DV-Endbenutzer-Schulung kann auch direkt am Arbeitsplatz stattfinden:

Vor-Ort-Training bringt viel mehr als ein Seminarbesuch

30.09.1988

Daß der DV-Endanwender für seine tägliche Arbeit am Terminal aus- und weitergebildet werden muß, steht heute außer Frage. Wo und wie aber kann die effektivste Schulung erfolgen? Erhard Zwick, Regionalleiter Vertrieb West der Unternehmensberatung Schumann GmbH, Köln, plädiert für die Aus- und Weiterbildung am Arbeitsplatz.

"Die Technik ist vorhanden, sie ist ausgereift, aber ihr Nutzen entspricht längst noch nicht ihren Möglichkeiten." Dieser Situation haben sich DV-Hersteller und DV-Berater zu stellen. Die technische Intelligenz wird nicht in dem Maße an- und aufgenommen, wie das wünschenswert, wirtschaftlich notwendig und vom Stand der technisch-organisatorischen Entwicklung her durchführbar wäre. Der Raum zwischen der optimalen Anwendung und der Beherrschung der Grundkenntnisse ist groß, viel zu groß und nur bis zu einem gewissen Grade erschlossen.

Nachfrage nach Technikeinsatz ist enorm groß

Dies wirft Fragen auf, deren Beantwortung letztlich in einem Punkt münden: der Schulung von DV-Benutzern vor Ort, der Motivierung, Unterrichtung und Ausbildung der Menschen, die mit den elektronischen Systemen zu arbeiten, sie zu akzeptieren, zu beherrschen und in ihrer Anwendung optimal auszuschöpfen haben.

Einer Umfrage des Institutes der deutschen Wirtschaft unter 574 repräsentativ ausgewählten Betrieben zufolge muß die Weiterbildung gerade bei der Einführung und beim weiterführenden Einsatz dieser Techniken ausgebaut werden. Jedenfalls wird das von 96 Prozent der befragten Unternehmen gewünscht. Zwischen Umfragehinweis und alltäglicher Praxis klafft allerdings die angesprochene Lücke. Sie ist durch Schulungsmaßnahmen auszufallen.

Dabei werden pädagogische Innovation, Einfühlungsvermögen in die jeweiligen Mitarbeiter, deren Arbeitsplatz durch DV tangiert oder bestimmt wird, überzeugende Argumentation und detaillierte Einweisung in das technisch Erforderliche und über dessen grundlegende Erfordernisse verlangt. Denn vor Ort nämlich an den Geräten direkt wird entschieden, was geht, was nicht geht und was, weil es schwierig erscheint, gar nicht erst versucht wird. Ohne eine DV-Endbenutzer-Schulung am Arbeitsplatz, die nicht nur erläutert, sondern vor allem auch anspricht, überzeugt und die anzusprechenden Menschen mit er von ihnen zu handhabenden Technik in Übereinstimmung bringt und vertraut macht, geht das meiste nicht von dem, was ginge, wenn es als gangbar angenommen würde.

Ziele und Zielgruppen der Endbenutzer-Schulung

Endbenutzer-Schulung heißt, demjenigen, der am Terminal sitzt, Handhabung, Kenntnisse und Einsatzmöglichkeiten des elektronischen Systems, mit dem er oder sie zu arbeiten hat, so umfassend und detailliert wie möglich zu vermitteln. Gleichzeitig aber soll sie auch Vorurteile, Ängste und persönliche Hemmungen abbauen und sie in eine positive Haltung gegenüber einer bedeutenden Arbeitserleichterung verwandeln. Gerade mit dieser pädagogischen Aufgabe beginnen die meisten Schwierigkeiten.

Die Ziele der Schulung lauten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Terminal in den Kreislauf eines organisationstechnischen, rationell bestimmten Arbeits- und Informations-Prozesses einzufügen. Darüber hinaus gilt es, sie zu motivieren, ihre arbeitsplatzspezifischen Fragen einzubringen und sie im Verlauf ihrer Erfahrungen mit dem technischen Ablauf in dessen Rahmen auszuweiten. Dies verlangt vom schulenden Personal weit mehr als die - noch so eingehende und differenzierte - Erläuterung einer Betriebsanleitung. Sie erfordert die unterstützende Begleitung auf einem Weg, der bisherige Erfahrungen verändert, verwandelt und verläßt.

