden, zum Beispiel "Standard", "Advanced" oder "Premium".

Darüber hinaus ist festzulegen, welche Kostenarten und Leistungskennzahlen pro Paket zu erheben sind. So können für den UHD beispielsweise die durchschnittliche Anzahl der Calls pro Monat ermittelt werden. Aus diesen Informationen lassen sich dann vergleichbare Stückkosten berechnen.

Nachdem die Personalkapazitäten, Kosten und Mengen erhoben und den definierten Leistungspaketen zugeordnet wurden, kann mit der Best-Fit-Analyse begonnen werden. Hierzu wird für ein Benchmark ermittelt. Er kann einerseits aus dem Vergleich zwischen den Fusionspartnern im Sinne von "Best in Class" abgeleitet werden. Andererseits können auch Vergleichswerte vom Markt im Sinne von "Best Practice" herangezogen werden.

Synergiepotenziale liegen dort, wo der Benchmark deutlich von den Werten der anderen Partner abweicht. Für eine fundierte Bewertung müssen die Abweichungen jedoch näher analysiert werden. Es ist zu untersuchen, inwieweit der Best-Fit auf die anderen Fusionspartner übertragbar ist. Möglicherweise gibt es Einschränkungen, die das Potenzial reduzieren.

Zusätzliche RemanenzkostenZur konkreten Bewertung des Synergiepotenzials ist es notwendig, dem geschätzten Synergieeffekt den Realisierungsaufwand gegenüberzustellen. Mögliche Effekte sind Kosteneinsparungen, Qualitätssteigerungen zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit des IT-Betriebs, Reduzierung des Wartungsaufwands oder der Know-how-Gewinn. Der Realisierungsaufwand ergibt sich einerseits aus den Investitionskosten, das heißt Kosten etwa für Hard- und Software, Migration, Fremdleistungen und Personal. Andererseits können zusätzlich Remanenzkosten entstehen, zum Beispiel Sonderabschreibungen.

Für eine gesamtheitliche Bewertung des Synergiepotenzials einer IT-Fusion reicht die singuläre Betrachtung einzelner Leistungspakete jedoch nicht aus. Zusätzlich sind mögliche Effekte zu berücksichtigen, die über einzelne Leistungspakete hinausreichen. Hierzu zählen unter anderem Skaleneffekte wie Einkaufsvorteile oder bessere Auslastung von Systemen sowie der Abbau externer Mitarbeiter.

Um die identifizierten Synergiepotenziale heben zu können, müssen Maßnahmenvorschläge erarbeitet werden. Aufgrund der oft begrenzten Ressourcen bedarf es einer Priorisierung. Es empfiehlt sich daher, ein Priorisierungsportfolio aufzustellen. Darin erfolgt die Bewertung anhand zweier Dimensionen, dem Netto-Synergieeffekt (Synergieeffekt - Realisierungsaufwand) und der Umsetzbarkeit.

Anschließend wird aus allen umzusetzenden Maßnahmen ein Synergieprogramm erstellt. Im Rahmen dieses Synergieprogramms erfolgt eine Differenzierung der Maßnahmen nach den geplanten Realisierungszeiten. Das Ergebnis ist eine Road-Map, die Quick-Wins sowie Maßnahmen mit mittel- und langfristigen Synergieeffekten unterscheidet.

Die Ausrichtung, Planung, Steuerung und Koordination aller Aktivitäten des Synergieprogramms erfolgt durch ein Programm-Management. Für den Erfolg des Synergieprogramms sind die Geschäftsführer der fusionierten IT-Gesellschaft verantwortlich. Sie treffen alle programmrelevanten Entscheidungen und berichten regelmäßig an die CIOs beziehungsweise die Gesellschafter.

Das Controlling von Synergien ist in der Praxis kaum ausgeprägt. Aber immer öfter kommen die Geschäftsführer von fusionierten IT-Gesellschaften in Beweisnot, wenn sie die versprochenen Synergien nachweisen sollen. Deshalb ist es notwendig, von Anfang an ein Synergie-Controlling zu etablieren. Es sollte sich an den Ergebnissen der Best-Fit-Analyse orientieren.

Dementsprechend erfolgt eine Festschreibung der Netto-Synergieeffekte pro betrachtetem Leistungspaket als Zielwerte. Diese werden über den Betrachtungszeitraum mit den tatsächlich gemessenen Werten pro Leistungspaket verglichen.

Erhöhung der LösungsquoteFür das Controlling des Synergieerfolges ist es wichtig, dass Ziele verbindlich und zeitpunktbezogen vereinbart werden. Verbindliche Zielvereinbarungen können durch die Bildung von Synergie Scorecards (SSC) getroffen werden. Als Strukturierungsmerkmal zur Bildung der Scorecards werden die bereits standardisierten Leistungspakete herangezogen. Für jedes Leistungspaket, das im Synergieprogramm berücksichtigt wird, muss eine SSC erstellt werden. Sie beinhaltet die Beschreibung des Leistungspakets, Annahmen (zum Beispiel hinsichtlich erwarteter Mengengerüste) und konkrete Zielvorgaben (zum Beispiel Reduzierung der Stückkosten pro Call um zehn Prozent). In Analogie zur Balanced Scorecard (BSC) lassen sich in der SSC neben finanzwirtschaftlichen Zielen auch qualitative oder strategische Ziele abbilden. Als Beispiele seien die Erhöhung der Lösungsquote des UHD, die Neupositionierung am Markt, die Kundenzufriedenheit, die Verkürzung von Durchlaufzeiten und die Erhöhung des Skills der Mitarbeiter genannt.

