Sparc-Cloner Solbourne will Maßstäbe setzen

Vorgestellte Unix-Workstation rechnet mit 64-Bit-Sparc-Chip

19.10.1990

MÜNCHEN (CW) - Auf dem gemeimsam mit der Matsushita Electric Industrial Company (MEI) entwickelten Sparc-kompatiblen RISC-Prozessor MN10501 ruhen die Hoffnung von Solbourne Computer, Maßstäbe auf dem Markt der Unix-Workstations setzen zu können.

Das Unternehmen betont, daß die Technik der 64-Bit-CPU bislang dem Bereich der Supercomputer vorbehalten war. Da der RISC-Rechner völlig binärkompatibel zu Sun-4-Workstations sei, stünden dem Benutzer des neuen Solbourne-Rechners alle Sparc-Anwendungen zur Verfügung. Zudem verweist das Unternehmen auf ein komplettes Systemangebot vom Desktop-Rechner bis zu 8-Prozessor-Servern und X-Datensichtgeräten.

Besondere Erwartungen setzt das Unternehmen auf die hohe Leistungsfähigkeit (12,5 Specmarks/25,5 MIPS), welche mit einem günstigen Preis (etwa 23 000 Mark für eine Grundkonfiguration) korreliere. Barrie Murray-Upton, Europa-Vizepräsident von Solbourne, hat bei diesem Argument vor allem Marktführer Sun im Auge, wenn er feststellt: "Die S4000-Workstation bietet bei Kosten, die unter denen einer Sparcstation 1 + liegen, das Rechenleistungsniveau einer High-end-Workstation."

Allerdings wird es beim Konkurrenten in nächster Zeit gewichtige Neuerungen geben. Die neue Sparcstation II steht- wie Geschäftsführer Helmut Krings von der Sun Microsystems GmbH gegenüber der COMPUTERWOCHE bestätigte - kurz vor der Vorstellung. Damit dürften auch die Preise bei den Rechnern des Andreas von Bechtolsheim in Bewegung geraten.

Die S4000-Workstation verfügt über einen Erweiterungsbus nach der Sun-Sbus-Spezifikation, der mit drei Steckplätzen versehen ist. Der Arbeitsspeicher läßt sich auf maximal 104 MB ausbauen.

Wichtig für den Bereich der Grafikanwendungen ist die von Solbourne konzipierte Sbus-Karte, die als Grafikbeschleuniger dient (SGA). Zwei Versionen werden erhältlich sein: Die "SGA-40" mit acht Ebenen stellt bis zu 256 Farben - bei Verwendung von zwei Farbtabellen sind es maximal 512 - aus einer Palette von 16 Millionen dar. Die Echtfarben-Version "SGA-50" soll ab Anfang kommenden Jahres angeboten werden. Solbourne entwickelte sie in 24-Layer-Technologie.

Die Zweifachsteckplatz-Karte mit vier Asic-Bausteinen, für die keinerlei Softwaremodifikationen erforderlich sein sollen, bewältigt bei 2D-Operationen 540 000 Linien/s, bei 3D-Berechnungen die Hälfte. Ein weiterer vom Unternehmen gelieferter Anhaltswert für die Leistungsfähigkeit der Sbus-Karte stellen die pro Sekunde berechneten 10 000 einfachen oder Gouraud-schattierten 2D- oder 3D-Polygone mit einer Grafikauflösung von 1280 x 1024 Pixeln dar.

SGA ist zu den Grafikprodukten von Sun, Solbourne und anderen Anbietern kompatibel. Das bezieht Pixrects-Grafikbibliotheken, Solbournes Phig-Schnittstelle sowie Suns CGI, Suncore, GKS/C und X-Window-Systeme mit ein.3D-Grafikverarbeitung für Sparc/X-Windows

Solbourne erweiterte die Unterstützung von X um Phigs als Anwendungs-Programmierschnittstelle für 3D-Grafiken auf der S4000-Workstation. Bei "PEX" handelt es sich um eine Phigs-Protokollerweiterung des X-Window-Systems für 3D-Grafiken, die damit den Phigs-Standard in die X-Umgebung integriert. Simon Goodfellow, bei Solbourne Direktor für Europa und für technische Operationen zuständig, erläutert, was die PEX-Implementation für den Anwender bedeutet: "Sie stellt den Benutzern von Sparc/X-Windows erstmals standardmäßig eine 3D-Grafikverarbeitung zur Verfügung."

Der Grafikkarte applizierte Solbourne eine umfangreiche Bibliothek von X- und PEX-Grafikgrundkörpern in den Mikrocode, die sich ohne Austausch der Hardware um weitere Grundkörper ergänzen läßt. Die SGA-40 läßt sich mit einer optional erhältlichen sogenannten Z-Puffer-Tochterplatine erweitern, die die Ausblendung verdeckter Flächen beschleunigt. Auf der SGA-50 wird diese Zusatzplatine standardmäßig aufgebracht sein.

Solbourne gibt an, dank PEX sei Portierbarkeit in zwei wesentlichen Bereichen möglich: Jede Binärcode-kompatible Sparc-Anwendung, die das PEX-Protokoll verwendete, laufe in der Solbourne-X/PEX-Umgebung und unter der SGA-Karte. Phigs-Applikationen nutzen außerdem die Möglichkeiten der PEX-Erweiterung, da sie in der X-Window-Umgebung gefahren werden können. PEX-Anwendungen sind Hard- und Netzwerk-unabhängig und für den Einsatz auf Workstations, die mit Rastergrafik-Anzeigen arbeiten, bestimmt. PEX-Serversoftware, die den Grafikbildschirm steuert, ist von der Clientsoftware getrennt.

Solbourne liefert die S4000-Workstation mit dem Unix-Betriebssystem OS/SMP, einem Derivat von Sun-Os, aus. Standardmäßige Charakteristika sind ein Ethernet-Controller, zwei RS423-A-Ports (RS232-kompatibel), eine externe SCSI-2-Busschnittstelle und ein Audioport.

Die Software-Ausrüstung besteht aus Sunview, X-Window, OI-Bibliothek, einem PDB-Debugger und Solbournes X-Window-Manager, auch ein C-Compiler wird beigepackt.

Zur ersten Fehlerdiagnose bei Systemstörungen hat Solbourne eine LED-Anzeige ins Chassis integriert, die dem Anwender bezeichnet, welche sogenannten FPUs (Field Replaceable Units) ausgetauscht werden müssen. Solbourne betont, daß die Anzahl zu wartender Teile auf zwei Standard-FPUs begrenzt wurde.

Die S4000 ist ab November lieferbar. Preise beginnen knapp unter 23 000 Mark.