Ein Konzept zur Verkürzung der Auftragsabwicklung

Vor und nach der Fertigung entstehen zu lange Pausen

21.09.1990

Die Durchlaufzeit von Kundenaufträgen ist in vielen Unternehmen zu lang da PPS-Systeme die Produktionssteuerung nicht wirkungsvoll unterstützen. Zwar werden die Werkstattaufträge nach Plan abgewickelt, die Tätigkeiten in den der Fertigung vor- und nachgelagerten Bereichen laufen jedoch vielfach ungesteuert ab. Willy Stahl* zeigt ein Konzept auf, mit dem sich diese Zeiten wirkungsvoll verkürzen lassen.

Betrachtet man die Funktionen, die ein Unternehmen an einem Kundenauftrag auszuführen hat, bis ein auslieferungsbereites Produkt vorliegt, so zählt dazu neben der Fertigung noch eine Vielzahl weiterer Tätigkeiten.

Ein PPS-System konzentriert sich mit seinen Planungs- und Steuerungsfunktionen jedoch ausschließlich auf den Fertigungsbereich. Selbst dort gilt das Hauptaugenmerk lediglich Verrichtungen wie mechanischen, thermischen und chemischen Bearbeitungsvorgängen. Funktionen wie Transportieren und meist auch Prüfen, Verpacken und dergleichen berücksichtigt das PPS-System nur mit groben Übergangszeiten.

Es unterstützt den Anwender gar nicht mehr, wenn es um die Planung und Steuerung zum Beispiel der Funktionen im Konstruktionsbereich und im Bereich der Arbeitsplanerstellung geht.

Doch gerade an den Übergängen von einem Bereich zum nächsten verlängern übergroße Liegezeiten die Durchlaufzeit unnötig. Um den Kundenauftrag-Durchlauf effektiv steuern zu können, bedarf es der Information, an welcher Stelle im Unternehmen der Vorgang gerade in Bearbeitung ist.

Von einem Funktionsblock zum nächsten steuern

Eine in einigen Unternehmen vorzufindende organisatorische Einheit, Auftragszentrum oder zentrale Auftragsabwicklung (ZA) genannt, lenkt die Kundenaufträge durch die Funktionsbereiche im Unternehmen. Für die Qualität der Steuerung ist es entscheidend, daß die zentrale Auftragsabwicklung eine schnelle Informationsmöglichkeit über den Auftragsfortschritt hat. Als Hilfsmittel setzt sie hierzu eine Kundenauftrags-Begleitkarte eine die mitsamt dem Vorgang von einem Funktionsbereich zum nächsten läuft. Um nicht durch ständiges Zurückgeben des Auftrags zur ZA Zeit zu verlieren, wird für die Begleitkarte Mehrfachdurchschlagspapier verwendet. Pro ausgeführter Funktion erhält die ZA ein Duplikat, in die jeder Bereich die abgeschlossenen Tätigkeiten einträgt. Somit kennt sie den Auftragsfortschritt. Die Aktualität dieser Information hängt dabei entscheidend davon ab, wie schnell der Durchschlag zum Beispiel per Hauspost befördert wird. Um die zentrale Auftragsabwicklung bei ihrer Aufgabe wirkungsvoll zu unterstützen, muß sie die Fertigmeldung schnellstmöglich erhalten. Hat die Bearbeitung im nachfolgenden Bereich schon vor Eintreffen des Durchschlags begonnen, ist jede Möglichkeit des steuernden Eingriffs genommen. Die ZA soll die Aufträge den einzelnen Bereichen zwar zuteilen, sie soll aber innerhalb der Funktionsblöcke nicht mehr eingreifen. Dies bleibt Aufgabe der Funktionsverantwortlichen. Bei Verwendung der Auftragsbegleitkarte fällt auf, daß neben der schwerfälligen Informationsweitergabe, die ZA die Informationen zentral zurückgemeldet erhält. Die nachfolgenden Bereiche erfahren von dem Auftrag erst, wenn sie den Vorgang von der Vorgängerfunktion empfangen haben. Eine Vorabauskunft, weiche Aufträge ein Bereich in naher Zukunft zu erwarten hat, ist bei dieser Weitergabesystematik nicht möglich. Dies schließt eine Parallelbearbeitung in getrennten Funktionseinheiten weitgehend aus. Auf der Begleitkarte sind zudem Informationen vermerkt, die schon an anderer Stelle erfaßt worden sind und somit lediglich dupliziert werden müßten.