Adressatenspezifische ErgebnisseIn regelmäßigen Zeitabständen werden die Ist-Werte erhoben und mit den Zielwerten verglichen. Ein Vergleich ist sowohl auf der Ebene einer einzelnen SSC als auch auf höheren Aggregationsebenen möglich. Die Ergebnisse werden adressatenspezifisch aufbereitet und an die Geschäftsführung der fusionierten IT-Gesellschaft sowie die CIOs berichtet. So kann kontinuierlich überprüft werden, ob die Maßnahmen zur Synergiehebung greifen. Stellt das IT-Management Defizite fest, können frühzeitig Korrekturmaßnahmen getroffen werden. Damit dient die SSC gleichermaßen als umfassendes Steuerungsinstrument für die IT-Geschäftsführung und für die CIOs der Gesellschaften.

Korrekturmaßnahmen frühzeitig treffenIm Rahmen des Synergie-Controllings ist zu beachten, dass der Status quo eine Momentaufnahme ist. Es wird unterstellt, dass die Fusionspartner ihre IT unabhängig voneinander so weiterbetreiben wie zum Zeitpunkt der Status-quo-Erhebung. Das heißt, die Rahmenbedingungen müssten unverändert bleiben. Aufgrund der hohen Dynamik in der IT gibt es in der Praxis viele Einflussfaktoren, die diese Bedingungen verändern. Dadurch kann sich die Güte der ursprünglichen Vergleichsbasis zum Teil erheblich verschlechtern und so den Vergleich verfälschen. Einflussfaktoren können sowohl intern, zum Beispiel durch Änderung von Mengengerüsten oder Wechsel der Serviceklassen, als auch extern, etwa infolge technischen Fortschritts oder gesetzlicher Änderungen, bedingt sein. Um die Vergleichbarkeit wiederherzustellen, müssen signifikante Veränderungen der Rahmenbedingungen im ursprünglichen Status quo fortgeschrieben werden.

Die SSC ist vor allem ein internes Steuerungsinstrument für die Geschäftsführung des IT-Dienstleisters, um die Leistungsfähigkeit und die interne Organisation in der Post-Merger-Phase zu optimieren. Darüber hinaus ist es notwendig, dass die Beziehung des fusionierten IT-Dienstleisters zu seinen Kunden (Fachbereichen) professionalisiert wird. Ein wichtiges Instrument ist in diesem Zusammenhang die verursachergerechte Leistungsverrechnung auf der Basis definierter Leistungspakete. So können durch IT-Synergien erzielte Kosteneinsparungen direkt an die Fachbereiche weitergegeben werden.

Konstruktive WechselwirkungEbenso wichtig ist es, Service-Level-Agreements (SLAs) aufzustellen. Mit deren Hilfe stimmen die IT-Kunden und der fusionierte IT-Dienstleister gemeinsam den Umfang, die Qualität und den Preis der Leistungspakete auf die neue Situation ab. SSC und SLA sind Instrumente, die in der Post-Merger-Phase nur dann optimal zum Einsatz kommen, wenn sie nicht isoliert voneinander betrachtet werden. Es soll eine konstruktive Wechselwirkung zwischen SSC und SLA entstehen.

Fazit: Die Geschäftsführer fusionierter IT-Gesellschaften und deren CIOs stehen verstärkt unter dem Druck, Kostensynergien zu heben und nachzuweisen. Verlässliche Prognosen über Synergiepotenziale sind aufgrund der hohen Komplexität und instabiler Rahmenbedingungen jedoch schwer zu treffen und umzusetzen. Deshalb sind ein systematisches Vorgehen im gesamten "Synergieprozess" und eine Fokussierung auf die wesentlichen Synergiefelder zwingend erforderlich. Ein in der Praxis bewährtes Vorgehen zeigt der Best-Fit-Ansatz.

*Christian Jaerschke ist Senior-Berater und Martin Oevermann leitender Berater bei der Plenum Management Consulting GmbH in Wiesbaden.

Einflussfaktoren auf das Synergiepotenzial+ Skaleneffekte bei der Beschaffung von Hardware und Software

+ Optimale Auslastung der Hardwareressourcen (zum Beispiel Einsparungen beim System-Overhead)

+ Abbau und Konsolidierung von redundanten Softwareprodukten

+ Konsolidierung von Hardware (zum Beispiel Applikations-Server)

+ Reduzierung von Personalkapazitäten (zum Beispiel durch Standardisierung von Prozessen)

+ Kompensation von Externen durch interne Mitarbeiter

- Zusätzliche Datenleitungskosten

- Sonderabschreibungen (zum Beispiel bei der Vereinheitlichung von Softwareprodukten)

- Gebäude- und Standortabhängigkeiten

SynergiefelderSynergiefeld / Ziel / Synergiepotenzial*

Betrieb Main-Server- Plattformen / Zentralisierung und Konsolidierung der Plattformen und Softwareprodukte / 15 - 20 Prozent

Betrieb Client-Server- Plattformen / Zentralisierung und Konsolidierung der Plattformen und Softwareprodukte / 15 - 20 Prozent

Desktop-Services / Standardisierung der Prozesse, Verfahren und Arbeitsplatztypen / 5 - 10 Prozent

User Helpdesk (UHD) / Standardisierung der Prozesse, Verfahren und Tools sowie des Serviceumfangs (Qualität)/ 15 - 20 Prozent

Verwaltungsservices / Standardisierung von Prozessen, Verfahren und Tools im Controlling, Beschaffung, Vertrags- und Asset-Management./ 20 - 25 Prozent

*Prozentuale Reduktion der Kosten je Synergiefeld