CPU-Vorstandschef Manfred Köhler im CW-Gespräch

"Vor uns liegt ein schwieriger Weg"

18.05.2001
Als eines der ersten Unternehmen am Neuen Markt enttäuschte die Augsburger CPU Softwarehouse AG die Anleger mit drastischen Umsatz- und Gewinnwarnungen und geriet in der Folge in eine tiefgreifende Krise. Mittlerweile wurden zwei Vorstände verschlissen, die Strategie mehrmals geändert. Mit dem seit Mitte Februar allein amtierenden Vorstandssprecher Manfred Köhler unterhielt sich CW-Redakteur Gerhard Holzwart.

CW: Das Jahr 2000 war für CPU ein ziemlich unerfreuliches Jahr. Die Korrektur der zunächst begeisternd klingenden Umsatzzahlen, Vertrauensverluste bei Investoren und Kunden, ein in Folge drastischer Kurseinbruch der CPU-Aktie. Zu guter Letzt ergriff auch noch das Management die Flucht nach vorne und verließ das sinkende Schiff. Was hat Sie gelockt, in dieser Situation das Ruder in die Hand zu nehmen?

Köhler: Die Herausforderung, noch etwas bewegen zu können. Nachdem ich mich an und für sich beruflich schon zurückgezogen hatte, reizte mich noch einmal die Rückkehr in das operative Management. Es ist richtig: Die Lage des Unternehmens war im Sommer vergangenen Jahres nicht gerade rosig. Der alte Vorstand hatte im Zuge entscheidender Fehleinschätzungen und Fehlentwicklungen seine Konsequenzen gezogen und war zurückgetreten - nicht aber ohne an die Zukunft des Unternehmens zu denken. Ich hätte diese Aufgabe nicht angenommen, wenn ich nicht für CPU eine reale Chance gesehen hätte, auf den Erfolgspfad zurückzukehren. Das Schiff war nicht, wie Sie sagten, am Sinken. Es war in eine Schieflage geraten - und dann ist auch noch das Steuerruder ausgefallen.

CW: Wie war es Ihrer Ansicht nach zu der Krise gekommen?

Köhler: Dafür lässt sich aus heutiger Sicht eine Reihe von Ursachen ausmachen. Zum Teil sind diese von CPU selbst zu verantworten, zum Teil sind sie durch die allgemeine Entwicklung am Neuen Markt, an dem die CPU-Aktie notiert ist, begründet.

Der Schwerpunkt der CPU Softwarehouse AG lag bis zum Börsengang im April 1999 auf den Bereichen Kredit und Baufinanzierung. Da die Finanzdienstleister ihren Kunden sukzessive zusätzliche Zugangswege wie Internet oder Handy-Banking anboten, entschied sich das damalige Management der CPU, das Softwareangebot um entsprechende Komponenten zu erweitern. Zusätzlich zu der Diversifizierung des Produktportfolios wurde eine Internationalisierung sowie die Bereitstellung von Beratungs- und anderen Dienstleistungen angestrebt. Das Unternehmen sollte in die Lage versetzt werden, ganzheitliche Systemlösungen anzubieten.

Auf diese Strategie reagierte der Markt zunächst euphorisch: Die Aktie war 29-fach überzeichnet und der Emissionspreis wurde mit 26 Euro am oberen Ende der Bookbuilding-Spanne festgelegt. Die Erstnotierung der Aktie lag bei 58 Euro, in der Spitze erreichte das Papier 70 Euro. Heute lässt sich sagen, dass überzogene Emissionspreise am Neuen Markt und eine völlig irrationale Käufernachfrage zu einem unerwartet hohen Kapitalzufluss führten.

CW: Mit anderen Worten: Es war plötzlich sehr viel Geld in der Kasse, und man hat den Blick für die Realitäten verloren.