Zielgruppe für Schulungsmaßnahmen sind sowohl terminalerfahrene als auch mit der Terminalarbeit nicht vertraute Mitarbeiter. Angesprochen wird ferner der Personenkreis, der die Arbeit am Terminal aus oft unterschiedlichen Gründen ablehnt und sich - wenigstens am Anfang - einer aktiven Mitwirkung versagt. Diese Mitarbeiter müssen erst für die neue Technik gewonnen werden, bevor eine erfolgreiche Schulungsarbeit beginnen kann.

Somit ergibt sich ein sehr heterogener Kreis von Schulungspartnern, sowohl was ihre Arbeitsgebiete als auch was ihre Vorbildung zu elektronischen Medien und ihre Grundeinstellung anbetrifft.

Die Inhalte der Endbenutzer-Schulung

Der erste Schritt jeder Endbenutzer-Schulung - und gerade der wird oft vergessen - hat dem Beseitigen psychologischer Barrieren und dem Aufbau eines persönlichen Vertrauensverhältnisses zu dienen. Der zweite Schritt sollte an die besonderen Verhältnisse und Bedingungen des Arbeitsplatzes heranführen und die Möglichkeiten des Systems für Arbeitsverhältnisse und Arbeitsablauf erörtern. Erst dann eröffnet sich ein gangbarer Weg in die eigentliche Systemschulung, das Transaktionstraining, das Funktionstastentraining und schließlich die zusammenfassende Einweisung in die Möglichkeiten des elektronischen Arbeitssystems.

1. Systemschulung:

* Demonstration der Systembedienung für den Systemverantwortlichen:

- Starten des Systembetriebes,

- Behandlung von Fehlernachrichten im Konsolmode,

- Behandlung von Spool-Einträgen,

- Beenden des Systembetriebes.

* Einrichten von Zugriffsberechtigungen zum System:

- Aktivieren der Systemschutzfunktionen,

- Anlegen eines "Master-Kennwortes" für den Systemverantwortlichen in Abstimmung mit dem Auftraggeber.

2. Transaktionstraining:

* Erlernen der relevanten Bezeichnungen (Codes der Anwendungs-Programme, Transaktionscodes, Befehle, Buchungsschlüssel);

* Maskentraining (arbeitsablaufgerechte Nutzung der Masken);

* Erarbeiten der Abfragemöglichkeiten (wie erhalte ich welche sachlichen Informationen);

* der sinnvolle Umgang mit Match-Codes;

* Erläuterung und Anwendung der Help-Funktionen;

* Darstellung der Plausibilitätskontrollen als weiteres Hilfsmittel.

3. Funktionstastentraining:

* Erklärung der Funktionstastenbelegung (welches Zeichen für welche Funktion);

* die sinnvolle Bedienung der Feldsprung- und Cursortasten.

4. Einweisung:

* Terminalbedienung, Anmeldung, Abmeldung, Benutzerautorisierung;

* Bürofunktionen (Terminplanung, Kalendereinsatz, Elektronische Post innerhalb des Systems);

* Dokumentfunktionen (Erstellen, Ändern, Suchen, Anzeigen von Mitteilungen und Dokumenten);

* Dienstfunktionen (Paßwortänderung, Telefonverzeichnis, Tischrechnermodus);

* Einweisung zum Einrichten von benutzerspezifischen Standardwerten (Profile und Variablengrößen);

* Einweisen in die Handhabung von Entscheidungshilfen:

- Datenbankabfragen,

- Berichtsgenerierung,

- Grafikerstellung,

- Statistik/Einsatz von Tabellen.