Schnelle Informationsverbreitung und Mehrfachnutzung bereits erfaßter Daten sind aber seit jeher Domäne der EDV, weshalb eine rechnergestützte Lösung naheliegend ist. Zur sinnvollen Systemgestaltung muß zunächst bedacht werden, welche Informationen die einzelnen Bereiche und welche die ZA benötigt. Weiterhin ist wichtig, wer die Informationen erstmals generiert.

Der Vertrieb ist die erste innerbetriebliche Stelle, die der Kundenauftrag erreicht. Die Bestellung enthält jedoch oft nicht alle Angaben, um das vom Kunden gewünschte Produkt eindeutig beschreiben zu können.

Für Rückfragen sollte die Konstruktion dem Vertrieb vorgeben, welche technischen Informationen er einzuholen hat. Haben die Produkte Variantencharakter, bieten sich hierfür Checklisten an. Um eine Steuerung des Kundenauftrags zu ermöglichen, gibt der Vertrieb diejenigen Daten in ein Rechnersystem ein, die für die nachfolgenden Bereiche von Interesse sind. Dies sind Kundenstammdaten, Artikelstammdaten und Abwicklungsdaten.

Setzt das Unternehmen bereits ein PPS-System ein, so sind dort Kunden- und Artikelstammdaten angelegt. Um ein mehrfaches Erfassen zu vermeiden - was auch immer mit Mehrfachpflege der Daten verbunden ist -, sollte auf diese Stammdaten zurückgegriffen werden. Viele PPS-Systeme bieten die Möglichkeit, über Matchcode nach bestimmten Informationen zu suchen. So kann der Vertrieb beim Erfassen des Auftrags bereits angelegte Kundenstammdaten nutzen. Ebenso ist es möglich, vorhandene Artikelstammdaten zu verwenden.

Muß für den Kundenauftrag ein neues Produkt entwickelt und konstruiert werden, läßt der Vertrieb die Artikelnummer offen und leitet den Vorgang mitsamt der Produktbeschreibung weiter. Erst nachdem die Konstruktion die produktbeschreibenden Informationen erstellt hat, vergibt sie eine neue Artikelnummer. Zu den Abwicklungsdaten gehört die Auftragsnummer - genauer: die interne Auftragsnummer. Hierunter ist die Bestellung im PPS-System erfaßt und jederzeit auffindbar. Sie dient bei Rückfragen des Kunden als Zugriffsschlüssel auf den Vorgang.

Für die einwandfreie Identifikation ist aber auch die Bestellnummer des Kunden wichtig. Hat er mehrere gleiche Artikel in unterschiedlichen Bestellungen geordert, kann der Bezug zwischen interner Auftragsnummer und Bestellung erst über diese Nummer hergestellt werden. Die Abwicklungsdaten beinhalten auch die Bestellmenge und eine Reihe von Terminen. Hierzu gehören Bestelltermin und der vom Kunden gewünschte Termin ebenso, wie der versprochene Liefertermin. Bei Standardprodukten, die lediglich kundenspezifische Anpassungen erfahren, liegen dem Vertrieb meist Lieferterminlisten vor.