Köhler: So würde ich es nicht formulieren. Tatsache ist, dass der überraschend hohe Emissionserlös die rasche Umsetzung einer ambitionierten Wachsstumsstrategie geradezu herausforderte. Es folgten zahlreiche Akquisitionen, Beteiligungen und Kooperationen. Beim Zukauf neuer Firmen ließ sich das frühere CPU-Management nicht weniger blenden als andere Investoren am Neuen Markt: Einige der Tochterunternehmen wurden nach den heutigen Bewertungmaßstäben zu völlig überzogenen Preisen eingekauft.

Die Integration der Unternehmenstöchter und die in Angriff genommene Internationalisierung gestalteten sich aber viel schwieriger als erwartet. Die Zentralisierung von Steuerung und Kontrolle im Mutterhaus führte zu großen Konflikten, die nicht selten zur Abwanderung von Schlüsselpersonen und damit auch zentralen Kunden führte. Im gleichen Zuge, wie Umsatz verloren ging, wurden indes neue Mitarbeiter eingestellt, die Kosten liefen aus dem Ruder. Viele Unternehmen am Neuen Markt sind in diese klassische Wachstumsfalle getappt.

CW: Das Hineintappen in die viel zitierte Wachstumsfalle wird oft als eine Art Kavaliersdelikt dargestellt - eine Auffassung, die jetzt auch in Ihren Äußerungen durchschimmerte. Dabei handelt es sich doch um eklatante Management-Fehler, die zur Vernichtung großer Mengen von Anlegerkapital führten.

Köhler: Da haben Sie mich missverstanden. Ich meine vielmehr, dass einige grundsätzliche Fertigkeiten der Unternehmensführung von einer Vielzahl der Firmen am Neuen Markt nicht beherrscht werden. Allem voran fehlt eine gründliche zielmarktbezogene strategische und finanzielle Planung sowie ein aussagefähiges, zeitnahes Controlling. Kein Wunder also, dass die Kosten bei einigen Unternehmen ins Uferlose gehen und die Investitionsplanung einem Fass ohne Boden gleicht.

CW: Rechnen Sie mit einer noch stärkeren Konsolidierung am Neuen Markt? Einigen Firmen - darunter dem einen oder anderen Wettbewerber von CPU - steht das Wasser bis zum Hals.

Köhler: So stark ist bislang der Bereinigungseffekt noch nicht. 337 Firmen sind derzeit am Neuen Markt notiert. Seit Bestehen der Frankfurter Wachstumsbörse haben mit Gigabell, Letsbuyit.com, Micrologica, Herzog Telecom, Teldafax und vor kurzem Infomatec nur sechs Unternehmen einen Insolvenzantrag gestellt und eines davon wurde ausgeschlossen. Es gibt aus meiner Sicht allerdings einige Kandidaten, die stark ins Trudeln geraten sind - auch in unserem Wettbewerberkreis. Anders als wir scheinen einige der Unternehmen sogar unter großen finanziellen Sorgen zu leiden. Es ist also gut möglich, dass sich in den nächsten Monaten die Spreu vom Weizen trennen wird.

CW: Sie haben bei anderen Gelegenheiten mehrmals betont, dass es für CPU ein Vorteil sei, als erstes Unternehmen am Neuen Markt in die Krise geraten zu sein. Wie darf man das verstehen?

Köhler: Einige unserer Wettbewerber haben ihre Schieflage erst jetzt richtig bemerkt. Zum Teil befinden sie sich noch in der ersten Phase der Lähmung und Orientierungslosigkeit. Durch die Abwanderung von Gründern und Managern entsteht zudem ein Machtvakuum, dass erst langsam wieder ausgefüllt werden kann. Zum Glück haben wir das alles hinter uns. Unser Vorteil ist, dass wir uns - im Vergleich zu anderen Unternehmen - wieder voll unseren Kunden widmen können.

CW: Wann wird CPU wieder in die Gewinnzone klettern?