Eine Woche nach Abschluß der Einweisung - also ein Zeitraum, der dem persönlichen Vertrautmachen und dem Experimentieren mit dem elektronischen Arbeitssystem dient - ist ein halber Arbeitstag für offene Fragen vorzusehen, in dessen Verlauf nicht selten wesentliche Probleme erläutert werden. Der Abschluß der Schulung bringt meist Aufschluß über wichtige Punkte, die unberücksichtigt, nicht verstanden oder wohl verstanden, aber nicht umgesetzt wurden. Das ist der Augenblick, in dem über Erfolg oder Mißerfolg einer Schulungsmaßnahme entschieden wird. Selbst ein scheinbarer Erfolg kann sich auf Dauer als Mißerfolg herausstellen. Eine Studie hat belegt, daß in zahlreichen Fällen nur 40 Prozent der Möglichkeiten ausgenutzt werden, die ein elektronisches System dem jeweiligen Betriebsablauf zu seiner Rationalisierung und verbesserten Ablauf-Effektivität anzubieten hat.

Die Schulung muß individuell auf den einzelnen Teilnehmer ausgerichtet sein, das heißt, Lerntempo und Lernerfolg richten sich nach seinen individuellen Kenntnissen, aber auch nach seinem Aufnahmevermögen. Dies unterscheidet die Schulung am Arbeitsplatz (Einzeltraining) im wesentlichen vom Gruppentraining, bei dem der Langsamste zwangsläufig das Lerntempo der ganzen Gruppe beeinträchtigt.

Übertragung des Lernstoffs in die Praxis enorm wichtig

Die Schulung muß praxisbezogen sein. Das bedeutet, daß der zu Schulende den Lernstoff an seinem täglich anfallenden Arbeitsgut erlernen soll. Dies stellt sicher, daß

- der Mitarbeiter die Lerninhalte mit seiner täglichen Arbeit in Einklang bringen kann;

- mögliche Übertragungsfehler sofort beim Erlernen auffallen und ausgeräumt werden können;

- dem Mitarbeiter nur die Schulungsinhalte vermittelt werden, die für ihn notwendig sind, und er nicht mit Lernstoff "überschüttet" wird, der für ihn nicht von Nutzen sein kann;

- der Anwender auch in Zukunft das Erlernte bei der täglichen Arbeit nutzen kann.

Häufig wird vom Kunden ausgeführt, daß eine Schulung vor Ort zuviel Unruhe verursacht und andere Mitarbeiter der Abteilung gestört werden.

Die Realität zeigt jedoch, daß bereits nach kurzer Zeit (nachdem Skepsis und anfängliches Mißtrauen gewichen sind) eine positive Haltung bei allen Mitarbeitern erkennbar ist.

Dies geht meist damit einher, daß die tägliche Arbeit jetzt leichter bewältigt werden kann. Der Kunde erkennt den Nutzen für sich und seine Arbeit, was wiederum zu einem Abbau seiner Abwehrhaltung führt.

Die Individualschulung am Arbeitsplatz hat weiterhin den Vorteil, daß der Schulende die Schulungsinhalte, Schulungsaufbau und -ablauf den innerbetrieblichen Notwendigkeiten anpassen kann. Bedingt dadurch, daß er jeweils nur ein bis zwei Mitarbeiter, ausbildet, während die anderen ihre täglichen Arbeitsprozesse erledigen, bleibt die Leistung der Abteilung weitestgehend auf dem gewohnten Niveau.

Weiterhin wird konsequent darauf geachtet, daß der vermittelte Lernstoff unmittelbar in die Praxis übertragen wird. Dies wiederum ist von erheblicher Bedeutung, da im Vergleich zum Gruppenunterricht die sonst üblichen Reibungsverluste vermieden werden können.

Einwände, wie betriebliche Erfahrungen, die durch eine Schulung weder verbessert noch verändert werden könnten, sind durch entsprechende und vor allem wohlüberlegte Argumente nicht allein zu widerlegen, sondern sogar in die eigene Argumentation einzufügen und durch sie auch ohne Anstoß von anderer Seite zu beantworten. Der Wind, den man den Einwände-Formulierenden und -Vortragenden von vornherein aus dem Segel nimmt, bewahrt vor Irritationen und Schwierigkeiten in einer späteren Phase des Schulungsverlaufes. Nicht nur Einwendungen, sondern auch falsche oder fehlgeleitete Wunschvorstellungen des Unternehmensmanagements oder der endbenutzenden Unternehmensmitarbeiter sind zu einem möglichst frühen Zeitpunkt auf ein reales Maß zurückzuführen und einer durchführbaren Praxis anzugleichen, um Enttäuschungen, Frustrationen sowie sich späterhin entwickelnde Auseinandersetzungen über System und Organisation schon im Ansatz zu vermeiden.