Alle diese Aufgaben liegen bereits im Vertrieb vor. Ein wichtiger Grundsatz der Datenverarbeitung besagt, daß die Informationen immer dort erfaßt werden sollen, wo sie zum erstenmal auftreten. Demnach fällt dem Vertrieb die Aufgabe zu, diese Daten in ein EDV-System einzugeben. Zu späteren Ablaufoptimierungen ist es sinnvoll, neben den zur Abwicklung primär notwendigen Angaben auch das Bearbeitungsdatum und den Sachbearbeiter zu erfassen, der den Vorgang ausgeführt hat. Dies bewährt sich für die Fälle, in denen innerbetriebliche Rückfragen auftreten.

Erst jetzt gelangt der Kundenauftrag zur ZA. Zusammen mit dem Vertrieb legt sie Prioritäten fest, die entscheidend für eine Bevorzugung oder Rückstellung einzelner Aufträge sein können.

Bald genauere Bearbeitungszeiten

Um einen Überblick über den aktuellen Auftragsbestand im Unternehmen zu haben, ist eine sogenannte Auftragsliste ein organisatorisch sinnvolles Hilfsmittel für die ZA. Eine solche Aufstellung kann von Standard-PPS-Systemen jedoch nur in den seltensten Fällen geliefert werden, auch wenn die dazu notwendigen Daten gespeichert sind. Meist ist hierfür ein über Listen- oder Maskengenerator erzeugtes Spezialausgabeformat notwendig. An dieser Stelle erzeugt die ZA die schon erwähnte Auftragsbegleitkarte. Hierzu greift sie ebenfalls auf die im PPS-System bereits erfaßten Daten zu. Der erste Druckbereich auf der Begleitkarte benennt die Stammdaten des Kundenauftrags.

Zusammen mit den Auftragsunterlagen gibt die ZA den Vorgang an die nächste Funktionseinheit. Wird die Kundenauftragssteuerung in einem Unternehmen neu eingeführt, liegen keine oder nur sehr grobe Erfahrungswerte vor, wie lange die Bearbeitung eines Auftrags pro Bereich dauern darf. Schon nach kurzer Zeit lassen sich jedoch zunehmend genauere Bearbeitungszeiten bestimmen, die die ZA den Unternehmensbereichen als Ecktermine vorgibt. Während der Einführungsphase kann aus den kalkulierten Verwaltungskosten eine maximale Bearbeitungsdauer für alle Bereiche errechnet werden. Die zentrale Auftragsabwicklung verteilt diese Gesamtzeit je nach Aufwand an die einzelnen Abteilungen und bestimmt aus der Abfolge der Funktionen die Ecktermine.

Damit ist die Tätigkeit in der ZA zunächst abgeschlossen, und das technische Büro (TB) erhält den Vorgang, falls konstruktive Tätigkeiten auszufahren sind. Jeder Vorgang hat von der ZA einen Ecktermine erhalten, innerhalb derer die Bearbeitung abgeschlossen sein muß. Für eine Verteilung der Konstruktionstätigkeiten auf die einzelnen Mitarbeiter wäre es von Nutzen, würde matt den Auftragsbestand innerhalb des technischen Büros kennen. Eine derartige Liste enthält alle Vorgänge, die das TB empfangen, aber noch nicht weitergegeben hat. Es ist nicht anzunehmen, daß jeder entgegengenommene Auftrag sofort nach Erhalt bearbeitet werden kann. Um den Ablauf ständig optimieren zu können, ist die durchschnittliche Liegezeit des Auftrags im TB von Interesse. Hierzu muß neben dem tatsächlichen Bearbeitungsbeginn auch der Auftragseingang ins TB erfaßt werden. Auf eine Ausgangsmeldung kann verzichtet werden, da der Vorgang üblicherweise weitergeleitet wird, sobald er fertig bearbeitet ist. Auch hier ist es sinnvoll, den Sachbearbeiter zu vermerken, der den Vorgang erledigt hat.