Köhler: Wir haben bereits nach unserer Bestandsaufnahme im Sommer vergangenen Jahres kein Hehl daraus gemacht, dass vor CPU ein schwieriger Weg liegt und dass sich Erfolge nicht über Nacht einstellen werden. Nach der Einleitung und konsequenten Umsetzung notwendiger Maßnahmen zur Kurskorrektur gehen wir aber davon aus, im Jahr 2002 den Breakeven zu erreichen.

CW: Um welche Maßnahmen handelte es sich bei der Kurskorrektur im Einzelnen?

Köhler: In einem ersten Schritt galt es, das Beteiligungsportfolio zu bereinigen und die immensen Kosten zu senken. Mit der Umstrukturierung und dem Verkauf von Tochtergesellschaften konnte der Personalbestand, der ursprünglich schon für das Jahr 2000 mit mehr als 290 Mitarbeitern geplant war und im Juni 255 Mitarbeiter erreicht hatte, bis zum 31. Dezember auf 184 Mitarbeiter verringert werden. Bis Ende dieses Jahres planen wir einen weiteren Personalabbau auf zirka 135 Mitarbeiter. Die Umstellung vom Direktvertrieb zum Partnervertrieb in Polen, Tschechien und Ungarn hat neben der Senkung der Personalkosten auch bei den Sachkosten Einsparungen bewirkt. Des Weiteren haben wir die Geschäftsstellen in Wien und Berlin geschlossen.

CW: Sie sagten, dass sich die Integration der Tochtergesellschaften als schwierig erwies. Ist es Ihnen jetzt gelungen, die Beteiligungsunternehmen in den Konzern effektiv zu integrieren?

Köhler: Entgegen der vom alten Management vorgesehenen Integrationsstrategie haben wir den Tochtergesellschaften die operative Eigenverantwortung zurückgegeben. Die dem Konzernverbund angehörenden Unternehmen erfüllen heute einen eigenständigen Produkt- und Marktauftrag, etablieren ein spezifisches Branding und verfügen über einen eigenen Marktauftritt. Erste Erfolge am Markt zeigen uns, dass dieser Schritt notwendig und richtig war.

CW: Das Ziel lautete also "kleiner und schlanker". Downsizing wird in der heutigen Management-Theorie aber als phantasielos abgestempelt, und allein durch die Entlassung von knapp der Hälfte der Mitarbeiter dürften die Kunden wohl kaum wieder Vertrauenen fassen.

Köhler: Das ist vom Grundsatz her richtig. Der Tritt auf die Kostenbremse war eine notwendige, aber keine hinreichende Maßnahme. Im zweiten Schritt galt es, sich wieder auf die eigentlichen Kernkompetenzen zurückzubesinnen. Und die liegen für CPU im Kreditgeschäft und in der Wertpapierberatung - zwei zentrale Finanzdienstleistungen und zwei Fachgebiete, für die das Unternehmen bereits seit vielen Jahren hochwertige Finanzsoftware anbietet. CPU hat das Ziel, einer der führenden Anbieter von Software für die Beratung und Bearbeitung im Kredit- und Wertpapiergeschäft zu sein - und daran arbeiten wir.

CW: Was ist daran so neu? Das von Ihnen eben Gesagte war doch schon ein Teil der Story zum Börsengang - auch wenn es mit einer anderen Strategie verfolgt werden sollte.

Köhler: Und dieser Teil war auch in Ordnung so. Ich betone noch einmal: Die Strategie des alten Managements war nicht in allen Punkten abwegig. Was wir jetzt betreiben, ist nicht die völlige Abkehr von diesem Weg, aber die notwendige Konzentration auf unsere eigentlichen Kernkompetenzen. Deshalb intensivieren wir derzeit auch die Weiterentwicklung unserer beiden Kernprodukte "INA Investment Advisor" in der Wertpapierberatung und "CPU C5" im Kreditgeschäft.