Nicht allein in der Beschränkung, sondern vor allem auch unter Einbeziehung aller Kriterien, die möglicherweise wesentlich sind, zeigt sich die Meisterschaft einer Schulung für Endbenutzer am Arbeitsplatz. DV-Endbenutzer-Schulung hat den ganzen Menschen und sein Arbeitsumfeld zu erfassen. Eine Vorgabe, die verwirrend erscheinen mag und dennoch Selbstverständliches - leider nicht immer Beachtetes - beinhaltet. Sowohl der menschliche als auch der sachliche Aspekt am Arbeitsplatz ist neben dem speziellen fachlichen Anforderungsprofil in Erwägung zu ziehen und in Vereinbarkeit mit dem DV-technischen Arbeitsrahmen zu bringen.

Hier stoßen häufig mehr als zwei Interessen zusammen. Nicht allein das Anbieter- und das Abnehmerinteresse, sondern auch die für einen dauerhaften positiven Einsatz wichtigen, besonderen Interessen der Endbenutzer - seien sie nun mehr sach-, fachlicher oder persönlicher Natur -, die nicht immer ohne weiteres in ein vorgegebenes Organisationsraster einzufügen sind, aber gleichwohl nicht unberücksichtigt bleiben dürfen. Hier erhält die Schulungsaufgabe Aspekte, die ohne Fingerspitzengefühl der Trainer negative Einflüsse hinterlassen, aber umgekehrt positive Impulse vermitteln können.

Die Methodik der Schulungen ist von Fall zu Fall unterschiedlich anzusetzen. Bei einem Unternehmen mit zahlreichen gleichartig angeordneten und vom Arbeitseinsatz her ähnlich bestimmten Bildschirm-Arbeitsplätzen bietet sich auf den ersten Blick zwangsläufig der Gruppenunterricht an, der vordergründig als kostengünstig auch vom Kontakt und vom direkten Erfahrungsaustausch der Endbenutzer her Vorteile besitzt.

Genau betrachtet wird man jedoch feststellen, daß zwischen dem Aufwand für die zu realisierenden Maßnahmen und dem erzielten Nutzen eine enge Beziehung besteht. Untersuchungen haben ergeben, daß selbst bei Mitarbeitern, die mehrere Jahre praktische Erfahrung am Terminal haben, erhebliche Defizite bei der Nutzung der verfügbaren Möglichkeiten vorhanden sind. Diese betragen nicht selten bis zu 60 Prozent.

Leicht erkennbar wird für jeden sein, daß eine solche Rechnung schnell unstimmig sein kann, wenn man den Aufwand Soft- und Hardware einerseits und den Grad der Nutzung durch den User andererseits berücksichtigt.

Häufig wird außerdem bei einem Kostenvergleich außer acht gelassen, daß nicht nur die reinen Seminargebühren pro Mitarbeiter in Rechnung zu stellen sind, sondern auch Aufwendungen wie Reisekosten, Unterbringung, Verpflegung sowie Ausfallzeiten für den Seminarbesucher zu Buche schlagen.

Wenn man zusätzlich alle Reibungsverluste dieser Schulungsart und den häufig stark defizitären Schulungserfolg zusätzlich in Betracht zieht, werden die erheblichen Vorteile der individuellen Schulung vor Ort, am Arbeitsplatz, bewußt.

Unterschiedlich angeordnete und gelagerte Arbeitsplätze verlangen nach individueller Einzelschulung.

Als Richtlinie einer erfolgreichen DV-Endbenutzer-Schulung am Arbeitsplatz gilt: Ohne den ganzen Menschen geht nichts. Er bestimmt den Wert der Technik, er muß überzeugt werden, er hat das Angebot bejahend in die Praxis umzusetzen - mit seinem Einsatz steht oder fällt die elektronische Technik; sie mag - für sich gesehen - noch so viele Vorteile bieten.