Alle diese Informationen müssen auf schnellstem Wege die ZA erreichen. Der Vorgang gelangt danach zur Fertigungsplanung. Sie erstellt dort aufgrund der Stücklisten Informationen die Arbeitspläne und zukünftig komplette Ablaufgraphen. Hier und in den weiteren Bereichen sind dieselben Angaben erforderlich, wie sie bereits beim TB diskutiert wurden.

Erweitertes PPS-System mit BDE-Terminals

Die technische Realisierung dieses Konzepts sieht ein um die Kundenauftragssteuerung erweitertes PPS-System vor, das durch umfunktionierte BDE-Terminals ergänzt ist.

Der Vertrieb gibt wie erwähnt die Kunden-, Artikel- und Abwicklungsdaten ins PPS-System ein. Die zentrale Auftragsabwicklung kann entweder auf dem Bildschirm oder als Liste den Auftragsbestand erfragen. Sie erstellt weiterhin die Begleitkarte. Darauf ist ein Barcode zu sehen, der die Auftragsnummer verschlüsselt. Die ZA gibt den kompletten Vorgang mitsamt der Begleitkarte an das TB.

Gelangen die Unterlagen in das TB, ist dort der Auftragseingang zu erfassen. Hierzu wird der Barcode auf der Begleitkarte durch einen Durchzugsleser eines BDE-Terminals gezogen. Am Display erscheinen die Auftragsnummer und das aktuelle Datum mit Uhrzeit. Das Erfassungspersonal drückt die Funktionstaste TB-Eingang und schließt hierüber die Meldefolge ab. Bei der Start-Meldung muß sich der Bearbeiter zuerst mittels seines Werksausweises identifizieren und kann anschließend in den Dialog einsteigen. Das Bearbeitungsende gibt er auf dieselbe Weise ein. Um die Informationen auf der Begleitkarte zu dokumentieren, ist jede Meldestation mit einem Drucker ausgerüstet. Der Mitarbeiter legt die Begleitkarte in den Einzelblatt-Einzug und betätigt die Faste "Druck", worauf der Textblock des Bereiches TB ergänzt wird.

Die gleichen Informationen, die auf der Begleitkarte gedruckt sind, können von jedem Bereich auch im Rechner abgerufen werden. Die auf Papier gedruckte Information soll Auskunft über den bisherigen Auftragsfortschritt und die Termintreue geben, ohne die EDV befragen zu müssen.

Erfassen mittels Barcode, Zeiten über Tasten

Anstatt der BDE-Meldung kann die Eingabe auch direkt am Bildschirm erfolgen. Die BDE-Lösung erweist sich im täglichen Einsatz jedoch als vorteilhaft, da die Mitarbeiter beim Erfassen nichts eintippen müssen, sondern lediglich mittels Barcode die Auftragsdaten eingeben und die angezeigten Zeiten über Funktionstasten bestätigen.

Somit hält sich der zusätzliche Aufwand in Grenzen. Diese Vorgehensweise hat sich im Fertigungsbereich bereits bewährt; nicht zuletzt, da Fehleingaben weitgehend ausgeschlossen werden können.

Die ZA plant aufgrund der gemeldeten Informationen die weitere zeitliche Abwicklung des Auftrags. Die Bereichsverantwortlichen können aus der Auftragsfortschritts-Maske die aktuellen Eckterminvorgaben der ZA für alle Bereiche ersehen. Mit dieser Information können sie sich auf Vorgänge einstellen, die in naher Zukunft zu ihnen gelangen werden und die Feinplanung innerhalb ihres Bereichs darauf ausrichten.

Die zentrale Auftragsabwicklung bildet eine organisatorische Einheit, die einen harmonischen innerbetrieblichen Ablauf gewährleisten soll. Hierfür benötigt sie aktuelle Informationen über den Bearbeitungsstand der einzelnen Vorgänge. Mit einer Auftragssteuerung auch schon im Vorfeld der Fertigung bleiben Durchlaufzeit und Liefertermin nicht länger Zufallsprodukte.

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