Bei der neuen Version "CPU C6", die in rund 15 Monaten auf den Markt kommt, wird es sich um eine integrierte Web-fähige Systemlösung zur Beratung, Entscheidung und Bearbeitung im Kreditgeschäft für Privat- und Firmenkunden handeln. Die softwaremäßige Unterstützung reicht dabei von der Qualifizierung des Vorhabens über die Produktauswahl bis hin zur kompletten Bearbeitung. Die Steuerung des gesamten Prozesses erfolgt über ein einheitliches, arbeitsplatz- und bereichsübergreifendes Workflow-Management. Die Planungen sehen ferner die Archivierung aller Vorgänge in einer elektronischen Kreditakte vor.

Unsere zweite "Perle" ist die gerade erwähnte Standardsoftware "INA Investment Advisor", die den Beratungsprozess im Wertpapiergeschäft mit Hilfe künstlicher Intelligenz in einem Expertensystem abbildet. Die Software lässt sich in LAN- sowie Internet-Umgebungen integrieren und läuft bereits an über 7500 Beraterarbeitsplätzen führender Retail- und Privatbanken. Sie sehen also, dass wir durchaus von einer Akzeptanz unserer Produkte im Markt sprechen können.

CW: Von der großen Systemhaus-Vision des früheren CPU-Managements haben Sie damit aber endgültig Abschied genommen. Dabei drängt sich aber noch eine weitere Frage auf: Warum singen Sie so sehr das Hohelied auf Standardsoftware, wo doch bekanntlich Ihre Klientel, die Banken, mit Lösungen von der Stange wenig am Hut hat?

Köhler: CPU ist ganz klar ein Softwarehaus. Zu unseren Kernaufgaben zählen die Neu- und Weiterentwicklung von Programmen für die eben geschilderten Applikationen und deren Anpassung an individuelle Kundenanforderungen. Insofern kann ich dort, wo Sie ein Problem sehen, keines erkennen. Wir planen, entwickeln, implementieren und betreuen anwenderspezifische Lösungen zur Organisation und Optimierung von Kundenprozessen. Unsere Lösungen sind damit quasi Maßanfertigungen auf Basis von Standardprodukten.

Tabula rasaEinen radikalen Schnitt mit der Vergangenheit - so lautet das Erfolgsrezept des als CPU-Sanierers angetretenen Manfred Köhler. Nachdem aufgrund enttäuschender Ergebnisse und dem deutlichen Verfehlen ursprünglicher Planzahlen mehr oder weniger erzwungenen Rücktritt von Firmengründer und Vorstandschef Jochen Furch bildete Köhler ab August vergangenen Jahres zunächst mit seinem Vorstandskollegen Bernd Erlingheuser eine Doppelspitze. Doch der zuvor im internationalen Management zahlreicher IT-Firmen tätige Köhler - 1999 bereits für wenige Wochen Aufsichtsratsvorsitzender von CPU, bevor er wegen einer anderen Auffassung über die operative Strategie des damaligen Vorstands wieder von diesem Amt zurücktrat - geriet auch auch mit dem von der Deutschen Bank kommenden Erlingheuser sehr schnell in "Zielkonflikte" über grundsätzliche strategische Fragen.

Seit Anfang Februar dieses Jahres trägt Köhler nun als Vorstandssprecher allein die Verantwortung - und steht vor einem Berg an Problemen. 20,2 Millionen Mark Umsatz stand im Geschäftsjahr 2000 ein operativer Verlust von 37,6 Millionen Mark gegenüber. Da hatte man sich beim Börsengang im April 1999 (und auch noch geraume Zeit danach) deutlich mehr versprochen. Jetzt muss in einem sehr schwierigen Marktumfeld möglichst schnell der Turnaround geschafft werden. Kernprodukte der Augsburger sind die Finanzsoftware-Lösungen "C5" und "Ina", mit denen Banken ihre Kreditberatung beziehungsweise Wertpapiergeschäfte abwickeln können.

Abb: CPU - Die Kursentwicklung

Nach einem Absatzhoch von rund 70 Euro ging es mit der CPU-Aktie nur noch abwärts. Quelle: CPU/Consors